Mitten im eindrucksvollen Bildband "Das Mitteldeutsche Seenland" stößt man auf einen erstaunlichen Fund, der so einiges, was derzeit im Leipziger Neuseenland passiert, erklärbarer macht. Der Stil im Text bricht ins Hymnische und zwei Karten erfreuen den Leser. Doch sie haben, auch wenn sie sich ähneln, wenig bis nichts miteinander zu tun. Zwei Visionen, zwei völlig unvereinbare Konzepte.
Der Beitrag stammt von Angela Zábojnik, Leiterin der Abteilung Wasserwirtschaft / Flächenmanagement der Stadt Leipzig und der Arbeitsgruppe Gewässerverbund Leipziger Neuseenland. Der Text ist nicht ganz neu, der Stil auch nicht. Beides findet man auch in diversen Publikationen der Arbeitsgruppe. Und die erste Karte zum Gewässerverbund findet man ebenfalls öfter – immer wieder aktualisiert und konkretisiert. Es sind die sechs Kurse eingemalt, an denen fleißig gearbeitet wird und die die Seen im Leipziger Südraum künftig mit der Stadt Leipzig und – evtl. über die Weiße Elster und/oder auch mit der Saale verbinden sollen.
Es wird über die Naturverträglichkeit aller Gewässerverbindungen diskutiert, im letzten Jahr schwappte auch das Thema Schiffbarkeit hoch. Zumindest ist auf den Bergbaufolgeseen im Leipziger Südraum und auf ihren Verbindungsgewässern die Herstellung der Schiffbarkeit geplant im neuen Wassergesetz des Freistaates Sachsen. Schon das ein heißes Eisen. Denn das bedeutet eben, Tür und Tor für die motorbetriebene Schifffahrt zu öffnen.
Was im Wassergesetz jedoch auch mit der Novellierung nicht geregelt ist. Da steht im Entwurf sogar: “Die zuständige Wasserbehörde kann im Einvernehmen mit dem Staatsministerium
des Innern und dem Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr weitere Gewässer
für schiffbar erklären oder die Schiffbarkeit auf bestimmte Wasserfahrzeuge beschränken.
Entscheidungen nach den Sätzen 2 und 3 sind öffentlich bekannt zu machen.”
Was das im Dezember vorgestellte Nautische Gutachten der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland etwas seltsamer aussehen ließ. Lässt man extra ein Gutachten zur Schiffbarkeit im Leipziger Gewässerknoten anfertigen, weil man die Weiße Elster gern für schiffbar erklären möchte? Das Gutachten zeigte zwar auch, dass gerade im Bereich Weiße Elster/Elsterflutbett schon jetzt die Kapazitätsgrenzen erreicht werden und mehr Motorbootverkehr als der jetzt mit der Fahrgastschifffahrt mögliche eigentlich nicht hineinpasst.Aber der Fragen wurden es noch mehr, als auf dem Neuseenlandkongress im Februar wieder das Projekt Elster-Saale-Kanal zum Vortragsthema wurde und diesmal das 38 Millionen Euro teure Schiffshebewerk im Zentrum der Werbung stand. Die Informationsvorlage dazu soll im Mai in die Leipziger Ratsversammlung. Es stehen die prognostizierten Investitionssummen drin – 151 Millionen Euro. Und es steht auch lapidar die Begründung für das Schiffshebewerk drin, das für Schiffe bis 45 Meter Länge gedacht ist.
Solche Schiffe haben bislang nirgendwo im Leipziger Gewässerverbund eine Betriebserlaubnis.
Und da wird dann die zweite Karte interessant: “Wasserseitige Infrastruktur” steht drüber, erstellt wurde sie vom ICL Ingenieur Consult Dr.-Ing. A. Kolbmüller GmbH, das an mehreren Wasserprojekten in der Region schon maßgeblich beteiligt ist. Auch hier findet man die geplanten Kurse. Doch es gibt ein paar bedenkenswerte Spezifizierungen.
Der Saale-Elster-Kanal ist im selben satten Blau durchgemalt von der Marina im Lindenauer Hafen bis zur Saale mit einem zweiten Marina-Standort und einem bis 2020 fertigzustellenden Schiffshebewerk. Interessant ist die dicke blaue Einfärbung, denn in der Legende heißt es dazu: “Flußkreuzfahrtschiff / Großes Fahrgastschiff (bis 45 m)”.Die Karte ist nicht irgendwo aus uralten Archiven aufgetaucht. Man findet sie auch in der Broschüre “Der Touristische Gewässerverbund”, herausgegeben vom Grünen Ring Leipzig und der Stadt Leipzig im Januar 2012. Die Karte findet man dort auf Seite 11. Auch die “Potenzialanalyse” von 2011 wird wieder erwähnt, die bis heute nicht veröffentlicht wurde, obwohl sie mit öffentlichen Geldern bezahlt wurde. Und nicht nur die Vision, große Fahrgastschiffe und Flusskreuzfahrtschiffe bis zum Lindenauer Hafen zu bringen, steht drin. Denn selbst der Laie fragt sich ja: Was macht das für einen Sinn, die Flusskreuzfahrer bis zum Lindenauer Hafen zu bringen für 151 oder 200 Millionen Euro? Das ist doch nur ein technischer Wurmfortsatz für die Saale. Attraktiv wird doch so ein “Abstecher” erst, wenn die Kreuzfahrer auch bis zu den Seen im Südraum kommen?
