Fast elegant ging Dr. Gerhard Gey, Landrat des Landkreises Leipzig und Sprecher der Steuerungsgruppe Neuseenland, am Mittwoch, 15. Januar, auf das ein, was eine Leipziger Tageszeitung da zum Jahreswechsel an neuer Diskussion entfacht hat. In großen Lettern hatte sie gefragt: "Hausboote auf Leipzigs Gewässern? - Bürgermeinung ist gefragt". Das hatte dann wirklich nichts mit der "Charta Leipziger Neuseenland" zu tun.

Am Mittwoch, 15. Januar, teilte die Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland mit, was sie auf ihrer letzten Sitzung am 5. Dezember so alles besprochen hatte. Da war es – wie so oft – um die knappen §4-Mittel gegangen, die zumindest im aktuell gültigen Verwaltungsabkommen (2013 – 2017) nicht ausreichen, um alle wichtige Schlüsselvorhaben im Leipziger Neuseenland zu finanzieren. Der Harthkanal, der Cospudener und Zwenkauer See verbindet, wird bis 2018 entstehen, für die ebenso wichtige Wasserschlange, die die Pleiße mit dem Markkleeberger See verbinden soll, reicht das Geld nicht.

Und so bezifferte Prof. Andreas Berkner, Leiter der Planungsstelle des Regionalen Planungsverbandes Leipzig-Westsachsen, am Mittwoch erstmals die Summe, die im Leipziger Neuseenland noch zusätzlich zu den bis 2017 verfügbaren §4-Mitteln gebraucht wird, um die wichtigsten Projekte im Neuseenland zu verwirklichen: “30 Millionen Euro bis 2023”, sagte Berkner. “Damit nennen wir erstmals eine belastbare Zielgröße und nehmen auch dem Gerede den Wind aus den Segeln, die §4-Mittel seien ein Fass ohne Boden.”

Aktuell aber fehlen die Planungshorizonte über 2017 hinaus, betont auch Gerhard Gey. Was auch private Investoren abschrecke. “Die Investitionen aus §4-Mitteln sind nur der Humus für die Privatinvestitionen im Neuseenland”, sagt Berkner. Die würden folgen, wenn erst einmal die Strukturen, an die sie andocken können, sichtbar sind.

Schon jetzt hätte das Neuseenland einen bemerkenswerten Aufschwung genommen, betont Landrat Gey. Berkner hat sogar Zahlen. Der Cospudener See zieht mittlerweile mindestens so viele Besucher an wie der Freizeitpark Belantis: 500.000 Besucher, vielleicht sogar 1 Million.

Die nächste Seen-Freigabe steht 2014 auf dem Programm. “Die öffentliche Bekanntmachung der Allgemeinverfügung liegt derzeit aus”, sagt Gey. Am 27. April könnte dann der Störmthaler See samt Ferienresort Lagovida ganz offiziell seiner Nutzung übergeben werden. Möglicherweise samt Schiffbarkeitserklärung. Was zumindest einige Fragen aufwirft. Im ersten Schritt aber werden schon einmal Bojen bestellt, die dann den Schiffsverkehr auf dem See lenken sollen.

Parkplatz und Radwege werden aus §4-Mitteln gebaut.Eine weitere Eröffnung im Neuseenland wird es 2014 am Nordstrand des Schladitzer Sees im Leipziger Norden geben. Dort wurden 2 Millionen Euro an §4-Mitteln eingesetzt.

Aber das sind alles Puzzle-Teile für ein großes Ganzes, dem die Mitglieder der Steuerungsgruppe Neuseenland gern einen moralischen Rahmen geben wollen: die “Charta Leipziger Neuseenland”. Über die wird seit 2011 diskutiert. Aber um eine breite Akzeptanz bei der Bevölkerung in der Region zu bekommen, soll diese Charta 2014 in drei regionalen Workshops diskutiert und ausgefeilt werden. “Es geht dabei nicht um die Nutzung der Seen durch Boote oder Motorboote”, sagte Gerhard Gey deshalb am Mittwoch. “Es geht um ein Strategiekonzept, es geht um einen regionalen Konsens.”

Die seltsamen Hausboote, mit denen die LVZ ihren Artikel überschrieb, tauchen in der Einladung der Steuerungsgruppe für die Charta-Diskussion wieder auf. “Sollen Hausboote die Uferränder säumen oder soll ausschließlich unberührte Natur zu bewundern sein?”, heißt es da. Eine kleine Irreführung. Denn um beides geht es schon lange nicht mehr. Die Nutzungen der Seen und Fließgewässer sind längst stark ausdifferenziert. Und an den meisten Seen gibt es sowohl intensiv genutzte Ufer als auch Vorranggebiete für Naturschutz.

Was nicht ausschließt, dass es zu Nutzungskonflikten kommt. Und genau darum geht es in der Charta-Diskussion. Gerhard Gey: “Wir streben eine strategische Ausrichtung für alle Akteure und Vorhaben an, ähnlich der olympischen Charta.” Deswegen soll es – nach der Auftakt- und Informationsveranstaltung am 6. Februar drei Workshops (in Leipzig, Borna und Delitzsch) – geben, bei denen vor allen mit “engagierten Bürger/-innen und organisierten Interessenvertretern” diskutiert werden soll. Und zwar nicht über “Hausboote” im Allgemeinen, sondern konkrete Teilräume.

Für Gerhard Gey ein notwendiger Abstimmungsprozess: “Wir erwarten, dass Interessenkonflikte auf den Tisch gebracht und gemeinsam strategische Vereinbarungen getroffen werden”, sagt er. Das wird Mancher, der wirklich für ein Neuseenland des naturschonenden, umweltfreundlichen und sanften Tourismus ist, mit offenen Ohren hören.

Da die Plätze für die Workshops begrenzt sind, werden die Interessenten, die daran teilnehmen wollen, jetzt schon gebeten, sich anzumelden unter Tel. (0341) 217290.

Die “Charta Leipziger Neuseenland” soll dann als ein breiter Konsens aller aktiv Beteiligten als Konzept zur freiwilligen Selbstverpflichtung und gemeinsame Qualitätsvereinbarung im Winter 2014/2015 unterzeichnet werden”.

Das öffentliche Auftakt-Forum findet am 6. Februar von 17.30 bis 19.30 Uhr im Oberlichtsaal der Stadtbibliothek Leipzig statt.

Informationen zum Störmthaler See: www.grosspoesna.de/new/cms/front_content.php?idcat=111

Informationen zum Schladitzer See: www.leipzigerneuseenland.de/entspannung-in-familie/spass-am-wasser/straende/schladitzer-see

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar