Um nun den Politikern den Elster-Saale-Kanal attraktiv zu machen, schlagen die Analysten der "Touristischen Potenzialanalyse" ja auch noch eine Aufwertung des eigentlich komplett langweiligen Gebietes um den Kanal herum vor. "Das Kerngebiet ist das einzige Gebiet rund um Leipzig, in dem touristisch außer Geschäftsreisetourismus bislang wenig passiert ist. Trotz seiner zentralen Lage liegt das Gebiet abseits der touristischen Ströme. Dies gilt nicht nur für den privat motivierten Urlaubstourismus, sondern auch für den Tagestourismus."

Aber die Autoren brauchen nicht mal Luft zu holen, um dann gleich wieder zu behaupten: “Die aktuelle Situation entspricht nicht den touristischen Potenzialen des Gebiets und erschwert die aus touristischer Sicht wünschenswerte länderübergreifende touristische Vernetzung. Vor diesem Hintergrund besteht die Notwendigkeit zu prüfen, ob auch ohne einen Ausbau des Kanals touristische Potenziale bestehen und wenn ja, wie diese genutzt werden können.”

Als kleiner Seitensatz: “Für den Kanal gilt noch stärker als für die Luppe, dass aufgrund der eintönigen Gewässerstruktur und des unattraktiven Gewässerrands (Eindeichung) keine kanutouristischen Entwicklungspotenziale vorhanden sind.”

Noch deutlicher kann man gar nicht formulieren, dass die Kanalverbindung eigentlich nur für eins gedacht ist: Die großen Boote von der Saale rein nach Leipzig zu bringen.

Aber was sollen diese Boote da, wenn die aktuelle Entwicklung in eine ganz andere Richtung weist? – “Auch vor diesem Hintergrund des großen tagestouristischen Marktpotenzials im regionalen Umfeld kann im Zusammenhang mit den Gewässerplanungen im Leipziger Stadtgebiet mit weiterem kanutouristischen Wachstum gerechnet werden, denn Kanutourismus ist, wie viele bundesweite Untersuchungen zeigen, vor allem Tagestourismus. Lediglich mit längeren, besonders kanugeeigneten Flüssen wie z. B. mit der Lahn (abgeschwächt auch mit der Saale) und vernetzten Gewässersystemen wie der Mecklenburgischen Seenplatte lassen sich erfahrungsgemäß überregionale Nachfragepotenziale im größeren Umfang erschließen. Dies ist für die Stadtgewässer nur im Zusammenhang mit einem Urlaub im Leipziger Neuseenland, nicht aber als Solitärmotiv zu erwarten.”

Heißt ja auch: Derzeit ist das wachsende Gewässersystem vor allem für die heimischen Wassersportler attraktiv – aber das ist den Visionären nicht wichtig. Was man gern haben möchte, ist Motorbootstourismus. “Unter den gegebenen rechtlichen Befahrenseinschränkungen und wegen der fehlenden Gewässervernetzung zum Südraum und zur Saale bestehen keine Entwicklungspotenziale für den motorisierten Bootstourismus”, heißt es in der “Potenzialanalyse”.

Aber man kommt immer wieder auf den entscheidenden Punkt. Die Motorboote sind auch noch nicht auf der Saale. “Warum die Saale trotzdem nur wenig von Booten aus anderen Revieren aufgesucht wird begründet sich für die Elbe in den schwierigen nautischen Bedingungen, die ein Befahren auch für versierte Bootsfahrer schwierig machen. Aus diesem Grund schließen fast alle großen Charteranbieter in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Charterfahrten auf der Elbe aus.”

Wohlgemerkt: auf der Elbe.

Das ganze Gewebe, dass Anreisen von Charterbooten, Flusskreuzfahrtschiffen und dergleichen mehr zusammenhält, ist mit dünnen Fädchen gesponnen: Die Boote kommen nicht auf die Elbe. Deswegen könnte sich selbst eine Schiffbarmachung der Saale im Elbübergang sehr bald als völlige Fehlinvestition erweisen – ein Schleusensystem für 500 Millionen Euro, das niemand nutzt, weil die Boote auch auf der Elbe nicht vorankommen. Der Klartext zur Elbe auf Seite 167:

“Die teilweise starke Strömung, tückische Untiefen und teilweise auch länger anhaltendes Niedrigwasser sind die Ursachen dafür, dass sich der Wassertourismus auf der Elbe bislang kaum entwickelt hat. Besonders negativ wirkt sich die Gefahr von Niedrigwasser aus, was dazu führen kann, dass die Boote über einen längeren Trockenzeitraum nicht zum Heimathafen zurückkehren können. Diese Planungsunsicherheit ist auch die Ursache für die vergleichsweise geringe Zahl von Sportbooten aus Hamburg in dem eigentlich nahe gelegenen Schweriner Seengebiet, wie aus mehreren Befragungen dort deutlich wurde.”

