Wie lastet man einen Flughafen aus, für den die Prognose-Zahlen schon in den Planungen nicht stimmten und den man irgendwie endlich in die schwarzen Zahlen bekommen will? Das Leipziger Rezept: Man setzt auf Frachtflug, lässt die Preise im Keller und wirbt um alles, was auf dem Markt nur Flügel hat. Seit einem Jahr wird auch über eine Ansiedlung des US-amerikanischen Unternehmens FedEx spekuliert.

Wie lastet man einen Flughafen aus, für den die Prognose-Zahlen schon in den Planungen nicht stimmten und den man irgendwie endlich in die schwarzen Zahlen bekommen will? Das Leipziger Rezept: Man setzt auf Frachtflug, lässt die Preise im Keller und wirbt um alles, was auf dem Markt nur Flügel hat. Seit einem Jahr wird auch über eine Ansiedlung des US-amerikanischen Unternehmens FedEx spekuliert.

“Halle Spektrum” berichtete über diese Träume der Leipziger Logistik-Politiker im Oktober 2012, “Bild Leipzig” griff das Thema im Mai 2013 auf. Natürlich kommen solche Unternehmen nicht von allein. Immer wieder sind Delegationen aus Mitteldeutschland unterwegs, um weltweit für neue Ansiedlungen auf dem defizitären Flughafen Leipzig/Halle zu werben. Aber nicht nur Nachtflugerlaubnis und billige Startgebühren locken: In Schkeuditz dürfen ja auch uralte Maschinen fliegen, die auf vielen Flughäfen der Welt schon keine Landeerlaubnis mehr bekommen.

Dass die Wirtschaftsregion Leipzig jetzt wieder intensiv um eine Ansiedlung von FedEx in Leipzig zu buhlen scheint, ruft logischerweise die Betroffenen aus dem Leipziger Nordwesten auf den Plan. Am Mittwoch zur Leipziger Stadtratssitzung wollen sie für ihr Recht auf Nachtruhe demonstrieren.

“Ginge es nach den Wünschen der ‘Wirtschaftsförderer’, unter ihnen der Leipziger Amtsleiter Schimansky, sollte im September der Deal in Sack und Tüten sein. BILD verspricht den Leipzigern ‘hunderte neue Jobs'”, erklärt dazu Michael Teske, Vorsitzender der IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e.V. “Tatsächlich aber sind Dienstleistungsfirmen aus den USA gerade nicht für auskömmliche Entlohnung und ein gutes Arbeitsklima bekannt – Amazon lässt grüßen. Aber warum ist Leipzig/Halle so interessant für FedEx? Wegen der unbegrenzten Nachtflugerlaubnis auch für ihre überalterten, super-lauten Frachttransporter der Typen MD-10 und MD-11. FedEx besitzt 128 Maschinen davon und ist damit deren weltgrößter Betreiber.”

Aber auch FedEx würde dem Flughafen Leipzig/Halle nicht aus den tiefroten Zahlen helfen, benennt er jenen Faktor, der die Kommunen der Region und die beiden Inhaber-Länder auch sechs Jahre nach Eröffnung der Startbahn Süd jedes Jahr zum Zahlen verdonnert. Der Flughafen erwirtschaftet seine Investitionen nicht aus dem eigenen Geschäft, denkt aber nicht daran, dem Beispiel anderer Flughäfen zu folgen und die Startgebühren anzuheben. Für die Flugunternehmen ist das eine Einladung nach Leipzig – für die Mitteldeutsche Flughafen AG aber hochriskante Geschäftsstrategie. Wenn die Nachtflugerlaubnis fällt, hat der Flughafen Leipzig/Halle erst ein richtig schweres Problem.Teske: “Denn wenn der Flughafen, wie andere Flughäfen auch, wenigstens kostendeckende Start- und Landegebühren erheben würde, hätte er im Konkurrenzkampf keine Chance. Weil die mit zirka 1 Milliarde Euro öffentlichen Geldern errichteten Anlagen völlig überdimensioniert sind, erwirtschaftet der Flughafen alljährlich einen Verlust in Höhe von 40 bis 60 Millionen Euro – mit zunehmender Tendenz! Jedes private Unternehmen wäre schon längst Konkurs gegangen. Aber der Flughafen überlebt, weil willfährige Politiker von CDU, FDP und SPD immer wieder neue Zuschüsse gewähren! Die Begründung: Die (krank machenden, mit Hungerlöhnen vergüteten) Jobs müssen erhalten bleiben! Dafür plant man schon mal die Schließung von Wissenschaftsstandorten wie die Uniklinik Halle, um anderswo das hier herausgeworfene Geld zu sparen. Die Ärzte und Krankenpfleger haben ja gute Chancen auf einen Job bei DHL!”

