So lassen sich die immer wiederkehrenden Artikel über die Lärmproblematik am Flughafen Leipzig/Halle überschreiben. Doch ein genauerer Blick offenbart weiteres: Der zitierte Fachmann Faulenbach da Costa hat in seiner Studie zum hiesigen Flughafen ausgeführt, dass effektive Lärmreduktion durch Nutzung jeweils anderer der beiden Landebahnen nur erfolgen kann, wenn die Rollbrücken zur Verbindung der Flugbetriebsflächen in der Mitte liegen würden - dort wo heute die letzten bewohnten Reste von Kursdorf stehen. Also allenfalls eine theoretische Überlegung.

Die Auswahl der Bahnen hat in der Summe keine lärmreduzierende Auswirkung, die in irgendeiner Form spürbar für Anrainer ist. Vor allem tragen längere Rollwege bei nächtlicher Nutzung der Nordbahn erheblich für mehr Lärm im näheren Umfeld bei. Die Gleichverteilung wurde außerdem über den Gesamtzeitraum planfestgestellt, schließt also die Tageszeit mit ein und wird somit auch eingehalten.

Das verbesserte Anflugverfahren mit steilerem Landewinkel (CDA) ist auch nur ein Papiertiger, um weiter die tierischen Metaphern zu verwenden. Denn es kann derzeit nur nachts angewendet werden, nur bei singulären Anflügen ohne Slot und beinhaltet einen doppelt so langen direkten Anflug (20 statt 10 naut. Meilen), träfe in Leipzig/Halle nur für eine Handvoll Flüge aus den östlichen Nachbarländern zu. Für die meisten Flüge, wo es im geringen Umfang notwendig wäre, funktioniert es also praktisch gar nicht. Die flughafennahen Bereiche werden auch in gleicher Höhe überflogen, so dürften in Rackwitz keine Unterschiede zu hören sein.

Auch reduzieren sich die Anfluggeräusche kaum. Die entstehen durch Gegenwind und Verwirbelungen, weniger durch die Triebwerke. Dass die Südbahn nachts die lauteste Lärmquelle im Land sein soll, ist eine dimensionslose These. Anwohner der mitten durch Ortschaften verlaufenden Eisenbahnstrecke Karlsruhe – Basel werden da ganz anderer Meinung sein, wenn Güterzüge im Blockabstand direkt vor der Haustür verkehren. Die Landebahn ist unmittelbar, wo Fluggeräusche am lautesten sind, unbewohnt. Wichtiger wäre die Aussage, wo mit welchen Wirkungen Bewohner belastet sind.
Sinnvoll erscheint eher die in Frankfurt/Main begonnene Umsetzungsphase von nicht linear geführten Anflügen. Es wird dort mit besonderer Standortbestimmung und Navigation im “Zickzack-Kurs” so angeflogen, dass Siedlungsschwerpunkte umflogen werden. So etwas kennt man mit Gebirge und Hochhäusern vom früheren Airport in Hong Kong oder dem Anflug in Honduras, bedarf demnach besonderer Zulassungen und ist nicht ohne Risiko. Beim Start heißt es kurze Abkurvung und sorgt an anderen Stellen für Unmut.

Generell ist die Flugrouten-Debatte stets nach dem St. Florians-Prinzip ausgerichtet: bitteschön woanders lang. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass die direkten Verlängerungen beider Bahnen weitgehend siedlungsfrei oder -arm sind. Im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland ist das Umland von Leipzig (und auch Halle) sehr spärlich besiedelt. Der größte europäische Flughafen, London Heathrow, hat dort ein konsequentes System zur gleichmäßigen und damit gerechten Verteilung der Lärmteppiche gefunden: Auf einer Bahn wird nur gelandet, auf der anderen nur gestartet und alle 24 Stunden wird gewechselt.

