Fast einen Monat Zeit ließ sich die Kommission zum Schutz gegen Fluglärm und Luftschadstoffe für den Flughafen Leipzig/Halle (kurz: Fluglärmkommission oder auch FLK), um das Protokoll ihrer jüngsten, der 45. Sitzung am 13. November zu veröffentlichen. Was in der Regel so lange dauert, damit alle Beteiligten noch einmal drüberschauen können. Als wenn da am 13. November wirklich mal was beschlossen worden wäre. Ist es aber nicht.

Im Gegenteil: Die meisten Themen wurden wieder vertagt. Diesmal ist es sogar ein ganzer Haufen. Man hat sich eine ganze Reihe von Gutachtern und Fachleuten angehört, die Ergebnisse zur Kenntnis genommen – und die möglichen Entscheidungen auf die 46. Sitzung im März vertagt. Und das selbst bei Streitfällen, bei denen man die betroffenen Gemeinden und Bürger auf vergangenen Sitzungen mit dem Versprechen getröstet hatte, dem freiwillig Abhilfe zu verschaffen.

Das betrifft zum Beispiel das vollmundige Versprechen der DHL, die uralten lauten russischen Maschinen vom Typ AN 26 und AN 12 aus dem Flugbetrieb zu nehmen. Die Antonov 12 wurde bis 1973 als reiner Militärtransporter gebaut. Die jüngsten Maschinen sind also satte 40 Jahre alt. Am 9. August 2013 brannte in Schkeuditz eine AN 12 der Ukraine Air Alliance aus und 49.000 Hühnerküken kamen in den Flammen um. Als Ursache wurde ein Brand der Hilfsturbine ausgemacht. Verständlich, dass die Gemeinde Schkopau ein Ende des Einsatzes dieser Maschinen fordert, ein Ende der AN 26 gleich mit, deren letztes Flugzeug 1986 vom Band rollte.

Doch welche Antwort hat die honorige Fluglärmkommission nun auf den Antrag der Gemeinde Schkopau zur Betriebsuntersagung für die Flugzeugtypen AN 26 und AN 12? – “Dieser Antrag wurde auf die nächste Sitzung vertagt. Die Mitglieder wollen zuvor die rechtlichen und die zweckmäßigen tatsächlichen Möglichkeiten prüfen.”

Hätte die Bonusliste des Bundesministeriums für Verkehr für den Flughafen Leipzig/Halle Gültigkeit, dann würden die alten Antonov-Maschinen gar nicht mehr einfliegen dürfen. Sie stehen schon lange nicht mehr drauf.

Aber das ist ja nicht der einzige Punkt, in dem sich die entschlusszögerliche Truppe den Wünschen der Flugflottenbetreiber beugt und lieber gar nichts entscheidet und die Themen von Sitzung zu Sitzung verschiebt. Und da die Sitzungen immer nur alle halbe Jahre stattfinden, geistern fast alle Themen nun seit Jahren unerledigt durch die Runde.

So auch der Antrag der Stadt Halle auf Lärmoptimierung der Abflüge nach Norden bei Betriebsrichtung West. Dazu wurden am 13. November die Ergebnisse der Betroffenheitsuntersuchungen vorgestellt. Und siehe da, es “zeigte sich, dass die östlichen Gebiete der Stadt Halle durch die Modifizierungen der Abflugstrecken von Fluglärm entlastet, andere Kommunen jedoch stärker belastet werden. Deshalb sahen die betroffenen Kommunen weiteren Abstimmungsbedarf vor einer endgültigen Variantenentscheidung. Sie werden sich im Januar 2014 zu einer weiteren Abstimmungsrunde treffen.”

Immerhin. Das ist für FLK-Verhältnisse so etwas wie ein Kurzstreckensprint.

Bleibt da noch der Leipziger Antrag zur ausgewogenen Benutzung der beiden Startbahnen. Immerhin stellte auch die Fluglärmkommission fest: “Die Auswertung der Bahnnutzung in den 6 verkehrsreichsten Monaten des Jahres (Mai bis Oktober) zeigte erneut, dass die Nordbahn am Tage stärker genutzt wurde als die Südbahn. Nachts kehrte sich das Verhältnis um.” So im Protokoll zu lesen. Zahlen ließ man lieber weg. Denn nachts kehrt es sich eben nicht nur um, nachts fliegen 90 Prozent aller Flieger von der stadtnahen Südbahn.

Und was entschied die Fluglärmkommission, nachdem das Thema nun seit 2007 auf dem Tisch liegt? – Vertagen natürlich. Was denn sonst? Oder im Protokoll so formuliert: “Zum Bahnnutzungskonzept ‘geographische Verteilung’ stellte der lärmphysikalische Gutachter das nach ausführlicher Materialsichtung abgeleitete Datenmodell und erste Berechnungsergebnisse vor. Auf dieser Basis werden nunmehr die notwendigen Betroffenheitsuntersuchungen fortgesetzt. Parallel dazu führt die DFS die in der letzten Sitzung erbetene Bewertung der damit verbundenen erhöhten Anzahl von Bahnkreuzungen durch. Diese Resultate bilden die Grundlagen für die Empfehlung der Fluglärmkommission.”

