Roland Mey ist zwar Rentner, studierter Physiker, Leipziger SPD-Urgstein und war auch mal Stadtrat für die SPD. Aber jetzt ist er sauer und hat - mal wieder - einen seiner grimmigen Leserbriefe an die LVZ geschrieben - und an die L-IZ weitergeleitet, damit es alle wissen. Das Thema, das ihn umtreibt, ist eine Länderfusion in Mitteldeutschland. Gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Bernward Rothe aus Sachsen-Anhalt sammelt er nun seit Monaten Unterschriften für ein Volksbegehren.
Anders wird es nicht gehen. Denn die drei Regierungen und Parlamente tun sich schwer bei dem Thema. Es gibt eine Menge zu verlieren – Posten und Einfluss und – was gern vergessen wird – Macht. Aber nicht das macht Mey so sauer. Das kennt er schon, die Anfragen hat er hinter sich und weiß, dass da nichts passieren wird. Was ihn ärgert, ist die fehlende Öffentlichkeit für das Thema. Und gerade mit der Leipziger Volkszeitung hadert er, hat sich dort schon bei der Chefredaktion beschwert, warum man das Thema Mitteldeutschland so negiere.
Er bekam dann einen Stoß Ausdrucke zugeschickt. Die LVZ hatte die diversen Infostände, die Bernward Rothe und Roland Mey zum Unterschriftensammeln organisiert hatten, durchaus angekündigt. Und zum großen Thema hatte man Mitteldeutschland doch auch gemacht. Am 30. August etwa unter dem Titel “Mitteldeutschland – ein Opfer der Eitelkeiten?” Immerhin ein Text, der sehr deutlich machte, wie sehr das Thema schon an den politischen Entscheidungsträgern scheitert. “Am Ende will niemand verzichten”, wird der sächsische Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt zitiert.
Aber nun dachte Mey, nun kommt der nächste Schritt – die Initiatoren des Volksbegehrens Mitteldeutschland bekamen einen Termin mit einem LVZ-Redakteur. In Halle. Da fuhr er geradezu mit Begeisterung hin: “Endlich ein Gespräch auf oberster Ebene!”
Was draus wurde, konnte er am 25. Oktober in der LVZ lesen: Zwei Artikel, in denen die Initiative von Rothe und Mey nur ganz beiläufig erwähnt wurde. Auf Seite 1 beschäftigte sich die LVZ ganz ausgiebig mit dem Vorstoß der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die – im Zusammenhang mit der Diskussion um den Länderfinanzausgleich – vehement für eine Länderfusion und eine Verringerung der aktuell 16 Bundesländer auf sechs bis acht Bundesländer eintrat. Viel Raum bekamen die Antworten der drei Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die allesamt die alten Argumente wiederholten: kein Bedarf. Und ganz am Ende wurde das, was Mey und Rothe machen, sogar nur indirekt erwähnt: “Tatsächlich gibt es immer wieder Vorstöße, die Zahl der Bundesländer zu reduzieren. So wird momentan im Großraum Leipzig/Halle ein Volksbegehren für den Zusammenschluss von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen angeschoben. Laut Umfragen gibt es in Thüringen eine leichte Mehrheit für die Fusion, in Sachsen-Anhalt herrscht ein Patt, nur die Sachsen sind überwiegend dagegen. Der bislang letzte Versuch, Bundesländer zusammenzulegen, scheiterte 1996: Die Brandenburger lehnten eine Vereinigung mit Berlin ab.”
Die letzten Aussagen hatten übrigens ganz genau so auch schon am 30. August in der LVZ gestanden. Auch damals hatte man – augenscheinlich weit und breit der einzige Spezialist für das Thema – den Leipziger Professor für öffentliche Finanzen Thomas Lenk befragt, der sich mit dem Thema – logischerweise – komplett unter dem finanziellen Aspekt beschäftigt und damals zu dem Schluss kam: “Große Einsparungen sind ein Trugschluss”.