Und siehe da, nicht nur der Saale-Elster-Kanal wird für die größeren Schiffe gedacht, auch mit dem Karl-Heine-Kanal hat man mehr vor, als dort nur die Boote von Boots-Herold und die MS “Weltfrieden” (10,80 Meter lang) schippern zu lassen. Ein klein wenig helleres Blau auf der Karte bedeutet: “Fahrgastschiff (bis 30 Meter)”. Und dessen Revier endet nicht an der Weißen Elster – auch das Elsterflutbett ist in diesem Plan für Boote dieser Größe vorgesehen.- Und weil die nun wirklich nicht durch den Floßgraben passen, taucht auf der Karte eine neue rot gepunktete Verbindung vom Elsterflutbett zum Cospudener See auf. In der Legende heißt es dazu: “Gewässerverbindung mit Schleuse (Vision)”. Eine Vision, die dann augenscheinlich mitten durch den Auwald oder den Tertiärwald führt.
Und nicht nur dort sieht man visionär Motorboote. Sowohl die Weiße Elster als auch die zur Öffnung vorgesehene Alte Elster als auch Pleiße und Floßgraben sind in einem breiten Hellblau eingemalt. Zu dem es in der Legende heißt: “Hausboot / LeipzigBoot / Kajütboot / Motorboot (bis 15 m, z.T. weniger)”. Und das nach all den Debatten um die Entwicklung eines “gewässerangepassten Bootstyps”. Und das ist bislang eben das LeipzigBoot und kein anderes.
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Wie heißt es so schön in einer Broschüre der Stadt zur Zukunft des Lindenauer Hafens? – “Im Norden des Hafenbeckens wird ein technischer Hafen mit 200 Bootsliegeplätzen angelegt – die künftige MARINA Leipzig-Lindenau. Die historischen Speichergebäude werden dieser Marina eine unverwechselbare Prägung verleihen. In diesem Bereich werden touristische Basiseinrichtungen und maritimes Gewerbe untergebracht. Mit der Errichtung einer Slipanlage und einer Wassertankstelle wird die MARINA als technischer Hafen über einen leistungsfähigen Komplettservice für Boote und sonstige wassersportliche Aktivitäten verfügen.”
Slipanlage und Wassertankstellen braucht man in der Regel nur für Motorboote.
In der Werbebroschüre für den Lindenauer Hafen hat man dann freilich die 200 Bootsliegeplätze nur ganz klein eingezeichnet. Auch auf dem neu gebauten Kanalabschnitt zwischen Hafen und Karl-Heine-Kanal sieht man nur Ruderboote und Kanus. Das einzige Motorboot, das man hineingemalt hat, ist die MS “Weltfrieden”.
Was man in all den Broschüren von Stadt, Grünem Ring, Gewässerverbund nicht findet, sind Untersuchungen zu einem Saale-Elster-Kanal ohne Motorboote. Wenn von “touristisch nutzbaren, bootsgängigen Verbindungen” im Leipziger Gewässerknoten gesprochen wird, sind augenscheinlich immer Motorboote gemeint. Und wer sich den Spaß macht, das Wort “bootsgängig” in seine Suchmaschine einzuspeisen, wird sich wundern, welche Weltregion da ganz vorne dominiert.
Das Wassertouristische Nutzungskonzept auf der Homepage des Grünen Rings Leipzig: www.gruenerring-leipzig.de/images/download_Dokumente/WTNK%20Leitplan_broschuere2012.jpg
Die Kursbeschreibungen auf der Homepage des Gewässerverbunde: www.gewaesserverbund.de/download/touristischer_gewaesserverbund_2008.pdf
Die Planungen zur “Wasserseitigen Infrastruktur” auf der Homepage der Stadt Leipzig: www.leipzig.de/imperia/md/content/67_gruenflaechenamt/touristischer_gewaesserverbund_leipziger_neuseenland_2012.pdf#search=%22wassersportregion%22
Die Vision für den Lindenauer Hafen: www.leipzig.de/imperia/md/content/64_stadterneuerung/broschuerentitel/120930_lindenauer-hafen.pdf
Der Entwurf zum neuen Wassergesetz: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=10658&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=201
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