Das lange Jahre gepflegte Nebeneinanderher im Leipziger Neuseenland ist möglicherweise auch ein Handicap der am Donnerstag, 6. Februar, gestarteten Bürgerbeteiligung zur Charta. Denn in mehreren Runden wurde dort über jede einzelne der acht Thesen diskutiert. Es fehlt eigentlich die eine Definition der übergeordneten Leitlinien, an die sich die Steuerungsgruppe künftig binden will.

Was passiert, wenn man zwar innerhalb der Thesen einen tragfähigen Kompromiss findet – sich aber dann die Thesen ins Gehege kommen? Etwa die wirtschaftliche Nutzung mit dem Naturschutz? Oder die Vielfalt der Freizeitangebote mit dem Bedürfnis nach Entspannung?

Positiv ist auf jeden Fall der Fleiß, mit dem die Moderatoren für ZAROF gesammelt haben. Riesengroße Blätter wurden mit den Fragen, Anregungen, Wünschen, Erwartungen der Veranstaltungsteilnehmer gefüllt. Da es drei Runden gab zu allen acht Thesen, sind das mindestens 24 DIN A 2-Blätter. “Die werden jetzt bei uns akribisch ausgewertet”, erklärt Katrin Rieger, Geschäftsführerin der ZAROF GmbH. “Alles wird erfasst, geordnet und in eine Vorlage gebracht, mit der wir dann in den Workshops weiterarbeiten können.”

Was dabei heraus kommt, kann sie selbst noch nicht sagen. Aber wenn der Donnerstagabend fruchtbringend war, sollten sich die wichtigsten Konflikte innerhalb der Charta und damit auch innerhalb des Neuseenlandes herauskristallisieren.Ein wenig versucht auch die Steuerungsgruppe selbst, die Stimmung zu ertasten. In einer Pressemitteilung benennt sie zumindest ein paar Punkte, die sie an diesem Mittwoch herausgehört hat: “Es wurde deutlich, dass die Vielfalt des Leipziger Neuseenlandes besondere Wertschätzung erfährt und mit den Ansprüchen an die unterschiedlichsten Nutzungsvisionen zu vereinbaren ist. Jedem See sein Gesicht geben, so lautet das Credo des Abends. So soll beispielsweise jeder Form der sportlichen Aktivität ausreichend Raum gegeben werden. Auch bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung erwarten die Bürger/innen unterschiedliche Wahlmöglichkeiten und ganzjährige naturnahe touristische Angebote.” Aber das beschreibt eher die Ist-Situation, die durchaus von vielen Nutzern des Neuseenlandes gewürdigt wird. Es ist ja attraktiv, weil es solche Angebote vorhält.

Aber es war eben nicht nur der “Tag Blau”, der gezeigt hat, dass die Steuerungsgruppe wichtige Konfliktfelder bislang ausgeblendet hat. Ein wenig greift sie das jetzt schon auf: “Die Bürger/innen wünschen sich freien Zugang zu den Seen und sprechen sich gegen eine Privatisierung von Uferlagen aus. Bezüglich der Erreichbarkeit der Seen nahmen die Diskutanten insbesondere die Rolle des öffentlichen Personennahverkehrs in den Blick.”

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Denn wenn das Neuseenland nicht wirklich klug und barrierefrei von einem gut vertakteten ÖPNV-Netz erschlossen wird, gibt es die Probleme, die jetzt Markkleeberg schon zu schaffen machen mit einem ausufernden Parkdruck. Am Rande tauchte auch dieser Wunsch auf: “In einem waren sich alle einig. In dieser Diskussion geht es um die Zukunft unserer Kinder und auch die sollten in die Entwicklung der Charta eingebunden werden.”

Stimmt natürlich nicht. An diesem Abend ging es noch gar nicht um die Herstellung von Einigkeit. Und wenn Erwachsene nicht in der Lage sind, eine Charta auch im Sinn der Kinder und Enkel zu entwickeln, wird es gar keine geben. Die Hoffnung, dass Kinder und Jugendliche die ganzen komplexen Zusammenhänge erfassen können, ist wohl sehr naiv.

Aber da die großen Blätter erst einmal ausgewertet werden, kann man jetzt erst einmal abwarten, was sich dabei wirklich herausschält. Der nächste Schritt sind die drei Workshops in den drei Teilen des Neuseenlandes – Landkreis Leipzig, Nordsachsen und Stadt Leipzig.

Der Leipziger Workshop findet am 22. März von 10 bis 15 Uhr in der Volkshochschule Leipzig statt. Wer mitmachen will, Anregungen und Änderungswünsche hat, findet den Kontakt auf der Charta-Website: www.charta-leipziger-neuseenland.de

Weitere Seiten, die über Entwicklungen im Neuseenland informieren:

www.leipzigerneuseenland.de

www.lmbv.de

www.gruenerring-leipzig.de

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