Auch am 25. Oktober bekam er (auf Seite 4) ein Interview, das diesmal betitelt war: “Arm und arm ergibt nicht reich”. Er begründet das auch. Immerhin gehört er zu den Wenigen in der Bundesrepublik, die sich fachlich intensiv mit den Geldströmen unter den Bundesländern beschäftigen. Er hat sich in einer neuen Veröffentlichung auch intensiv mit der anstehenden Föderalismusreform und den Bauchschmerzen der großen Geber-Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beim Länderfinanzausgleich beschäftigt – und die Argumente von Bayern & Co. sehr sorgfältig auseinandergenommen. Denn das alles ist nicht neu. Und problematisch sind eigentlich nicht die Transfers aus den reichen Ländern in die steuerschwachen Länder. Problematisch ist die Finanzierungslücke, die bei Städten mit schwachen Steuereinnahmen auftauchen – denn die müssen von ihren Landesregierungen oft zusätzlich unterstützt werden – das gibt das Budget aber in Ländern wie Sachsen nicht her.
Dass aber ihre Initiative nach dem Extra-Termin gar nur noch indirekt auftauchte, das macht Roland Mey so richtig sauer. So sauer, das er auf dem berühmten Professor Lenk gleich mal einen Professor Lemke machte.
Sein Leserbrief in ganzer Länge:
“Der fundamentale Ansatz für Länderfusionen von Professor Lemke ist das Steueraufkommen der einzelnen Länder. Das ist richtig aber nicht hinreichend. Eine notwendige Bedingung für ein ‘funktionierendes’ Land sollte (wie bisher) die zusammenhängende geografische Lage sein. Denn jetzt muss auf lange Sicht neustrukturiert und dadurch die (infrastrukturelle) Voraussetzung für zukünftig höhere Steueraufkommen in den Regionen geschaffen werden. Auch ist zu beachten, dass unsere gegenwärtige ‘Kleinstaaterei’ das geringe Steueraufkommen einerseits bedingt und andererseits wieder verschlingt, zumindest in wesentlichen Teilen. Die Ministerpräsidenten der drei mitteldeutschen Länder beweisen momentan mit ihren frontal zurückweisenden (oftmals trivialen) Kommentaren, wie Politiker und Paralamentarier leider häufig vordergründig an sich selbst, dann an ihre Parteifreunde und schließlich drittrangig an die deutsche Zukunft denken.
Die ‘Arbeiter’ des Volksbegehrens Mitteldeutschland fahren im Januar/Februar 2015 mit mehr als 7.000 notwendigen Unterschriften zum Bundesinnenminister nach Berlin. Das werden die drei mächtigen Ministerpräsidenten und die starken Parteiapparate in Dresden, Erfurt und Magdeburg nicht verhindern können.
Roland Mey, Leipzig
Sächsische Vertrauensperson für das Volksbegehren Mitteldeutschland”
Das muss man eigentlich nicht kommentieren. Es verblüfft nur immer wieder, wie wenig möglich es den jeweils amtierenden Ministerpräsidenten erscheint, den Wirtschaftsraum Mitteldeutschland – denn um nichts anderes geht es, als Einheit zu denken und wirklich übergreifende Strukturen zu entwickeln. Selbst die Wirtschaftskammern kritisieren zu Recht und regelmäßig die Hemmnisse der Landesgrenzen. Selbst Fördermittel werden immer wieder in Einzelprojekten und in Konkurrenz zueinander eingesetzt. Die Verkehrspolitik ist genauso kleinteilig gedacht wie die Bildungs- und Forschungspolitik. Es geht nicht nur um die paar Peanuts, die eingespart werden können, wenn man drei Parlamente und drei Landesregierung zusammenlegt (obwohl genau da die größten Widerstände gegen eine Fusion zu Hause sind), es geht um die Entwicklung einer – sagen wir das Wort ruhig mal wieder: Metropolregion.
