Von den 18,5 Millionen Euro, die die Herren der wilden Zahlen in der Vorlage zum Elster-Saale-Kanal den Stadträten hier hinwerfen wie leckere Würstchen, sind 10,2 Millionen Euro Umsatz im "landseitigen Besucherverkehr" - heißt also Hotels, Gaststätten und so weiter, die vielleicht am Kanal entstehen oder davon partizipieren. Wobei völlig offen ist, ob ein sanfter Bootstourismus ohne die großen Flussjachten nicht genau denselben Effekt hätte. Niemand hat das bisher berechnet.

Wenn man diesen Faktor weglässt, bleiben geradezu lächerliche Summen übrig in der sogenannten Wirtschaftlichkeitsberechnung, die der Stadtratsvorlage beigefügt ist.

Und zwar immer Umsätze, keine Gewinne, die den Kanal vielleicht in irgendeiner Weise refinanzieren würden. Was so ein Infrastrukturprojekt aber wenigstens in Teilen müsste.

Ob tatsächlich 1,5 Millionen Euro mit mehr Bootsausflugsverkehren zu generieren wären, müsste man bei Boots-Herold am besten wissen. Aber auch das ist eine Zahl, die den Ausbau für Flussdampfer nicht rechtfertigt. Denn die Ausflugsboote, wie sie Boots-Herold benutzt, können auch in einem schmalen Kanalquerschnitt fahren wie dem Karl-Heine-Kanal.

Dass man mit der Unterhaltung der dann vorhandenen Boote 2,2 Millionen Euro Umsatz macht pro Jahr, ist erst recht ein fiktiver Wert, der davon ausgeht, dass einige hundert Motorboote zusätzlich im Leipziger Gewässerknoten unterwegs sind. Die es heute noch nicht gibt. Es läuft also auf eine systematische Verdrängung der muskelbetriebenen Boote hinaus. Denn auch das im Dezember 2012 vorgestellte nautische Gutachten zum Gewässerknoten Leipzig hat gezeigt, dass dessen Nutzungsdruck jetzt schon so hoch ist, dass regulierend eingegriffen werden muss. Mit den angedachten zusätzlichen Motorbooten steigt dieser Nutzungsdruck – die Verdrängung beginnt.

Die Liegeplatzkosten von 1,2 Millionen Euro tauchen hier mit auf. Das sind dann endgültig Motorboote. Und solche Liegeplatzkosten nimmt man nur ein, wenn ein paar hundert Boote dauerhaft zugelassen sind. Und zwar im Leipziger Gewässerknoten.
Und man nimmt an, wenn man den Kanal schon so aufmotzt, indiziert man auch die entsprechende Kauflust bei künftigen Motorbootbesitzern – und setzt 2,5 Millionen Euro pro Jahr für Bootskäufe an.

Das aber, was man mit dem Kanal eigentlich an zusätzlichem Tourismus erzeugen möchte, taucht hier mit ganzen 0,94 Millionen Euro zusätzlichem Umsatz auf – 0,75 Millionen beim Charterboottourismus und 0,19 Millionen bei überregionalen Neuverkehren. Selbst diese hypothetischen Zahlen sind ein Witz für so ein Investitionsprojekt.

Und das alles als Umsatz, nicht als Gewinn. Es sind keine Einnahmen für Kanalbenutzung oder gar die Nutzung des 38 Millionen Euro teuren Schiffshebewerkes kalkuliert. Vielleicht auch mit Absicht, denn das wären Zahlen, an denen sich die Rentabilität des Projektes tatsächlich messen ließe. Erst wenn so ein Projekt seine Investitionskosten wieder einspielt, macht es Sinn. Es ist keine Oper und auch kein Jugendklub. Es ist ein Infrastrukturprojekt.

Aber wenn es um öffentliche Prestigebauten geht, verlieren Politiker augenscheinlich jedes Maß. Dann spielen sie Weihnachtsmann. Und im Fall “Elster-Saale-Kanal” kommt hinzu: Sie können sich in einem Dickicht der Verantwortlichkeiten verstecken. Die Gremien, die sich da regionübergreifend gebildet haben, haben mit demokratische Verantwortlichkeit nichts mehr zu tun.

Auch wenn zumindest ein Leipziger Oberbürgermeister und der zuständige Umweltbürgermeister nicht wirklich behaupten können, sie trügen dafür keine Verantwortung. Das tun sie sehr wohl und sehr zentral: “Die Projektsteuerung und Organisation wurde durch die Stadt Leipzig, Amt für Stadtgrün und Gewässer in Abstimmung mit der Stadt Halle, Stadtplanungsamt übernommen.”

Der Rest der Aktionsgruppe, deren Ziel es nicht ist, eine umweltverträgliche Verbindung zwischen Elster und Saale zu schaffen, versteckt sich hinter dieser “Kernarbeitsgruppe”, die “im Rahmen von 7 Sitzungen zu Inhalten und Vorgehen abstimmte. Sie umfasste ca. 20 Mitglieder folgender Institutionen: Regionaler Planungsverband Leipzig-West sachsen, Regionale Planungsgemeinschaft Halle, Landesdirektion Leipzig, Landesverwaltungsamt Halle, Landkreise Nordsachsen und Saalekreis, Städte Leipzig, Halle und Schkeuditz, IHK zu Leipzig, Tourismusverband Sächsisches Burgen- und Heideland e. V., Tourismusverein Leipziger Neuseenland e. V., Leipzig Tourist Marketing GmbH, Stadtmarketing Halle (Saale) GmbH, Förderverein Region Halle (Saale) e. V., Wasser- und Schifffahrtsamt Magdeburg.”

Wer ist da wirklich verantwortlich und wer hat das Kreuz zu sagen: So geht’s nicht?

Die Position dazu hätte eine gewisse Stadt Leipzig. Denn sie wird die Hauptkosten tragen. Denn wenn es Fördergelder gibt, müssen sie immer anteilig finanziert werden. Aus dem Leipziger Stadtsäckel: Und da zahlen dann auch wieder all die Ruderer und Kanuten, die dann künftig von stolzen Motorbootkapitänen an den Rand gedrängt werden.

Aber vielleicht stehen ja dann auch ein paar Leipziger Bürgermeister am Ruder und zeigen den Bürgern, wie man so was macht im Lande D.

Der Text der Vorlage, die am 15. Mai in den Leipziger Stadtrat soll:

http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/529455CDE143D7ACC1257B1A002B46D1/$FILE/V-ds-2851-text.pdf

Die “Wirtschaftlichkeitsberechnung” für den gläubigen Michel:

http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/529455CDE143D7ACC1257B1A002B46D1/$FILE/V-ds-2851-anlage2.pdf

Mit dem Beschluss ist die Unterstützererklärung verbunden:

notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/529455CDE143D7ACC1257B1A002B46D1/$FILE/V-ds-2851-bsdbl-rv.pdf

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