Bürger aus sechs Staaten Europas verabschiedeten bei der Ersten Internationalen Flughafen-Anwohnerkonferenz vom 21. bis 23. Juni in Attaching bei München einmütig das Attachinger Manifest. Unter der Überschrift "Everybody has the Right to Sleep at Night" - zu deutsch: Jedermann hat das Recht, nachts zu schlafen - werden sechs gemeinsame Forderungen aufgestellt, darunter ein achtstündiges Nachtflugverbot und ein Stopp des Kapazitätsausbaus im Luftverkehr.

Dabei wählt Michael Teske, Vorstand der IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle, mittlerweile recht drastische Worte für das, was die Anwohner des Flughafens Leipzig/Halle seit Inbetriebnahme der Start- und Landebahn Süd im Jahr 2007 Nacht für Nacht erleben und aus den unschlüssigen Sitzungen der Fluglärmkommission zu hören bekommen. Beschluss um Beschluss wird vertagt, weil die Kommission nicht entscheidungsfähig ist. Die staatlichen Eigner haben sich von Anfang an auf die Seite der Flughafennutzer geschlagen.

Und die haben ihre Argumentation seitdem nicht um ein Komma geändert. Kooperation sieht anders aus. Teske: “Manch ein Vertreter der Betonkopf-Fraktion der unbegrenzten Wachstumsversprecher mag sich verwundert die Augen gerieben haben. Denn einerseits machte die Konferenz mit etwa 250 Beteiligten deutlich, dass die Strategie ‘Teile und Herrsche’, mit der es die Luftfahrt-Lobby früher geschafft hatte, die auf verschiedene Weise Betroffenen gegeneinander auszuspielen, nicht
aufgegangen ist. Andererseits wird ein Mantra der kapitalistischen Profitwirtschaft, der Glaube an unbegrenztes Wachstum, in Frage gestellt.”

Und er fragt sich selbst: “Sind wir, die ein Leben ohne Nachtfluglärm fordern, deshalb nur Spinner und Phantasten?”

“Die Antwort kennt jeder, der die Konferenz verfolgt hat”, stellt er fest. “Denn dort wurde deutlich, dass die unrealistischen Wachstumsprognosen der Luftfahrtindustrie, unter deren Druck hunderte Millionen Investitionen aus öffentlichen Geldern erzwungen worden sind, wie Seifenblasen zerplatzt sind. Träumte man noch 2006 von einem ewigen Wachstum des Luftverkehrs um fünf Prozent pro Jahr, stellen wir tatsächlich seit zwei Jahren eine Stagnation oder sogar einen leichten Rückgang fest. Es besteht also keine wirtschaftliche Rechtfertigung für einen weiteren Flughafenausbau. Gleichzeitig gibt es immer mehr Gesundheitsstudien, die nunmehr auch statistisch signifikant beweisen, dass Fluglärm wirklich krank macht. Kein ernst zu nehmender Wissenschaftler bestreitet das heute noch.”

Da und dort dringt das dann auch in politische Kreise vor und sie entscheiden nicht mehr ohne weiteres Überlegen für neue Startbahnen und unbeschränkten Nachtbetrieb. Teske verweist auf die verhinderte dritte Start- und Landebahn an den Flughäfen London-Heathrow und München. “Im französischen Nantes war der seit Jahrzehnten andauernde Kampf gegen einen neuen, viel zu großen Flughafen bisher erfolgreich. In Berlin und Frankfurt wurde immerhin ein (wenn auch noch zu kurzes) Nachtflugverbot erkämpft”, zählt er auf. “Ebenfalls in Berlin wurden wenigstens relativ gute passive Schallschutzmaßnahmen gerichtlich erzwungen. Dass nun ein Vertreter der oben benannten Fraktion wie Herr Mehdorn dagegen und somit gegen die Bürger zu Felde zieht, überrascht nicht.”Nur am Flughafen Leipzig/Halle herrscht das alte Denken. “Der auch hier völlig überdimensionierte Flughafen besteht, entgegen aller Vernunft, auf seiner unbegrenzten Nachtflugerlaubnis und tischt Politikern und Bürgern zur Begründung Erfolgsgeschichten auf”, stellt Teske fest. “Die Realität allerdings liest sich so: Die Träume von 7 Millionen Passagieren pro Jahr sind auf ein klägliches Häufchen von 2,3 Millionen eingedampft – mit weiter sinkender Tendenz. Selbst die bisher beachtlichen jährlichen Wachstumsraten der Frachttonnage in zweistelliger Höhe gegen den europaweiten Trend sind seit Februar 2013 auf Zahlen um die drei Prozent pro Jahr gesunken. Der Flughafen Leipzig/Halle macht 45 bis 50 Millionen Euro pro Jahr Verluste und hat keine Chance, die aus öffentlichen Kassen geflossenen Investitionen in Milliardenhöhe je zurückzuzahlen. Jede neue Investition verschlechtert die Bilanz zusätzlich.”

Denn wenn schon global das Wachstum in der Branche fehlt, kann auch der Flughafen Leipzig/Halle nur durch Verlagerung von anderen Standorten zusätzlichen Luftverkehr nach Leipzig ziehen. Was in Leipzig die Zahlen steigen ließ, waren solche Abzüge aus Brüssel, Köln/Bonn und in jüngster Zeit auch aus Frankfurt/Main: Leipzig konnte mit unbeschränkter Frachtflugerlaubnis locken und mit niedrigen Start- und Landegebühren.

Teske zu dieser Verlagerung: “Dies gelingt aber nur durch Dumpingpreise, wodurch die wirtschaftliche Bilanz noch katastrophaler wird. – Wir fordern deshalb auch von den Eigentümern des Flughafens Leipzig/Halle, vor allem vom Freistaat Sachsen, wirtschaftliche Vernunft ein. Wir fordern von den Politikern aller Parteien, keine weitere Verschwendung von Steuergeldern zuzulassen. Denn diese werden an vielen Stellen dringend gebraucht. In Sachsen fehlen Lehrer, in Sachsen-Anhalt konnten Studenten mit ihren Protesten diesmal noch eine Spar-Orgie an den Universitäten abwenden. In den Krankenhäusern und Heimen gibt es akuten Pflegenotstand. Und die Hochwasserschäden müssen dringend repariert werden.”

Die IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e.V. hat ihre Forderungen an die Politik in Mitteldeutschland in folgende Punkte gefasst:

– Leiten Sie die Flughafen-Zuschüsse um in neue öffentliche Arbeitsplätze! Machen Sie dadurch unsere Region wieder attraktiv!

– Akzeptieren Sie endlich die wissenschaftlichen Erkenntnisse und schützen Sie die Gesundheit “Ihrer” Bürger. Setzen Sie endlich, entsprechend dem internationalen Trend, ein konsequentes Nachtflugverbot auch in Leipzig/Halle durch!

– Beenden Sie endlich den militärischen Missbrauch des Flughafens Leipzig/Halle. Wirtschaftlich haben diese Flüge ohnehin kaum noch Bedeutung für den Flughafen. Wir, die Helden der friedlichen Revolution von 1989, wollen mit unseren Steuergeldern keine Ölkriege unterstützen!

– Sorgen Sie endlich dafür, dass die Verursacher des lebensbedrohlichen Lärms MIT UNS REDEN! Zwingen Sie sie zur Teilnahme am “Dialogforum Flughafen”. Sie wissen ja aus der jüngeren Geschichte, dass man sich nicht auf Dauer vor dem Volk verstecken kann.

www.nachtflugverbot-leipzig.de

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