Jan Emendörfer, Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, bekommt mal wieder einen Leserbrief von Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiativen "Gegen die neue Flugroute" und "Gegen Flug- und Bodenlärm". Er bittet in seinem Schreiben darum, eine LVZ-Meldung vom 28. März über die 44. Sitzung der Fluglärmkommission am Flughafen Leipzig-Halle richtigzustellen. Da wurde in dieser Kommission auch über den Antrag der Stadt Leipzig zur zeitlich versetzten Bahnverteilung am Flughafen diskutiert.
Entschieden wurde nichts. Nicht aus dem Grund, den dann die LVZ benannte: “Dieses Modell würde zwar den Lärm der Betroffenen zumindest zeitweise mindern, insgesamt würde sich aber die Anzahl der Betroffenen erhöhen.” So steht es nicht einmal im Protokoll. Im Protokoll steht viel deutlicher, warum die Fluglärmkommission nicht funktioniert und niemals auch nur das Geringste gegen die nächtliche Fluglärmbelastung im Leipziger Nordwesten beschließen wird. Passiver Schallschutz ja, aktiver – auf keinen Fall.
Im Protokoll heißt es dazu: “Zu dem Vorschlag der Stadt Leipzig zur zeitlich versetzten Nutzung der Bahnen konnte die FLK auf Grund unterschiedlicher Betroffenheiten keinen Konsens finden.” Das klingt nach möglichen Betroffenheiten der Anwohner. Aber es geht immer wieder nur um Flughafennutzer, die jede Reglementierung des nächtlichen Flugbetriebs als Eingriff in ihre Wirtschaftlichkeit betrachten. Und da auch die Eigentümer – die Bundesländer und die Städte, schon beim Argument, irgendwelche wirtschaftlichen Erfolge zu gefährden, in der Regel den Kopf einziehen, endet jede Abstimmung dazu in der Kommission im besten Fall mit einem Patt.
“Es verwundert Sie sicher nicht, dass diese Meldung der LVZ auch Gegenstand des gestrigen Dialogforums Flughafen Leipzig-Halle war”, schreibt Zimmermann zum Thema “Betroffenheit”. “Sowohl der anwesende Vertreter des Sächsischen Umweltamtes, Herr Wollmann, als auch die Vertreterin der Stadt Leipzig in der Fluglärmkommission, Freifrau von Fritsch, bestritten, dass diese Begründung auf der FLK-Sitzung vorgebracht und diskutiert wurde. Eine absurde Behauptung wird demnach offensichtlich zur gezielten Desinformation genutzt, um mit allen Mitteln den Grundsatz ‘Nachts geht Gesundheit vor Wirtschaftlichkeit’ auszuhebeln. Es ist beschämend, dass sich die LVZ zum Steigbügelhalter der Wirtschaftslobby missbrauchen lässt. Oder wie kann es sonst zu einer derartigen Fehlmeldung kommen?”
Das Dialogforum hatte am Donnerstag, 27. Juni, als Empfehlung ausgesprochen, endlich die längst versprochene gleichmäßige Nutzung der Start- und Landebahnen einzuführen.
“Obwohl im Verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses von 2004 zum Bau der Start- und Landebahn Süd eine gleichmäßige Bahnverteilung der Nord- und Südbahn gefordert und den Anrainern zugesichert wurde, und obwohl es zu dieser Problematik auch einen Stadtratsbeschluss von 2010 gibt, erfolgen derzeit fast 100% der nächtlichen Starts und Landungen über die stadtnahe Südbahn”, stellt Zimmermann in einer Pressemitteilung zum Thema fest. “Über Jahre hatte sich die Fluglärmkommission mit dem Thema beschäftigt, über Jahre wurde die Öffentlichkeit unzureichend und, wie sich jetzt herausstellte, sogar falsch informiert.”
In der Sitzung des Dialogforums am 27. Juni wurden die vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie erstellten Prüfergebnisse und Variantenvergleiche zur Bahnverteilung nun erstmals außerhalb der FLK vorgestellt und diskutiert. “Und die Anwesenden staunten nicht schlecht”, stellt Zimmermann fest. “Von geografischer Verteilung der Nutzung der Start- und Landebahnen war da die Rede, von Verteilung nach so genannter Vorfeldnutzung, vom Austausch MD11 und AN12/26 und von gleichmäßiger Verteilung. Ausgangspunkt der Betrachtungen war stets die derzeitige Nutzung der beiden Start- und Landebahnen eines durchschnittlichen Flottenmixes in der Nacht als so genannte Referenz.”
Und dabei war die Untersuchung sogar eine eingeschränkte, denn sie umfasste im Wesentlichen lediglich die Einwohner des von der Landesdirektion definierten Nachtschutzgebietes, jenes engen Bereiches also, in dem der nächtliche Dauerschallpegel dauerhaft höher als 50 dB(A) ist. Die Belastung der meisten der rund 350.000 Fluglärmbetroffenen blieb unberücksichtigt. Sie sind in unterschiedlichem Maß vom Nachtfluglärm betroffen und werden je nach Flugverlauf von unterschiedlichen Lärmspitzen aus dem Schlaf gerissen. Man denke nur an die nun auch schon sechs Jahre dauernde Diskussion um die kurze Südabkurvung über Leipziger Stadtgebiet oder über die niedrigen Landeanflüge über den Leipziger Süden. Aber auch in Halle und anderen Gemeinden rund um den Flughafen kämpfen Bürger und Verwaltungen fast verzweifelt gegen die nächtlichen Schlafstörungen.
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Manche freut sich dann, wenn die hohe Kommission so gnädig ist, das Problem als solches anzuerkennen und zur Prüfung weiterzureichen, wie im März die Gemeinde Schkopau: “Den Antrag der Gemeinde Schkopau auf Modifizierung der kurzen Südabkurvung in Startrichtung West befürwortete die FLK und reichte ihn zur weiteren Bearbeitung an die DFS weiter.” Womit dann der undurchsichtigste Spieler in der Runde – die Deutsche Flugsicherung – benannt ist, die im Wesentlichen für An- und Abflüge und deren Modifizierung zuständig ist.
Aber selbst für die Direktbetroffenen im “Nachtschutzgebietes” stellte sich heraus, dass bei 50:50-Aufteilung der Bahnnutzungen je nach Betriebsrichtung eine bis zu 23 Prozent niedrigere Lärmbelastung erzielt werden könnte.
“Folgerichtig einigte sich das Dialogforum deshalb darauf, der Stadt Leipzig zu empfehlen, erneut von der FLK eine Bahnverteilung mit der geringsten Belastung zu fordern. Freilich, die Empfehlung hat für die Lärmverursacher und die Deutsche Flugsicherung keinen bindenden Charakter, selbst wenn Sie 1:1 von der FLK übernommen würde. Ein Ignorieren wird allerdings nun schwerlich möglich sein”, stellt Zimmermann fest.
Zur Bürgerinitiative: www.fluglaermleipzig.de
Das März-Protokoll der Fluglärmkommission: http://www.schkeuditz.de/schkeuditzdok/dok/ZUG5TGcQQBmRjxOsMwB6ROH3ZrQlrnAEVmozKEewShDwkV675c/Bericht%2044_%20FLK-Sitzung%2027.03.2013.pdf
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