Die Hallenser schauen nach Leipzig, die Leipziger nach Halle. In Sachen Fluglärm sind beide Städte gleich. Die staatlichen Instanzen zucken mit den Schultern, die Betreiber des Flughafens und die Flugsicherung tun so, als gingen sie die Nöte der Betroffenen nichts an. Der Stadtrat zu Halle beschloss drum am 30. Januar eine Resolution. Und die Leipziger Betroffenen wollten vom Umweltbürgermeister wissen, ob das hier nicht genau so ginge.

Die entsprechende Einwohneranfrage wurde schon am 7. Dezember eingereicht. Weil’s zur letzten Stadtratssitzung am 23. Januar alle eilig hatten, hat Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal die Anfrage nun schriftlich beantwortet. Ist ja nicht so, dass Leipzig in der Fluglärmkommission nichts beantragt hätte. Und Stadtratsbeschlüsse gibt’s auch seit Jahren, nicht nur so brave Resolutionen wie sie der Hallenser Stadtrat am 30. Januar beschloss.

Darin heißt es: “Der Stadtrat der Stadt Halle (Saale) unterstützt das Engagement der Stadtverwaltung und der Vertreter der Stadt Halle in der Fluglärmkommission des Flughafens Leipzig/Halle zur Optimierung des Betriebsregimes des Flughafens zwecks Entlastung der halleschen Bürger von Fluglärm. Hier kommen insbesondere die verbesserte Führung von Flugrouten, die Einführung intelligenter Bahnnutzungssysteme und die Forcierung von Flottenerneuerungen in Betracht. Der Stadtrat der Stadt Halle (Saale) nimmt zur Kenntnis, dass derzeit insbesondere die Bürger im halleschen Ost durch den Fluglärm schwerer Frachtmaschinen in ihrem Nachtschlaf gestört werden und insoweit Handlungsbedarf besteht. Er verkennt dabei nicht, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Flughafens und seiner Kunden als auch der lärmbetroffenen Bürger außerhalb Halles gefunden werden muss.”

Wie nennt man so etwas? Eine Seifenblase? Ein Wedeln mit bunten Tüchern?

Zu recht wies Heiko Rosenthal darauf hin, dass der Leipziger Stadtrat schon mehrere Beschlüsse getroffen hat, die darüber hinaus gehen. Das waren sogar richtige Handlungsaufträge.

“Wie Ihnen bekannt ist, wurde die Stadt Leipzig mit Beschluss der Ratsversammlung Nr. RBV-282/10 vom 24.2.2010 beauftragt, sich in der Fluglärmkommission für den Flughafen Leipzig/Halle dafür einzusetzen, dass die Inbetriebnahme der alternativen kurzen Südabkurvung ausgesetzt und die sogenannte kurze Südabkurvung abgeschafft wird. Deshalb beantragte die Stadt Leipzig mit Schreiben vom 17.3.2010 die Aufnahme des Themas in die Tagesordnung für die am 31.03.2010 stattfindende Sitzung der Fluglärmkommission (FLK) .”

Ergebnis?

“Mit der Begründung, dass bereits im Jahr 2007 auf Antrag der Stadt Leipzig das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine Aussetzung der kurzen Südabkurvung und Prüfung der Rechtmäßigkeit der Flugroute veranlasste und mit Schreiben vom 22. 4. 2008 die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Festlegung der kurzen Südabkurvung in Richtung Ost als Tagabflugroute bestätigte, wurde der Antrag der Stadt Leipzig in der FLK mehrheitlich abgelehnt. Weitere Argumente für die Ablehnung waren die geringe Nutzungshäufigkeit der Flugroute, der Betrieb nur bei Ostwindwetterlagen und im Tagzeitraum, die zwangsläufige Mehrbelastung anderer Betroffener bei Abschaffung sowie höhere CO2-Emissionen durch längere Flugwege.”Die Fluglärmkommission ist seit Jahren der Ort, an dem die Stadt Leipzig regelmäßig erlebt, wie wenig die Interessen der Anlieger in diesem Gremium überhaupt zählen.

Rosenthal: “Die Stadt Leipzig hat, wie bereits im Jahr 2007, ausdrücklich um die Nullvariante gekämpft, doch es war in der FLK nicht möglich einen erneuten Prüfauftrag auszulösen. – Unbeschadet dessen, hat sich die Stadt Leipzig mit zwei Schreiben (vom 7.5. und 16.8.2010) nochmals an das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung gewandt und darum gebeten, den Antrag der Stadt auf Abschaffung der kurzen Südabkurvung zu prüfen und zu unterstützen. In der Antwort teilte die Behörde mit, dass sie keinen Anlass sieht, das Abflugverfahren aufzuheben. Die Flugverfahren für den Flughafen Leipzig/Halle, einschließlich der genannten Flugroute, wurden nach ordnungsgemäßer Abwägung aller rechtlich erheblichen Belange durch Rechtsverordnung rechtmäßig festgelegt.”

