Am 5. März hat die Landesdirektion etwas getan, womit sich die anderen Mitglieder der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland bis heute schwertun: Sie hatte mehrere Akteure, Initiativen und Umweltverbände aus dem Neuseenland eingeladen, um mit ihnen die brennende Frage von Schiffbarkeit und Motorbooten im Neuseenland zu besprechen.
Als Landesbehörde ist die Landesdirektion dafür verantwortlich, die im Herbst von CDU und FDP im Landtag beschlossene Schiffbarkeit auf den Tagebauseen im Leipziger Südraum umzusetzen. Doch nicht nur das Thema Schiffbarkeit ist ein verzwicktes, denn zur Herstellung von Schiffbarkeit müsste ein Allgemeinwohl Grundlage sein, das eine solche Umwidmung rechtfertigt. Allgemeinwohl ist aber in der Regel auf Wasserstraßen ein Güter- und Personentransport im wirtschaftlichen Sinn (den es auf den Tagebaurestseen nicht gibt, genauso wenig wie Flößerei). Ein anderes Allgemeinwohl könnte Wassertourismus sein. Aber auch den gibt es auf den Gewässern in und um Leipzig nicht, auch wenn die Mitglieder der Steuerungsgruppe immer wieder davon reden und träumen und auch noch ein völlig unbegründetes Wassertouristisches Nutzungskonzept haben erarbeiten lassen. Logischerweise mit Angaben für die Größenordnung der dort begünstigten Motorsportboote. Denn Wassertourismus ist eben an Wasserfahrzeuge gebunden, mit denen man Gewässerlandschaften erreichen kann.
Das ist im Leipziger Neuseenland praktisch unmöglich. Es gibt keine Route, auf der man mit Motorbooten etwa von der Elbe oder der Saale ins Neuseenland käme. Die Weiße Elster ist dafür aus naturschutzrechtlichen Gründen gesperrt, der Elster-Saale-Kanal ist ein teurer und unbezahlbarer Traum, wenn man die vorgestellte Variante mit Schiffshebewerk betrachtet (160 Millionen Euro).
Zu diesen teuren Träumen gehören auch alle Pläne von (Stadt-)Häfen und Marinas – etwa der 3,9 Millionen Euro teure Bau eines Hafenbeckens am Elstermühlgraben oder der rund 40 Millionen Euro teurer kalkulierte Bau einer Marina im Lindenauer Hafenbecken.
Denn alle Gewässerverbindungen ins Neuseenland – auch der Kurs 1 – sind Motorbooten versperrt. Das wurde in der Runde am 5. März zumindest deutlich. Die Landesdirektion hat keine Handhabe, die Schiffbarkeit in Gewässern in europäischen Naturschutzgebieten herzustellen. Also wird es auch keine Schiffbarkeitserklärung für den Floßgraben und alle anderen Fließgewässer im Auenwald geben. Auch nicht für die Pleiße.
Damit sind für die drei wichtigsten Kurse aus dem “Wassertouristischen Nutzungskonzept” Durchfahrten mit privaten Motorbooten untersagt. Ausnahmen wird es – nach all den komplexen Abstimmungen der vergangenen Jahre – nur für den gewässerangepassten Bootstyp des Leipzig-Bootes geben. Aber auch das ist kein Wassertourismus, sondern ein lokales Freizeitangebot, genau so, wie es in der Leipziger Bürgerumfrage 2012 deutlich wurde, auch wenn sich das Umweltdezernat alle Mühe gegeben hatte, die Fragen so verschwiemelt wie möglich zu formulieren. Etwa bei der Frage nach der Nutzung von “motorgetriebenen Booten”. Fahrgastschiffe sind auch motorgetrieben – und von den Leipzigern durchaus akzeptiert. Aber es macht einen Unterschied, ob ein Dutzend Fahrgastschiffe eine Ausnahmegenehmigung bekommen oder eine unbegrenzte Zahl privater Sportmotorboote.
Aber auch die andere wichtige Frage hat man 2012 möglichst diffus formuliert. Da wurde nämlich gefragt, ob die Leipziger finden, die Gewässerentwicklung zöge auch “Touristen und Wassersportler von außerhalb an”. Denn Wassersportler sind eben keine Wassertouristen. Sie reisen in der Regel zu Lande mit ihrem Boot an. Und die Touristen, die ins Neuseenland kommen, reisen ebenfalls allesamt zu Lande an – mit Zug, Auto, Fahrrad. Nicht zu Wasser.
In Halle wird emsig darüber diskutiert, wie man die Saale wassertouristisch endlich attraktiv machen könnte – was mit der Direktanbindung an die Elbe eigentlich kein Problem sein sollte. Aber die Saale ist für Wassertouristen kaum attraktiv. Ein Reiseziel Leipzig über den Elster-Saale-Kanal soll sie erst attraktiv machen. Und Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) singt das Lied auch noch mit. Obwohl er weiß, dass für Wassertouristen am Lindenauer Hafen spätestens Schluss wäre. Denn auch der Karl-Heine-Kanal ist eigentlich für Motorboote viel zu schmal.
Aber darüber gab es am 5. März augenscheinlich auch einige Unklarheiten. Den anwesenden Vereinen, die sich ja nun seit Jahren mit dem Thema beschäftigen, erzählte der Referent der Landesdirektion, im Leipziger Gewässerknoten werde es keine Schiffbarkeitserklärungen geben. In der folgenden Pressemitteilung aber verkündete die Landesdirektion: “Bei den der Gruppe B zugeordneten Gewässern besteht in der Öffentlichkeit vielfach keine zutreffende Vorstellung, welche Gewässer sich tatsächlich in der grundsätzlichen Eignungsprüfung für die Schiffbarkeit befinden. Im Bereich der Stadt Leipzig sind dies Abschnitte des Elsterflutbettes, das Pleißeflutbett, der Karl-Heine-Kanal sowie Abschnitte der Stadtelster und des Elstermühlgrabens. (…) Es ist noch völlig offen, ob sich die in der Prüfung befindlichen Gewässer für eine allgemeine Schifffahrt eignen. Ob und wann ein erster Entwurf einer EdS möglich ist, ist noch von umfassenden Prüfungen und Ergebnissen der noch anstehenden Beteiligungen der zuständigen Umweltämter abhängig.”
