Mancher Teilnehmer der Diskussion um das Projekt "Elster-Saale-Kanal" verfolgt schon mit Verwunderung den Vorgang, dass dem Stadtrat von Leipzig am 15. Mai lediglich eine einzige, und zwar die teuerste Variante zum Abnicken vorgelegt werden sollte. Das haben die Grünen erst mal verhindert und eine Verschiebung der Abstimmung auf die Ratsversammlung am 19. Juni beantragt.

Denn was die Vorlage den Stadträten nicht bietet, ist eine Übersicht für die anderen analysierten Varianten. Allein für die große Ausbaustufe (Boote bis 44 Meter Länge) wurden 17 verschiedene Trassenverläufe geprüft. Einige kollidierten deutlich mit bestehenden Naturschutzgebieten. Aber auch die bestehende Null-Variante verläuft in ihrem noch nicht existierenden Teil westlich von Leipzig hauptsächlich über landwirtschaftlich genutzte Fläche. Die Ersteller der “Potenzialanalyse” von 2011 gehen davon aus, dass allein für den Ankauf der benötigten Flächen 0,5 bis 1,9 Millionen Euro fällig werden.

Und sie haben auch eine kleinere Ausbauvariante für den Kanal betrachtet. “Die ‘Kleine Ausbaustufe’ stellt in ihrer Dimensionierung des fehlenden Kanalabschnittes auf Sportboote bis 15 m Länge, 3 m Breite und 1,50 m Tiefgang ab und geht zudem von Schleusen als Aufstiegsbauwerk aus. Diese Ausbaustufe stellt in Bezug auf Nutzerkreis und Kosten die einfachste untersuchte Form einer Verbindung von Leipzig mit der Saale und mit Halle dar. Der Kanalquerschnitt kann im Vergleich zu dem vorhandenen Querschnitt deutlich geringer sein.” Statt 36 Meter eben nur 20 Meter. Da ahnt man zumindest, um welche Dimensionen es geht.

Und die Folge? – Die Kosten schnurzeln rapide zusammen: “Bei einem angenommenen Kostenansatz von 2.700,00 Euro pro laufendem Kanalmeter und einer Länge von 7.550 m

(Alte Kanaltrasse) sind somit ungefähr 20,4 Mio. Euro reine Kanalbaukosten zu erwarten. Hinzu kommen noch die Kosten für die vier kleinen Sperrtore, die sich auf etwa 2,4 Mio. Euro belaufen sollten. Somit sind bei der ‘Kleinen Ausbaustufe’ etwa 22,8 Mio. Euro reine Wasserbaukosten anzusetzen.”

Nur zum Vergleich: Die Variante für die großen Boote würde 39,3 Millionen Euro Wasserbaukosten verursachen plus 37,9 Millionen Euro fürs Schiffshebewerk, was nach Adam Ries 77,2 Millionen Euro macht – mehr als das Dreifache. Und das nur, um auch Kreuzfahrtschiffe durchzulassen, die es in dieser Form noch gar nicht gibt.Dass die Summe von 106 Millionen Euro zusammenkommt, hat damit zu tun, dass Straßen und Wege noch einmal 10,9 Millionen Euro kosten und die Ingenieurbauten 8,5 Millionen Euro. Man darf ja nicht vergessen: Da hinten gibt es eigentlich nichts. Touristisch ist das Kanalgebiet nicht existent. Und erst das Schiffshebewerk soll 500.000 Besucher im Jahr anlocken. Die man nicht belegen kann. Man geht von Zahlen für andere Schiffshebewerke aus. Aber auch in Niederfinow und Scharnebeck werden die Schaulustigen nicht gezählt, nur geschätzt, weil sie in der Regel nur kommen, kucken und wieder wegfahren. Sie sind eigentlich kein echter “Wirtschaftsfaktor”.

Es steht aber auch klipp und klar im zweiten Textteil der “Analyse”, dass sich der Kanal, selbst wenn er fertig ist, nicht wirtschaftlich trägt. Allein die jährlichen Unterhalts- und Personalkosten belaufen sich auf über 1,2 Millionen Euro. Mit 1 Million Euro Einnahmen rechnen die Verfasser, aber auch da mogeln sie. Denn die 462.000 Euro an Steuern sind indirekte Einnahmen – sie fließen bestenfalls den anliegenden Kommunen zu, nicht aber dem Kanalbetrieb. 200.000 Euro will man mit dem bewirtschafteten Parkplatz am Schiffshebewerk erwirtschaften – bei der Annahme, 100.000 Pkw-Besitzer bleiben je 2 Stunden da und zahlen 1 Euro pro Stunde.

Das zusätzliche Pkw-Aufkommen kann man sich da ausmalen. Ist das die Art Sensationstourismus, die man sich wünscht? Für diesen lächerlichen Effekt ein Schiffshebewerk für 38 Millionen Euro?

Aus dem Verkauf von 4.472 Vignetten an die Kanalnutzer will man dann noch 123.000 Euro erlösen. Aber es mündet selbst in dieser burschikosen “Potenzialanalyse” in den Ausspruch, dass eine “wirtschaftlich kostendeckende Betreibung des Kanals nicht zu erreichen” ist.

Man könnte ja noch ein paar Räumlichkeiten verpachten, versuchen die Analysten auf dieser Seite 71 des zweiten Textteils doch noch in den Bereich einer Kostendeckung zu kommen. Aber eigentlich wissen sie ganz genau: Hier wird das Geld zum Fenster rausgeschmissen. Und zwar verantwortungslos. Das Projekt ist so komplett unrentabel, dass die Autoren auch um diesen Satz nicht herumkommen: “Ein privatwirtschaftliches Engagement mit dem Ziel einer Rendite bzw. Kapitalverzinsung kann unter den beschriebenen Bedingungen ausgeschlossen werden. Dies bedeutet in der Konsequenz, das[s] ein öffentliches Engagement für diese Finanzierung / Realisierung des Kanals unverzichtbar ist.”

Es ist schon erstaunlich, dass einige Leute tatsächlich so denken. Es rechnet sich nicht – also muss der Steuerzahler ran. Was ist das für eine Denkweise?

Und das sind nur die finanziellen Abgründe. Zu den gedachten Nutzern kommen wir gleich an dieser Stelle.

Die “Touristische Potenzialanalyse” findet man unter Punkt 6 auf der Download-Seite des Grünen Rings Leipzig: www.gruenerring-leipzig.de/index.php/downloads

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