Und das war nicht der einzige Punkt, bei dem sich die “höheren Instanzen”, nachdem man die Bürgerbeteiligung in allen wirklich wichtigen Verfahren einfach umschifft hatte, hinter “rechtmäßigen” Verordnungen verschanzten.

Rosenthal: “In der Ratsversammlung am 25.1.2012 erläuterte ich darüber hinaus umfassend weitere Aktivitäten der Stadt Leipzig zum Schutz ihrer Anwohner vor nächtlichem Fluglärm. Ich führte aus, dass mit dem Beschluss des Stadtrates RBV-650/11 vom 19.1.2011 der Oberbürgermeister beauftragt wurde, sich mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, den aktiven Schallschutz am Flughafen Leipzig/Halle zu verbessern. Der Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen enthält ein Maßnahmepaket, welches auf Vorschlägen basiert, die Herr Faulenbach da Costa, ein Flughafensachverständiger, dem Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle unterbreitet hatte. Bei dem Antrag handelt es sich unter anderem um Pistennutzungsstrategien, lärmoptimierte An- und Abflugverfahren, Prüfung von Möglichkeiten zur Durchführung von Rollbewegungen der Flugzeuge am Boden im Nachtzeitraum durch Flugzeugschlepp sowie Verbesserung der Lärmschutzwände zum Schutz vor Bodenlärm.”

Daraus resultiert vielleicht ein geänderter Anflugwinkel. Aber das wird derzeit noch in Frankfurt getestet.

Rosenthal: “Nach einer von der FLK geforderten Präzisierung der Maßnahmen wurde der Antrag in der Sitzung der Kommission am 7.12.2011 angenommen und ein Prüfauftrag ausgelöst. Zur fachkundigen Präsentation der Maßnahmen hatte die Stadt Leipzig den Flughafensachverständigen, Herrn Faulenbach da Costa, hinzugezogen. In einer Unterarbeitsgruppensitzung wurden am 2.2.2012 die Prüfaufträge an die jeweiligen Entscheidungsträger verteilt. In der Frühjahrssitzung der FLK am 23.3.2012 gab es einen ersten Sachstandsbericht über die Bearbeitung des Antrages der Stadt Leipzig. Die Deutsche Flugsicherung berichtete über die Auswirkungen bei Anhebung des Anflugwinkels. Am Flughafen Frankfurt/Main wird gegenwärtig ein Feldversuch zur Anhebung des Anflugwinkels durchgeführt, dessen Ergebnisse zunächst abzuwarten sind.”

Und es gibt sogar Ansätze, endlich ein paar lärmärmere Anflugrouten zu nutzen. Man staunt.

Rosenthal: “Um die Anwendungsquote des lärmärmeren CDA-Anflugverfahrens (kontinuierlicher Sinkflug) zu erhöhen, stellte die Deutsche Flugsicherung für jede Betriebsrichtung jeweils drei geänderte Flugvarianten sowohl für den Tag- als auch für den Nachtzeitraum vor. Die FLK empfahl in ihrer Sondersitzung am 11.7.2012 nach umfangreicher Prüfung und Abwägung der Betroffenheiten ein Paket von Flugrouten zur Anwendung. Der DFS wurde empfohlen, die CDA-Verfahren als Vorzugsvariante zuzuweisen. Da diese Flugrouten um Leipzig herumführen, ist mit einer Lärmminderung im Süden und Südosten von Leipzig zu rechnen.”

Heißt im Klartext aber auch: Für die wesentlich stärker betroffenen Regionen im Nordwesten und Westen bringen diese geänderten Flugrouten auch noch keine Entspannung. Das würde wohl tatsächlich erst passieren, wenn laute Flugzeuge nachts nicht mehr starten dürften. Doch der Flughafen Leipzig/Halle bringt es ja nicht einmal fertig – so wie die reinen Tagflughäfen Frankfurt, München und Hannover – die Startgebühren nach Lärmklassen zu staffeln.

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Es ist ein mühsamer Weg, den die Städte da gehen müssen, bis die Bürger überhaupt merken, dass auf ihre Gesundheit tatsächlich Rücksicht genommen wird. Aber ein Stück weiter, als es die Resolution des Hallenser Stadtrates suggeriert, ist man doch schon.

Rosenthal: “Die erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen des Antrages ist ein wesentliches Ziel der Stadt Leipzig zur umweltverträglicheren Abwicklung des Flugverkehrs, insbesondere auch zur Reduzierung des Nachtfluglärms. Dafür wird sich die Stadt Leipzig auch weiterhin in der FLK
einsetzen. Im Übrigen verweise ich auf die verschiedenen Antwortschreiben der Stadt Leipzig, etwa zu Ihren Einwohneranfragen Nr. V/EF 133 vom 05.03.2012 zur Ratsversammlung am 21.03.2012 und Nr. V/EF 185 vom 26.06.2012 zur Ratsversammlung am 18.07.2012 sowie auch die früheren Briefe zur Südabkurvung und zur Fluglärmproblematik.”

Die Resolution des Stadtrats von Halle: www.hallespektrum.de/nachrichten/umwelt-verkehr/stadtrat-beschliesst-einstimmig-resolution-gegen-fluglaerm/29583/

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