"Autobahnschild kündet bald von der Stadt der Türme", meldete am Mittwoch, 13. November, die Stadt Delitzsch. "Stadt der Türme"? - Nie gehört. Bei Delitzsch denkt man ja eher an Schokolade und das schöne Barockschloss. Das ist auch mit drauf, teilt nach kurzer Nachfrage Nadine Fuchs aus dem Referat für Öffentlichkeitsarbeit der Großen Kreisstadt Delitzsch mit. Es ist der zweite von links.
Das Bild, das Delitzsch mit der Pressemitteilung schickte, ist erst einmal der Entwurf. Abgesegnet von den beiden für Autobahnschilder in Sachsen zuständigen Ministerien, bestätigt Oberbürgermeister Dr. Manfred Wilde. Zuständig sind das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und das Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Aber was hat Letzteres mit Autobahnschildern zu tun?
Just für diese touristische Unterrichtungstafel an der Autobahn 14 kämpfte die Stadt Delitzsch seit Jahren. “Nun wird es wahr, denn am vergangenen Freitag kündigte das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit in einer Pressemitteilung schriftlich an, dass der Gestaltungsvorschlag, den die Stadt Delitzsch unterbreitete, Akzeptanz findet”, teilte die Stadt Delitzsch mit. “Wenn es bis Dezember frostfrei bleibt, könnte das Autobahnschild also noch 2013 Aufstellung finden und zwar zwischen den Anschlussstellen Schkeuditzer Kreuz und Schkeuditz sowie in Fahrtrichtung Magdeburg zwischen den Anschlussstellen Leipzig-Nord und Schkeuditz.
“Wir sind froh, dass nach vielen Jahren die Realisierung dieses Autobahnschildes gelungen ist und erhoffen uns weiteren touristischen Zuspruch für die Stadt Delitzsch”, so der Delitzscher Oberbürgermeister Dr. Manfred Wilde. Es ist nicht das erste Autobahnschild, das für Delitzsch wirbt: An der Autobahn 9 wirbt bereits seit 2008 eine touristische Unterrichtungstafel erfolgreich für das Barockschloss Delitzsch. Seinerzeit liefen Anmeldung und Genehmigung zuständigkeitshalber über das Land Sachsen-Anhalt.
“Wir hätten auch diesmal gern das Barockschloss gehabt”, erzählt Manfred Wilde. Aber das scheiterte an den sächsischen Vorgaben: Touristische Reiseziele kommen nur aufs Autobahnschild, wenn sie wenigstens 25.000 Besucher im Jahr haben. Ganz so weit ist die alte Wettinerburg, die Herzog Christian I. von Sachsen-Merseburg 1689 und 1696 zum barocken Witwensitz umbauen ließ, noch nicht. 11.000 Besucher zählt das Schloss im Jahr, Tendenz steigend. “Wir merken in den letzten Jahren einen deutlich steigenden Touristenzuspruch”, sagt Wilde. Besonders im Aufwärtstrend ist der Radtourismus. Viele auch kulturell besonders interessierte Besucher kommen über den Elberadweg nach Delitzsch. 75.000 Besucher zählt Delitzsch mit seiner schönen Altstadt. Und für 2014 rechnet der OBM sowieso mit steigenden Besucherzahlen. Denn am 15. Dezember geht ja das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz in Betrieb und Delitzsch liegt direkt an der S 2. Da ist man dann ebenso schnell mal in Leipzig wie in Delitzsch.
Und Delitzsch ist ein Kleinod, weiß nicht nur der OBM. Auch Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok schwärmte am vergangenen Freitag, als er Delitzsch die Zusage für das zweite Autobahnschild gab: “Delitzsch ist ein echtes Kleinod mittelalterlicher Städtebaukunst in Sachsen. Mit den neuen Hinweistafeln an der Autobahn wollen wir dafür sorgen, dass sich Touristen für einen Abstecher in die Stadt der Türme entscheiden.”
Womit wir wieder bei der “Stadt der Türme” wären. Trägt Delitzsch denn jetzt offiziell diesen Titel? “Das ist kein offizieller Titel”, sagt Wilde. Aber da das Signal aus dem Kunstministerium deutlich war, 11.000 Besucher seien zu wenig für eine touristische Landmarke, habe man sich eben Gedanken gemacht, wie man das ganze Delitzsch in eine gute Bildmarke packen könne, so Wilde. Die Türme lagen nahe. Denn schon seit 2011 feiert Delitzsch jedes Jahr die “Nacht der Türme”. Dazu wird auch eine Türmertochter gewählt. “Wir haben sechs Türme, die das alte Stadtbild prägen”, erzählt Wilde. “Zwei Türme aus dem 14. Jahrhundert gehören fest zur alten Wehranlage. Und auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal für Delitzsch: Wir sind weit und breit die einzige Stadt in der Region, die noch eine gut erhaltene, 1,4 Kilometer lange Wehranlage hat. Dazu der noch existierende Wassergraben. Auch da kenne ich keine Stadt im Umkreis, die noch so etwas zu bieten hat.”
Breiter Turm und Hallescher Turm heißen die beiden Recken aus dem Jahr 1396. Mitten in der Stadt ragen dann die Zwillingstürme der Stadtkirche St. Peter und Paul in die Höhe. Unübersehbar ist auch der Turm des Barockschlosses. Der Wasserturm von 1903 ist auch längst eine Delitzscher Sehenswürdigkeit. Und selbst einen winzig kleinen Turm hat Delitzsch – den Mäuseturm von 1890 im Stadtpark. Macht sechs. Aber die sind nicht alle drauf auf dem Autobahnschild, sondern nur vier.In der Reihenfolge von links nach rechts: Hallescher Turm, Schlossturm, der Doppel-Turm der Stadtkirche St. Peter und Paul und der Breite Turm.
Und in dieser Konstellation werben die Türme jetzt für das mittelalterliche Delitzsch. In der Formulierung des Wirtschaftsministeriums: “Die über 800 Jahre alte Große Kreisstadt Delitzsch ist die größte Stadt im Landkreis Nordsachsen. Vom Wohlstand im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit zeugt vor allem die gut erhaltene Altstadt, die mit ihren Plätzen, denkmalgeschützten Bürger- und Patrizierhäusern, dem Barockschloss und der Stadtbefestigung zu den am besten erhaltenen Sachsens gehört. Umgeben von einer Befestigungsmauer und einem Wassergraben wird die Stadtansicht durch fünf Türme geprägt, wobei der fast 50 Meter hohe Schlossturm das höchste Gebäude der Stadt ist. In der ‘Stadt der Türme’ begegnen sich zwischen vielen kopfsteingepflasterten Straßen und Gassen eine Vielzahl historischer Bauwerke aus der Renaissance, des Barock und der Gotik.”
Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr hat am Freitag, 8. November, die verkehrsrechtliche Anordnung zur Aufstellung der touristischen Unterrichtungstafeln erteilt. Der nächste Schritt, so Dr. Manfred Wilde, ist die Ausschreibung. “Und wenn jetzt alles zügig verläuft, können wir das Schild noch vor Weihnachten aufstellen.” Dann kommen zusätzlich zu den Gästen, die mit Rad und S-Bahn anreisen, auch die Autofahrer, die beim Vorüberfahren für sich das Rätsel lösen wollen: Was hat es nur mit den Türmen auf sich?
Delitzsch und die letzte Nacht der Türme: www.delitzsch.de/dz.site,postext,aktuelles,artikel_id,4231.html
Keine Kommentare bisher