Auch durch den Brand einer mit Küken beladenen AN 12 am 9. August fühlt sich die Interessengemeinschaft aufs Neue alarmiert. “Denn was passiert wäre, wenn die 44 Jahre alte AN-12 nicht am Boden, sondern in der Luft in Flammen aufgegangen wäre, will man sich lieber nicht vorstellen”, sagt Teske. “Die ukrainischen ‘Seelenverkäufer’ haben seit 2007 zehn größere Unglücke verursacht. Deshalb wurden sie in Russland bereits 2011 aus dem Verkehr gezogen. Nur das deutsche Luftfahrtbundesamt sieht keine Veranlassung dafür, die Maschinen endlich auch in Deutschland zu verbieten – die Papiere seien ja in Ordnung. Besonders schlimm: Nur neun Tage nach der Havarie landete wieder eine AN-12 in Leipzig – ohne wenigstens die Feststellung der Unglücksursache abzuwarten!”

Und die “Seelenverkäufer” fliegen eben nicht nur tagsüber, sondern bevorzugt in der Nacht. Und da die Logistiker sich alle an der Südbahn angesiedelt haben, werden 90 Prozent aller nächtlichen Starts und Landungen auch auf der stadtnahen Südbahn abgewickelt. Mit den hohen Belastungen vor allem im Leipziger Nordwesten und im Süden der Nachbarstadt Halle.

“Dass Fluglärm krank macht, wissen Viele aus eigener schlimmer Erfahrung. Seriöse Wissenschaftler, die das durch statistische Untersuchungen untermauerten, wurden bisher von der Luftfahrtlobby diffamiert”, kritisierte Michael Teske. “Eine neue Studie der Uniklinik Mainz hat jetzt erstmals gezeigt, welche körperlichen Mechanismen durch Fluglärm ausgelöst werden. Schon nach kurzer Einwirkung von Nachtfluglärm wird verstärkt das Stresshormon Adrenalin ausgeschüttet. Die Erweiterungsfähigkeit der Arterien nimmt ab, was den Blutdruck erhöht. Bei vielen Personen wird, ähnlich wie bei Rauchern, die Gefäßinnenwand geschädigt. Damit ist der Wirkmechanismus aufgeklärt und der Beweis erbracht, dass Fluglärm wirklich krank macht.”

Er sieht den Nachtflughafen aber auf einem Weg in die Sackgasse. Anders als von den Flughafenbetreibern und den Regierenden in Berlin geplant, würden Nachtflugverbote immer mehr zur Regel an europäischen Flughäfen werden. Und er kündigt auf Grundlage der neuen Gesundheitsstudie den Weg vor Gericht an: “Die IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle wird diese neue Studie in das vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anhängige Klageverfahren einbringen.”

Vorher aber wird demonstriert: Am Mittwoch, 18. September, wollen die Nachtfluggegner die Leipziger Stadträte dazu aufrufen, gegen die drohende Ansiedlung des US-Expressdienstleisters FedEx am Flughafen Leipzig/Halle Stellung zu beziehen und damit noch schlimmeren Fluglärm zu verhindern. Dazu wollen sie ihr großes Transparent “Nachtflugverbot jetzt!” vor Beginn der Stadtratssitzung vor dem Leipziger Neuen Rathaus aufstellen. Zusätzlich erhalten die Stadträte das taufrische Infoblatt Nr. 14 der IG Nachtflugverbot ausgehändigt. Michael Teske: “Natürlich wollen wir mit dieser Aktion so kurz vor der Bundestagswahl die Menschen auch auf das Fluglärm-Problem aufmerksam machen und daran erinnern, welche Parteien für diesen Fluglärm verantwortlich sind!”

IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e.V.: www.nachtflugverbot-leipzig.de

“Halle Spektrum” zu den FedEx-Plänen am Flughagfen Leipzig/Halle: www.hallespektrum.de/nachrichten/wirtschaft/kommen-ups-und-fedex-zum-flughafen-leipzig-halle/16450/

“Bild Leipzig” im Mai 2013 zum Thema FedEx: www.bild.de/regional/leipzig/flughafen-leipzig-halle/holt-der-airport-den-naechsten-fracht-riesen-30436818.bild.html

Der Fluglärmreport der Bürgerinitiative “Gegen die neue Flugroute” vom August als PDF zum download.

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