Die ist zwar vor zehn Jahren als eine Art Gemeinschaftsinitiative entstanden – aber ganz allein auf den Schultern der Städte. Die Landesregierungen hielten sich vornehm zurück, haben es nie zu ihrem Projekt gemacht und lieber zugeschaut, wie Städte wie Dresden dann wieder ausstiegen. Da entschied man sich in der Metropolregion Mitteldeutschland lieber, sich mit der Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland zusammenzutun, mit denen, die unter der kleinteiligen Politik genauso litten und leiden. Und weiter leiden werden, so lange sich auf Landesebene nichts ändert. Die wenigen Initiativen der Länder haben mit dem, worum es geht, reinweg nichts zu tun.
Jetzt gemeinsam für Mitteldeutschland: Logistiknetzwerke aus Sachsen und Thüringen tun sich zusammen
Die mitteldeutsche Logistikbranche …
Natürlich war es nicht ein einzelnes …
Der Wahltermin 31. August nähert …
Und das, was dran wäre, wird nicht mal gedacht. Zum Beispiel gemeinsame Förder- und Strukturkommissionen. Das wäre auch mit drei Landesregierungen möglich, wenn sie nur einmal einen für alle Wirtschaftsakteure einheitlichen Handlungsraum wollten. Das war ja auch die Ursprungsidee der von der EU gewollten Metropolregion. Die Nichtexistenz so eines Raumes wirkt sich bis ins Kleinste aus – etwa aktuell die völlig sinnfreie Diskussion um die Zukunft des MDV, durch dessen Gebiet die Landesgrenze mitten durch geht. Tatsächlich strangulieren die kleinteiligen Strukturen die Handlungsfähigkeit der ganzen Region. Aber auch das wird gern zugeschwatzt mit dem ewigen Lamento über die Schulden der anderen.
Das ist gar nicht das wichtigste Thema auf der Agenda – und es ist vor allem kein Thema, das erst gelöst werden muss, bevor über eine Fusion nachgedacht wird. Sachsens Regierungschefs suggerieren ihrem Staatsvolk gern, es sei wunder wie reich und die Staatsregierung hätte besser gewirtschaftet als die in Erfurt oder Magdeburg. Hat sie aber nicht. Die Sachsen selbst haben dafür verzichtet – unter anderem auf dringend nötige Investitionen in ihre Städte (Krankenhäuser, Schulen, Straßen, ÖPNV …) . Möglich, dass Sachsen unter den dreien wirklich der “reichere” Heiratskandidat wäre – aber genau das könnte die gesamte Region voranbringen.
Ein Thema, das Lenk auch schon am 30. August ansprach. Das stand halt nur nicht in der Überschrift (“Große Einsparungen sind ein Trugschluss”), sondern ganz unten, wo er die Unfähigkeit der drei existierenden Landesregierungen ansprach, “über Landesgrenzen hinweg” zu arbeiten. Das können sie bis heute nicht. Aber zumindest aus Leipziger Sicht weiß man, wie die Landesgrenze den Wirtschaftsraum beeinträchtigt. Lenks Vorschlag vom August: “Wir sollten die Region Leipzig-Halle-Jena so stärken, dass sie die mitteldeutsche Kernregion wird.” Das wird man Dresden, Erfurt und Magdeburg bestimmt sehr ungern gelesen haben.
Viel geändert hat sich an seiner Sichtweise nicht: Funktionierende Regionen müssen von ihren Strukturen her gedacht werden, nicht von den Regierungszentralen.
Aus seinem Interview am 25. Oktober: “Eine Föderalismusreform, die eventuell auch Zusammenlegungen berücksichtigt, braucht eine gründliche Analyse – nicht nur der finanziellen Stärken und Schwächen, sondern beispielsweise auch der Infrastruktur, Heimatverbundenheit oder wirtschaftlichen Verflechtungen. Dabei müssen auch Ländergrenzen zur Disposition gestellt werden dürfen, da diese Grenzen oft willkürlich gezogen wurden. Bei einer Neugliederung sollte man am besten auf Kreisebene beginnen und dann eine Art Spinnennetz um die größten Metropolen ziehen.”
Das Volksbegehren Mitteldeutschland:
www.volksbegehren-mitteldeutschland.de
Den Beitrag von Thomas Lenk zum Länderfinanzausgleich findet man hier:
www.uni-leipzig.de/~iffwww/fiwi/Aktuelles/aktuelles.php#095
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