Das klingt ganz so, als hätte sich 2007 niemand in der illustren Runde darüber Gedanken gemacht, was die Ansiedlung von DHL an der Südbahn für Folgen hat. Sechs Jahre nach Aufnahme des Frachtflugbetriebes erarbeitet man jetzt ein Datenmodell und erste Berechnungsergebnisse, um dem dann irgendwann Betroffenheitsuntersuchungen folgen zu lassen. Was hat man denn da 2006/2007 berechnet? Oder hat man damals einfach frei Nase drauflosgeplant und gebaut und den Anrainern völlig aus der Luft gegriffene Versprechungen gemacht? – Ganz so sieht es jetzt aus.Es gibt noch einen mittlerweile angejährten Leipziger Antrag: “Zum Antrag der Stadt Leipzig nahm die Fluglärmkommission Sachstandsberichte zur Kenntnis. Die DFS berichtete über erste Erfahrungen mit dem am Flughafen Frankfurt erprobten steileren Anflugverfahren. Des Weiteren erläuterte sie die Verzögerung bei der Umsetzung der von der Fluglärmkommission schon im Sommer 2012 für Leipzig/Halle empfohlenen CDA-Verfahren. Die DFS stellt nun das Inkrafttreten im November 2014 in Aussicht, nachdem sie die CDA-Verfahren für die Flughäfen Hamburg, Nürnberg und Braunschweig abgearbeitet hat. Die Anwendung lärmarmer technischer Hilfsmittel für Rollvorgänge befindet sich noch in der Pilotphase. Erforderliche Zertifizierungen stehen noch aus.”

Auch das nennt man eine offizielle Verschiebung. Nur ja nichts entscheiden. CDA heißt ausgeschrieben übrigens Continuous Descent Approach und bedeutet einen kontinuierlichen Sinkflug beim Anflug auf den Flughafen – dabei werden die Motoren gedrosselt, der Treibstoffverbrauch sinkt und – was sich die Leipziger wünschen – der Lärmpegel sinkt auch. Man kann die Entscheidung der Kommission auch als neuerliche Veräppelung der Antragsteller bezeichnen. Am Flughafen Hahn wird seit 2009 im CDA-Verfahren gelandet. Dass man vier Jahre später in Leipzig/Halle nicht dazu in der Lage ist, das Verfahren einzuführen, spricht Bände.

Und wenn man über Lärm redet, dann sind natürlich auch die Entgelte für Start und Landung ein Thema. Flughäfen wie Frankfurt/Main haben die Startentgelte schon längst nach der Lärmklasse der Flieger sortiert. Laute Flugzeuge zahlen deutlich mehr als leise. Eigentlich auch schon alles Usus. Aber die Wir-möchten-nichts-entscheiden-Truppe formulierte dazu lieber so eine Art Bitte um Prüfung: “Zum Thema Flughafenentgelte trug der Flughafen vor. Die Kommission regte an, dass die lärmabhängigen Entgelte ein stärkeres Gewicht erhalten. Der Flughafen will dies in der Zukunft berücksichtigen und prüft mögliche Handlungsoptionen.”

Wetten, dass diese Prüfung auch zur übernächsten Sitzung der FLK noch nicht zu Entscheidungen führt?

Ein kleines Zugeständnis gab es beinahe für die Gemeinde Schkopau: “Die von der Gemeinde Schkopau beantragte Verschiebung der kurzen westlichen Südabkurvung um 1.600 m nach Westen ist nach Aussage der DFS möglich. Bis zur nächsten Sitzung wird sie entsprechende Grundlagen erarbeiten und der Kommission vorstellen.”

Was aber auch nur heißt: Frühestens in einem Jahr will die FLK dazu entscheiden.

Man findet auch wieder jede Menge Zahlen zu Flugbewegungen, Lärmmessungen und Lärmbeschwerden im Protokoll. Aber die reine Auflistung erzählt nun einmal nicht, was wirklich dahinter steckt. “Von März bis Oktober 2013 gingen beim Flughafen 19.490 über den DFLD generierte digitale Beschwerden von 102 Beschwerdeführern ein. 99 schriftliche Beschwerden von 49 Beschwerdeführern waren zu bearbeiten.”

Und? – Worüber haben sie sich beschwert? Was war die Hauptbeschwerdequelle? Und wo wurde welche Abhilfe geschaffen?

Die letzte Frage erübrigt sich natürlich, wenn man sich die Protokolle der Fluglärmkommission so anschaut.

Denn auch das einzige, bei dem in den letzten Jahren wirklich Abhilfe geschaffen wurde, wurde von den Flughafeneignern (zu denen auch Leipzig gehört) noch einmal teuer bezahlt – die Halle für die Triebwerksprobeläufe nämlich. “Schließlich informierte der Flughafen über die diesjährige Nutzung der Triebwerksprobelaufhalle”, heißt es im Protokoll. “Bisher fanden von 334 Probeläufen 240 in der Halle und 94 außerhalb statt. Es wurde kein nächtlicher Probelauf außerhalb der Halle durchgeführt. Zudem informierte der Flughafen darüber, dass er seine Betriebsgenehmigung hinsichtlich der Triebwerksprobeläufe ändern möchte. Die Fluglärmkommission wird zu gegebener Zeit in dem förmlichen Verfahren angehört.”

Das Protokoll der 45. Sitzung der Fluglärmkommission als PDF zum Downlad.

CDA-Verfahren am Flughafen Hahn: www.fluglaerm.de/hahn/oeffent/zeitungsartikel_2009/sz050209.html

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