Die Aussagen oder Vermutungen zur Betriebserlaubnis stimmen nicht ganz. Weil in den 90er Jahren die Anzahl der Flugbewegungen nachts im Vergleich zu heute niedrig ausfiel (Lufthansa betrieb einen Briefpost-Stern mit bis zu 14 Flugbewegungen und teilweise waren im sogenannten Night-Stop weitere 14 bis 16 Bewegungen im Charterverkehr zu verzeichnen) stellte kein Anrainer oder Politiker die damals existierende Betriebserlaubnis in Frage. Diese betrug immer ohne jegliche Einschränkungen einen 24h-Betrieb. Noch lange in den 90ern waren noch mit sehr lauten Mustern wie TU-154 der Balkan, der späteren Bularia Air Charter und Air Via, nachts echte Krachmacher unterwegs. Diese Grundlage kam im Wettbewerb um die Ansiedlung des DHL-Hubs zur Geltung, die kritisierte Freizügigkeit entstammt dem Bestand. Erst später wurde per Gericht der Passagierverkehr nachts verboten, das betroffene Flugangebot entfiel weitestgehend ersatzlos.

Die heute immer wieder genannten russischen Flugzeugmuster, die genau genommen aus der Ukraine stammen, sind inzwischen aus dem Flugplan verschwunden. Lediglich eine einzige Strecke, die nach Ostrau, wird noch mit AN-26 betrieben. Auch die großen Jets haben sich verändert. Immer öfter werden Fernstrecken mit Boeing 777 bedient (von AeroLogic und anderen wie Southern Air), die deutlich leiser als MD11 oder Boeing 747 sind, demnächst soll auch die erste ebenso leise Boeing 747-800 zum Einsatz kommen, die DHL-Partner-Fluggsellschaft Polar hat Exemplare bestellt. Southern Air als einer der Carrier im Boeing 747-Verkehr hat vor erst wenigen Tagen weitere laute Versionen in Mojave verschrottet. DHL tauscht selbst ebenfalls im Rahmen des Verjüngungsprogramms die Airbus A-300 aus.
Die im Kommentar erwähnte Bilanz sieht bei genauerem Hinsehen auch anders aus: Operative, also mit den Einnahmen aus dem Flugverkehr, werden schwarze Zahlen geschrieben. Dass getätigte Investitionen abgeschrieben werden müssen und weitere anstehen, ist davon unabhängig zu bewerten. Außerdem kann eine Bilanz durch Rückstellungen oder Sondereffekte auch andere Gesamtergebnisse bringen. Ob das Leistungsergebnis nun den zweiten Platz im Lande erlangt oder den x-ten weltweit (inzwischen in den Top 30) ist reichlich egal. Dass dies gern kolportiert wird, liegt eher im übersimplifizierten Talent der Politik sich zu erklären. Brüssel als früherer hat ganz andere Schwerpunkte in der Geschäftspolitik abzuhandeln, ist weiterhin einer der ganz großen Frachtdrehkreuze, weil es weitaus mehr gibt, als einen Carrier. Leipzig/Halle kann dieses “Grundrauschen” ohne interkontinentalen Linienverkehr nicht abbilden.

Dieser Umstand trennt auch die Auswirkungen der neuen Nachtbeschränkungen für Frankfurt/Main von gedanklichen bzw. geforderten für Leipzig/Halle. In Frankfurt fliegen wesentlich mehr Direktflüge aus Übersee und Fernost mit Fracht ein, hinzu kommt das immense Potenzial an Beiladung im Passagiergeschäft. Diese Fernstrecken sind nicht zwingend nachtgebunden. In Leipzig werden die Fernflüge auch weitgehend außerhalb der Nachtzeit abgewickelt (v.a. nachmittags), nachts fliegt ein Europa-Drehkreuz, welches logistisch ganz andere Parameter hat. Schon deshalb bleiben beschworene Verlagerungseffekte aus Frankfurt aus.

Insgesamt mutet die Debatte wie ein Stellungskampf nach Hornberger Muster an. Alle rufen fleißig Piff und Paff, keiner traut sich, belastbare echte Argumente auf den Tisch zu legen. Stattdessen schwingen Vorwurf und Unverständnis oder Starrsinn mit. Schade, weil bisher Erreichtes unbemerkt bleibt und Besserung nicht in Sicht ist. Auch die L-IZ kann gründlicher und umfassender informieren, bisher klingen die Beiträge ungewohnt tendenziös.

Zum Artikel vom 12. November 2012 auf L-IZ.de
Warum die Fluglärmkommission wohl niemals etwas gegen Fluglärm unternehmen wird

Carsten Schulze im Netz (Leipziger Nahverkehr)
www.l-nv.de

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