Und die Landesdirektion schickte auch gleich noch die Karte jener innerstädtischen Gewässer mit, für die es eine “grundsätzliche Eignungsprüfung” geben soll. Herumeierei, nennen es einige Akteure aus dem Umweltverbänden und vermuten, dass damit versucht wird, die Akteure aus der Steuerungsgruppe Neuseenland zu beschwichtigen, die den “Neuseenländern” zwar ein sanftes und umweltverträgliches Neuseenland versprechen, aber gleichzeitig alles tun, um irgendwie Wassertourismus und Motorboote ins Neuseenland zu bekommen.
Dumm nur, dass mit der Nicht-Schiffbarkeit von Floßgraben und Pleiße die wichtigsten Kurse für einer Motorbootnutzung ausfallen. Der Floßgraben sowieso – und damit der gesamte Kurs 1 vom “Stadthafen” bis zum Zwenkauer See. Da der Südzipfel des Cospudener Sees aus Naturschutzgründen für Motorboote ebenfalls gesperrt bleiben soll, fällt im Grunde auch der künftige Harthkanal für die Durchfahrt von Motorbooten aus.
Über die Pleiße würden gleich zwei geplante Kurse für eine Motorbootnutzung ausfallen: Kurs 6 zum Hainer See, der noch gar nicht für eine Nutzung freigegeben ist, auf dem aber jetzt schon – ähnlich wie auf dem Elster-Saale-Kanal, wilde Motorbootrennen ausgetragen werden. Die Pleiße verläuft in einem ihrer romantischsten Teile mitten durch den Auenwald. Und dort soll künftig auch die sogenannte “Wasserschlange” abzweigen, die – im alten Bett der Mühlpleiße – die Pleiße mit dem Markkleeberger See verbindet. Da das aber auch nur über Pleiße und Auenwald möglich ist, wird es auch hier keine Schiffbarkeit geben. Das gesamt “Wassertouristische Nutzungskonzept” fällt damit in sich zusammen. Zumindest was die wilden Träume betrifft, das Gewässersystem mit Motorbooten befahren zu lassen.
Aber das würde schon im Leipziger Gewässerknoten (Stadtelster, Karl-Heine-Kanal, Elsterflutbett, Elstermühlgraben) zu heftigen Konflikten führen. Denn wer hier “Freie Fahrt” für Motorboote erklärt, sieht sich mit den Bedürfnissen der Leipziger Wassersportverbände konfrontiert, die hier trainieren. Und zwar nicht nur im Erwachsenen-, sondern auch im Kinder- und Jugendbereich.
Was bleibt noch? – Die Kurse 3 und 4 über die Weiße Elster zur Saale. Aber auch dort geht es durch geschützten Auenwald. Es ist allerhöchste Zeit, dass die irgendwie allen und niemandem verpflichtete Steuerungsgruppe Neuseenland sich von den alten und unbezahlbaren Träumen aus dem “Wassertouristischen Nutzungskonzept” verabschiedet. Es wird keinen Wassertourismus in dieser Region geben. Aber es gibt das immense Bedürfnis der “Neusenländer”, ihre Seen, Flüsse und Kanäle nutzen zu dürfen, ohne dabei mit Motorbootkapitänen um die Vorfahrt rangeln zu müssen.
Die Touristen werden auch künftig auf dem Landweg in die Region kommen. Und es zu schätzen wissen, dass es in dieser Wassersportecke nicht lärmt und dröhnt. Aber Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal sieht nicht wirklich, dass im Auenwald lauter Stoppschilder für den Massentourismus hängen.
Er “hält weiter an den Ausbauplänen fest, auch wenn Motorboote hier die absolute Ausnahme bleiben sollen”, zitierte ihn am 5. März der MDR. Rosenthal laut MDR: “Ziel muss es natürlich sein, dieses naturnahe Gewässer so naturbelassen wie möglich zu erhalten, auch die Nutzung zu reglementieren. Auf der anderen Seite wollen wir diese neu geschaffenene Gewässerlandschaft aber als ?Touristischen Gewässerverbund’ vermarkten können.”
Und so lange die zusammengewürfelten Akteure in der Steuerungsgruppe Neuseenland so denken, wird eine Seifenblase nach der anderen aufgeblasen. Die reale Gewässerlandschaft verschwindet hinter diesen Seifenblasen. Man macht Politik für Wassertouristen, die es nicht gibt und stößt lieber all die “Neuseenländer” vor den Kopf, die ihre Gewässerlandschaft längst intensiv nutzen und damit die eigentliche wirtschaftliche Grundlage schaffen.
Der “Touristische Gewässerverbund Leipziger Neuseenland”:
http://gewaesserverbund.info
Die Karte zum “Touristiscen Gewässerverbund”:
http://gewaesserverbund.info/download/Leitplan%202012.pdf
MDR Sachsen am 5. März mit der sehr untertänigen Frage: “Kommt der Ausbau des Leipziger Gewässernetzes voran?”
www.mdr.de/sachsen/leipzig/stadthafen-leipzig100_zc-20d3192e_zs-423b0bc6.html
Die Gewässer in Leipzig, die die Landesdirektion für schiffbar hält als PDF zum download.
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