Etwa zehn Prozent der Kohle, die die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) im Süden von Leipzig im Tagebau 'Vereinigtes Schleenhain' fördert, wird nicht verstromt. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage des Landtagsabgeordnete Gerd Lippold (Bündnis 90/Die Grünen) hervor. Die nicht verstromte Kohle wird u.a. zu den Firmen Südzucker AG, CropEnergies Bioethanol GmbH und den Romonta Firmenverbund geliefert.
“Ist Heuersdorf umsonst gestorben?”, fragt Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, angesichts der vorgelegten Zahlen. “Im zweiten Heuersdorfgesetz von 2004 wird der Eindruck erweckt, der 40-jährige Betrieb des Kraftwerks Lippendorf sei nur sicherzustellen, wenn auf die Kohle unter Heuersdorf zurückgegriffen werden könne.”
Zur Begründung der Dorfzerstörung heißt es dort: “Nur unter Inanspruchnahme der Braunkohlen unter dem Gebiet der Gemeinde Heuersdorf kann davon ausgegangen werden, dass die kontinuierliche, mengen- und qualitätssichere Belieferung des Kraftwerks Lippendorf erfolgen kann und eine ausreichende Planungssicherheit im Gesamtverbund zwischen Bergbaubetreibender und Stromversorgungsunternehmen gegeben ist.”
Unter dem Ort wurden rund 52 Millionen Tonnen Kohle erwartet. Genug, um das Kraftwerk etwa vier Jahre zu befeuern. Das entspricht etwa einem Zehntel der geplanten Kraftwerksbetriebsdauer von 40 Jahren.
“Wenige Jahre nach der Zerstörung des Dorfes hat man offenbar keine Bedenken mehr, dass die Kohle im genehmigten Tagebau nicht reichen könne”, kritisiert der Abgeordnete. “Wenn man jetzt zehn Prozent der Braunkohle ‘übrig’ hat, liegt der Schluss nahe, dass die Abbaggerung von Heuersdorf für die Absicherung des Betriebs des Kraftwerks Lippendorf nicht nötig war.”
Im Jahr 2000 kippte das Sächsische Verfassungsgericht das erste Heuersdorfgesetz, das der CDU-dominierte Landtag 1998 beschlossen hatte, um der Braunkohleverstromung im Leipziger Süden eine langfristige Basis zu geben. Das 240-Einwohner-Dorf schien gerettet. Das zweite Heuersdorfgesetz, das “Gesetz zur Inanspruchnahme der Gemeinde Heuersdorf für den Braunkohlenabbau und zur Eingliederung der Gemeinde Heuersdorf in die Stadt Regis-Breitingen” (Heuersdorfgesetz – HeudG) vom 28.05.2004, machte dann den Weg frei für die Abbaggerung des Ortes.
Abgelehnt wurde der Gesetzentwurf von der Gemeinde Heuersdorf, sowie durch BUND, NABU und Grüne Liga Sachsen e.V., denn die bergbaubedingte Inanspruchnahme des Gebietes der Gemeinde Heuersdorf sei nicht durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Insbesondere sei die energiewirtschaftliche Notwendigkeit nicht nachgewiesen worden. Aufgrund der offenen energiepolitischen Rahmenbedingungen könne eine bergbaubedingte Inanspruchnahme nicht gerechtfertigt werden. Die IGBCE (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie), die IHK Leipzig sowie die Tagebautreibende MIBRAG und die Kraftwerkseigentümer Vattenfall Europe, E.ON und EnBW stimmen dem Gesetzentwurf zu.
Und den nächsten Abbagger-Kandidaten gibt es ja auch schon. Lippold: “Ich frage mich, mit welcher Gemeinwohl-Begründung die MIBRAG versuchen wird, Pödelwitz vom Erdboden zu tilgen. Auch dort stehen über 700 Jahre Geschichte. Die Kohle unter Pödelwitz reicht gerade für ein Jahr Kraftwerksbetrieb. Dabei wird in Lippendorf künftig sicherlich nicht mehr Kohle verbrannt als in der Vergangenheit, denn die Energiewende geht – wenn auch gebremst – weiter.”
Lippold fordert von der neuen Staatsregierung, Pödelwitz zu schützen und das Bundesberggesetz erst zu nehmen: “Das Bundesberggesetz bestimmt im Paragraf 1 zu seinem Zweck, die Sicherung der Rohstoffversorgung bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden zu ordnen und zu fördern. Das Vorgehen der MIBRAG im Süden von Leipzig stimmt mit dem Gesetz nicht überein. Die MIBRAG baggert nicht nur so viel Landschaft ab, wie es zur Absicherung der Kohleverstromung in Lippendorf erforderlich ist. Sie fördert so viel Braunkohle, wie sich irgendwo billig verheizen lässt.”
Augenscheinlich ist Kohle in Sachsen so billig zu bekommen, dass sich selbst der Kauf von Kohlekraftwerken noch lohnt.
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Lippold: “Die MIBRAG und ihre Eigentümerin, der tschechische Konzern EPH, wurden in den vergangenen Wochen in Verbindung mit dem möglichen Verkauf der Braunkohlensparte von Vattenfall gebracht. Wer die MIBRAG als Bergbautreibenden auf die Lausitz loslassen will, der sollte sich deren Interpretation vom sparsamen und schonenden Umgang mit sächsischer Kulturlandschaft und deren Achtung vor den Grundrechten der betroffenen Menschen genau anschauen.”
Die in Schleenhain geförderte Kohle, die nicht im Kraftwerk Lippendorf verbrannt wird, wird mit schweren Lastkraftwagen nach Zeitz und Brottewitz zur Südzucker AG transportiert, nach Leuna zum Romonta-Verbund und ebenfalls nach Zeitz zur CropEnergies Ethanol GmbH, die mit zum Südzucker-Konzern gehört und aus Zuckerrüben Bioethanol herstellt. Wobei die schieren Mengen der angelieferten Braunkohle schon Fragen aufwirft. Romonta ist Teil der in Leuna neu entstehenden Verwertungskette, die aus der Braunkohle wieder chemische Grundsubstanzen für die Industrie gewinnt.
Lippold: “Gerade der Einsatz der Braunkohle als Heizmaterial zum Zweck der Bioethanolproduktion entbehrt nicht einer zusätzlichen Absurdität. Bioethanol wird heute dem Superbenzin zugesetzt, um den Einsatz fossiler Brennstoffe und damit den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Der Einsatz von Braunkohle zur Herstellung von Bioethanol führt aber zu einem ganz besonders CO2-intensiven Herstellverfahren.”
Die Antwort auf die Kleine Anfrage als PDF zum Download.
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