Motorboote bis ins Neuseenland

Und noch einmal klipp und klar zur Funktion des “Elster-Saale-Kanals” in diesen Visionen: “Analog zur Luppe ist der Kanal als Solitärgewässer für motorisierten Sportbootstourismus nicht attraktiv (geringe Distanz und eintöniger Streckenverlauf). Daran würde auch eine Anbindung an den Lindenauer Hafen nur wenig ändern. Trotz der daraus resultierenden (äußerst geringen) Ausweitung der Streckenlänge und der gewässerseitigen Erschließung der Stadt Leipzig können deshalb ohne die Möglichkeit einer Weiterfahrt in die Gewässer im Südraum von Leipzig keine Effekte für den motorisierten Bootstourismus erwartet werden.”

Das kann sich nun jeder wie ein Mantra aufsagen: Die 106 Millionen Euro für den Kanalausbau bringen nichts, reineweg nichts. Selbst die Analysten gehen davon aus, dass das Ganze erst funktioniert, wenn “die Möglichkeit einer Weiterfahrt in die Gewässer im Südraum von Leipzig” geschaffen wird. Durch den Leipziger Gewässerknoten und durch irgendeine Art “Nordwestpassage”.

Es steht wirklich alles drin in dieser “Potenzialanalyse”, um den ganzen Wahnsinn zu erkennen. Und es ist wirklich Wahnsinn. Denn wirtschaftlich rechnen lässt sich kein einziges der Bauteile. Dazu kommen wir noch.

Und was machen die Analysten draus, nachdem sie all das aufgeschrieben haben? – “Der Ausbau des Elster-Saale-Kanals stellt im Hinblick auf den motorisierten Bootstourismus auf der Saale und in Leipzig einen Quantensprung dar. Erst durch die Vernetzung von Leipzig mit der Saale entsteht ein überregional wettbewerbsfähiges Zielrevier für motorisierte Wasserwanderer mit größeren Effekten für den regionalen Bootsmarkt und den Chartertourismus. Der Quellverkehr aus Norddeutschland (Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern) spielt dabei nicht die entscheidende Rolle. Als Quellgebiet für Bootstouren in das Revier verspricht der Berliner und Brandenburger Raum deutlich mehr Erfolgsaussichten.”

Flusskreuzfahrer meiden die Saale

Und auch Flusskreuzfahrer schippern die Saale nicht hinauf. Warum nur, fragten sich die Analysten. – “Die Ursachen für die bislang geringe Frequentierung der Saale durch die Flusskreuzfahrt liegen zum einen in der (objektiv nicht begründeten) Befürchtung, dass bei Niedrigwasser die Befahrung im nicht staugeregelten Mündungsbereich der Saale schwierig oder gar unmöglich ist. Zum anderen lassen die Schleusengrößen ab Halle flussaufwärts Fahrten nur für Schiffe bis zu einer Größe von 44 m zu. Die derzeit auf der Elbe verkehrenden Flusskreuzfahrtschiffe sind mit Abmaßen zwischen 82 und 95 m Länge sowie 9 und 11 m Breite deutlich zu groß. Auch ist zu vermuten, dass die Attraktivität der Stadt Halle und der anderen kleineren Städte nicht für einen Abstecher von der Elbe in die Saale ausreicht, zumal eine Fahrt auf der touristisch besonders reizvollen Oberen Saale mit den Leuchttürmen Naumburg und Weinanbau nicht möglich ist.”

Den Betreibern dieser Schiffe erscheint nicht mal eine Fahrt von Magdeburg nach Halle wirtschaftlich sinnvoll. Die Strecke ist nicht attraktiv. Also muss man, so denken es sich die klugen Köpfe, am Ende der Strecke eine Attraktion her: “Mit dem Elster-Saale-Kanal würden sich durch die Erschließung von Leipzig für die Flusskreuzfahrt ganz neue Perspektiven ergeben.”

“Voraussetzung hierfür wäre aber entweder ein kompletter Umbau aller kleineren Schleusen auf die Größe der Elbkabinenschiffe (vor dem Hintergrund der Sparzwänge in den Schifffahrtsverwaltungen nicht zu erwarten) oder der Einsatz kleinerer Kabinenschiffe mit einer Länge unter 44 m, wie der ‘Mecklenburg’ oder ‘Liberty’.”

Aber die Zahlen dazu, ob sich solche kleineren Schiffe auf so langen Touren überhaupt rechnerisch tragen, stehen nicht dabei. Wieder so eine Karte im Kartenhaus. Aber ein Schiffshebewerk für solche Schiffe will man erst mal hinstellen für 38 Millionen Euro. Das nennt man spendabel.

Der erste Textteil ist mit 5 MB noch relativ leicht zu handhaben. Der zweite Textteil ist zwar inhaltlich wesentlich kürzer – dafür mit Bildchen und Grafiken gespickt. Da findet man die kühnen Rechnungen zur Rentabilität des Ganzen. Und die Begründung dafür, warum es noch teurer werden muss. Dazu mehr – morgen an dieser Stelle.

Die Downloads auf der Seite des Grünen Ringes: www.gruenerring-leipzig.de/index.php/downloads

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