Manche brauchen ein Weilchen, um sich die Augen zu reiben. Seit drei Wochen ist der Floßgraben mit einer weitgehenden Sperre belegt, weil der Eisvogel gesichtet wurde, der in den Steilufern des Floßgrabens schon seit Jahren gern nistet. So viele geeignete Steilufer findet der seltene Vogel nicht im Leipziger Auwald. Aber die Stadt Leipzig, die den Floßgraben 2011 mit großem Trara erst zur Bootsbefahrung freigegeben hat, bekommt jetzt das ganze Unverständnis zu spüren. In die aktuelle Diskussion um den Floßgraben schaltet sich nunmehr auch der BUND Leipzig ein.
Der BUND findet besonders die verschärfte Diskussion der Bootsanbieter überzogen, die natürlich in der Freigabe von “Kurs 1” eine neue Geschäftschance sahen. Niemand wies sie wohl 2011 zum großen “Tag Blau” darauf hin, dass all die Hochglanzprojekte aus dem “Wassertouristischen Nutzungskonzept” (WTNK) auf Risiko geplant waren – immer mit der faktischen Einschränkung: Naturschutz hat im Leipziger Auwald Vorrang. Ein einsamer Eisvogel ist nur ein Zeichen für das komplette, offiziell unter Schutz gestellte System.
“Die Aufregung der Bootsverleiher ist in keiner Weise nachzuvollziehen”, sagt deshalb auch Jürgen Kasek, Rechtsanwalt und Vorsitzender des BUND Leipzig. “Die Verleiher der Boote haben von Anfang an gewusst, worauf sie sich einlassen.” Dass der Leipziger Auwald ein störungssensibles Ökosystem ist und insbesondere der Floßgraben zum SPA Gebiet gehört, war allen Seiten bekannt. Dass nunmehr die Stadt reagiert und eine SPA Art schützen lässt, war unumgänglich und längst überfällig, so Kasek.
Anhand der Debatte würden auch die Geburtsfehler des “Wassertouristischen Nutzungskonzepts” deutlich: Allem voran die fehlenden Kontrollen sowie Einschränkungen in besonders schutzwürdigen Bereichen. Seit Jahren werde die Besonderheit und Schönheit des Leipziger Auwaldes betont, obwohl es an konkreten Schutzmaßnahmen fehle. Die Vorstellung der Bootsverleiher gefährde den Auwald. Wer ein Unternehmen gründe und dabei darauf vertraue, dass es weder schlechtes Wetter gibt, noch schutzwürdige Tier- oder Pflanzenarten im zur Nutzung vorgesehenen Schutzgebiet auftauchen, arbeite regelmäßig wirtschaftlich unseriös.Der Stadt sei bekannt gewesen, dass es im Bereich des Floßgrabens auch in den vergangenen Jahren immer wieder Brutstätten von Eisvögeln gab. Dies hätte auch den Bootsverleihern klar sein müssen, so der BUND-Vorsitzende. Weiterhin sei zu konstatieren, dass es die Bootsverleiher in den zurückliegenden Jahren nicht geschafft hätten, ihre eigene Kundschaft zu einem vernünftigen Verhalten im Schutzgebiet Leipziger Auwald anzuhalten. Wenn alle Beteiligten darauf achten würden, dass die Schutzregeln strikt eingehalten würden, gäbe es auch die Möglichkeit, die Schutzregeln weniger eng zu fassen.
Dass dies geschehen sei, das bezweifelt Kasek.
Fakt sei auch, dass die Eisvögel durch menschliche Aktivitäten in Nestnähe gestört würden. Die Stadt sei, vermittelt durch das Naturschutzgesetz, daher verpflichtet, wirksame Maßnahmen zum Schutz zu ergreifen. Anderenfalls wären diese notwendigen Schutzmaßnahmen gerichtlich durchzusetzen gewesen. Die getroffenen Regelungen seien am geltenden Naturschutzgesetz zu messen, auch wenn einige Bootsverleiher das nicht wahrhaben wollten.
Perspektivisch werde man unabhängig von der aktuellen Situation nicht umhinkommen, den Bootsverkehr im Floßgraben insgesamt einzuschränken. Gerade in schmalen Gewässern sei eine zeitliche Begrenzung des Bootverkehrs alternativlos, auch über die aktuelle Diskussion hinaus.
“In dieser Situation werden wir das Handeln der Stadt sehr genau beobachten und auf die Einhaltung der Schutzgesetze drängen”, verspricht Jürgen Kasek. “Durch eine Übernutzung, die zur Verdrängung von Arten führt, würde der Leipziger Auwald insgesamt leiden, was dann auch negative Folgen für die Bootsverleiher hätte. Gerade aus diesem Grund sollte es auch den Bootsverleihern eine Herzensangelegenheit sein, den Leipziger Auwald zu schützen, um ihn auch für nachfolgende Generationen erfahrbar zu machen. Allein dieser Gedankengang scheint noch nicht jeden erreicht zu haben.”
Was auch an den politisch handelnden Akteuren liegt, die mit ihren wassertouristischen Visionen Versprechungen für einen weiter wachsenden Gewässertourismus machen in einer Landschaft, die genau hier keine Spielräume hat. Das Auftauchen des Eisvogels hat das nur deutlich gemacht. Der Wunsch vieler Paddler und der betroffenen Bootsverleiher ist sogar verständlich. Sie haben sich auf die Versprechungen verlassen.
Die Weihnachtsmänner waren andere. Und das Tragische ist: Sie spielen schon wieder Weihnachtsmann – wider besseres Wissen.
Deutliche Worte zu diesem politischen Versagen findet auch der NuKla e.V.: www.klassischekartoffelkonzerte.de/2013/05/goliath-gegen-david-im-flosgraben-offene-presserklarung
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