Werden sich nur die Bornaer veräppelt fühlen oder auch die Leipziger? Als die Bornaer am 29. März ihren Workshop zur "Charta Leipziger Neuseenland 2030" abhielten, stimmten sie am Ende mit überwältigender Mehrheit dafür, dass es im Neuseenland keine spritgetriebenen Motorboote geben soll - sondern nur elektrisch betriebene. Das beeindruckte selbst Dr. Gerhard Gey, Landrat des Landkreises Leipzig und Sprecher der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland.
Am Montag, 28. April, stellte die Steuerungsgruppe nun der Presse vor, wie sie sich das denkt mit den Motorbooten. Ein heiß diskutiertes Thema im Neuseenland seit dem Frühjahr 2012, seit das neue Sächsische Wassergesetz im Entwurf vorlag. Darin sollte die Schiffbarkeit für alle Tagebauseen im Leipziger Südraum erklärt werden – samt ihren Verbindungskanälen. Eine Petition, die der NuKla e.V. gegen Motorboote im Leipziger Auwald initiierte, wurde von über 11.000 Menschen unterzeichnet. Genug, um den Petitionsausschuss des Sächsischen Landtages auf die Beine zu bringen. Doch der wollte nicht. Der wollte sich nicht mal die Situation vor Ort anschauen und verwies die Petition an die Landesdirektion.
Mögliches Ergebnis: Im März stellte die Landesdirektion fest, dass es zumindest für den Floßgraben keine Schiffbarkeitserklärung geben wird.
Für die Seen im Südraum gibt es eine, auch wenn noch eins fehlt: die konkrete Ausgestaltung. Zumindest hatte die Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland den Mumm, die Behörden zu bitten, die Umsetzung der Schiffbarkeitserklärung zu vertagen bis der Diskussionsprozess um die “Charta 2030” beendet ist. Vielleicht sogar bis Frühjahr 2015, wünscht sich Gerhard Gey. Denn sowohl die Auftaktveranstaltung als auch die Workshops in Leipzig und Borna bestätigten, dass die teilnehmenden Bürger in der Schiffbarkeit und der Zulassung von Motorbooten ein Hauptproblem sehen für die Zukunft des Neuseenlandes.
Im Leipziger Workshop wurde es ebenso deutlich thematisiert, auch wenn man auf eine Abstimmung lieber verzichtete. So sieht das Ergebnis eher wie ein Kompromiss aus: Gegen die Zulassung privater Motorboote äußerten sich beim Leipziger Workshop sowohl Umweltverbände als auch Sportvereine. Eine Gruppe von Bürgern sprach sich für eine differenzierte Betrachtung aus. Die dicken Ausrufezeichen für “Motorboote zulassen” ließ die Teilnehmergruppe aus der Wirtschaft setzen. Womit wir bei jenen sind, die seit Jahren Lobbyarbeit machen für die unbeschränkte Motorbootnutzung im Neuseenland. Sie sitzen immer mit am Tisch, auch wenn sie gar nicht dabei sind. Nicht nur die Stadt Leipzig denkt sie immer mit. Fürsorglich, wie sie ist.Und so sieht jetzt auch der Vorschlag der AG Gewässerverbund aus, über den am 15. Mai der Regionale Planungsverband Westsachsen in seiner Verbandsversammlung abstimmen soll. Das ist das Gremium, das im Neuseenland als einziges demokratisch legitimiert ist, solche Beschlüsse zu fassen und auch Änderungsvorschläge zum Sächsischen Wassergesetz machen darf. Und Änderungswünsche darf der RPV machen. Denn auch wenn das Wassergesetz grundsätzlich die komplette Schiffbarkeit – auch für alle Motorboote – vorsieht, können die regionalen Akteure eine Einschränkung beantragen. “Zum Beispiel vorrangig für Elektroboote”, sagt Gey. “Wir könnten eine Vorzeigeregion für Elektromobilität werden.”
Wird es aber nicht. So mutig ist die AG Gewässerverbund nicht. Der Beschluss oder die Leitlinien, die der Regionale Planungsverband am 15. Mai beschließen soll, gehen nur von einem “Trend zur Elektromobilität” aus. Man wünscht sich im Grunde, dass aus dem Passus “Motorboote” für die Schiffbarkeit ein Passus “elektrisch betriebene Motorboote” wird. So dass die Grundbestückung der Seen dann nichtmotorbetriebene Boote (Ruder-, Paddel-, Segelboote), Fahrgastschiffe und – Elektroboote beinhaltet.
Gäbe es da nicht “die klar artikulierten Interessen, die auch anderes wünschen”, wie Angela Zabojnik, aus dem Leipziger Amt für Stadtgrün und Gewässer, äußert. Was also am 15. Mai beschlossen werden soll, ist ein Kompromiss. Oder ein Schweizer Käse mit großen Löchern drin. Denn als erstes hat man einen ganzen See ausgenommen: den Zwenkauer See. Der ist noch nicht ganz voll und wird erst 2015 im ersten Teil in Betrieb genommen.
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Und dann soll es, so Gey, weiterhin Ausnahmeregelungen geben für Schwimmfahrzeuge mit Spritmotor. Da können sich die Neuseenländer zwar Teiche ohne Spritmotorboote wünschen – es wird weiter Ausnahmen geben. Und zwar nicht nur für den Fuhrpark, der jetzt schon mit qualmenden Motoren aufs Wasser darf, sondern auch für Gästeboote, für Leute, die von anderswo anreisen, um ihr privates Motorboot zu Wasser zu lassen. 10 bis 15 Liegeplätze pro See sollen für diese Bootstouristen frei gehalten werden. Bei der Unteren Wasserbehörde können sie, so stellt man sich das vor, dann eine Zulassung für vier Wochen beantragen. Die auch verlängert werden kann. “Wir sind extra an den Chiemsee gefahren, um uns das dort anzugucken”, sagt Zabojnik. Dort macht man das so.
Heißt also irgendwie: Man möchte zwar Elektromotorboote – aber dann immernoch Spielraum für Boote mit Verbrennungsmotor. Bedingung ist natürlich die nötige EU-Norm bei Lärm und Abgasen. Man feile noch an den genauen Modalitäten, so Zabojnik.
Ein Signal aus dem Sächsischen Wirtschaftsministerium, dass man eine Einschränkung der unumschränkten Motorbootzulassung akzeptieren würde, gäbe es wohl schon. Es müsse nur klar begründet sein, warum es Einschränkungen geben soll. Immerhin haben sich doch interessierte Kreise so viel Mühe gegeben, die Schiffbarkeit erst mal ins Sächsische Wassergesetz zu bringen. Und die Diskussion mit den Bürgern ist ja auch noch nicht ganz zu Ende. Die Ergebnisse aus den Workshops zur Charta Neuseenland sollen jetzt noch mit einem Fragenkatalog an 3.000 ausgewählte Leipziger abgeklärt werden. Dazu noch Erhebungen mit jeweils 500 Einwohnern der beiden Landkreise. Wenn man die dann hat, soll die Charta fürs Neuseenland neu formuliert irgendwann Anfang 2015 veröffentlicht werden. Und danach, so Gerhard Gey, könne dann die Umsetzung der Schiffbarkeit im Neuseenland erfolgen.
Der Regionale Planungsverband: www.rpv-westsachsen.de
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