Vor 14 Jahren trat das vom Sächsischen Landtag beschlossene Stadt-Umland-Gesetz in Kraft. Ob es ein gutes Gesetz ist, weiß eigentlich niemand. In Sachsen legt man nicht wirklich Wert darauf, die Folgen von Gesetzen zu evaluieren. Und so lernt man auch nichts daraus. Auch in Leipzig wird seitdem immer wieder über Eingemeindungen diskutiert. Auch Oberbürgermeister Burkhard Jung spricht das Thema gern mal an. Seit der Eingemeindungswelle 1999/2000 liegt es in der Luft.
1999 wurden allein 22 Dörfer und Gemeinden vor den Toren Leipzigs eingemeindet, im Jahr 2000 folgten noch Burghausen und Rückmarsdorf. Die Leipziger Einwohnerzahl stieg in diesem Handstreich um rund 56.000. Eine Zahl, die man eigentlich von der aktuellen amtlichen Einwohnerzahl immer abziehen müsste, wenn man das Bevölkerungswachstum der Stadt wirklich mit der Entwicklung ab 1989 vergleichbar machen will.
Aber bei Eingemeindungen geht es ja nicht nur um Bevölkerung. Es geht auch um übergreifende Konzepte, Synergieeffekte und Land – bebaubares Land. Denn Leipzig hat mittlerweile auch ein Problem, neue Gewerbeansiedlungsflächen zu finden. Wenn es ein Problem ist und eben nicht nur Folge falschen Denkens und falscher Entwicklungen.
“Wir halten statt imperialer Wunschträume eine sorgfältige Analyse der bisherigen Eingemeindungen und ihrer Ergebnisse für erforderlich”, betont Dr. Ilse Lauter, Stadträtin der Linksfraktion, die jetzt einen Antrag zur Evaluation der Eingemeindungen eingebracht hat. “Die Eingemeindungen sollten seinerzeit unter anderem zu mehr Effizienz und Qualität der Verwaltungsarbeit und einer besseren Bürgerbeteiligung führen. Deshalb sind die praktischen Ergebnisse der Gemeindegebietsreform an diesen Reformzielen und Eingemeindungsverträgen zu messen, um daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.”
Dass Leipzig mit den Eingemeindungen von 1999/2000 nicht wirklich aktiv umgegangen ist, belegen mehrere Streitfälle, die bis heute anhalten. Das betraf teilweise die Schulen in den eingemeindeten Ortsteilen, das betrifft aber auch die Aufwertung der Leipziger Stadtbezirksbeiräte auf das Niveau der Ortschaftsräte in den eingemeinden Ortsteilen. Das betrifft aber selbst Stadtentwicklungskonzepte – über zehn Jahre lang kam das Löwencenter in Rückmarsdorf im STEP Zentren der Stadt gar nicht vor, obwohl man es eingemeindet hatte.Die Linksfraktion fordert jetzt eine ehrliche Analyse dieser Eingemeindungen: “Der OBM legt dem Stadtrat bis zum 31.3.2013 eine Analyse der Ergebnisse der Umsetzung der auf der Grundlage der freiwilligen und gesetzlichen Festlegungen erfolgten Eingemeindungen in die Stadt Leipzig und daraus resultierende Schlussfolgerungen vor.”
Schwerpunkte der Analyse sollen unter anderem die Verbesserung der Effektivität, Effizienz und Qualität der Verwaltungsarbeit sein, die Ortschafts- und Stadtbezirksverfassung, die Bürgerorientierung der Verwaltung, die Erhöhung der Planungs- und Steuerungsfähigkeit, die Stärkung der Finanz und Wirtschaftskraft, die Regionale Zusammenarbeit und Lage in den Zweckverbänden, Bürgerbeteiligung und Bürgerfreundlichkeit und die Erfüllung der Eingemeindungsverträge.
Die Bürgermeister der immer wieder genannten “Eingemeindungskandidaten” im Leipziger Umland haben mehrfach deutlich gemacht, dass sie von einer Eingemeindung nach Leipzig nichts halten. Tauchas Bürgermeister Dr. Holger Schirmbeck sprach etwas an, was mit dem Stadt-Umland-Gesetz unter die Räder zu geraten droht und was er als Vorteil überschaubarer Gemeindeeinheiten sieht: ihre Flexibilität.
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Das kann von Nachteil sein, wenn jeder gegen jeden agiert – beim Bau neuer Einkaufscenter etwa oder von Wohnparks. Das kann aber auch eine Stärke sein, wenn alle an einem Strang ziehen – wie in der Regionalplanung oder künftig (wenn’s denn klappt) in der gemeinsamen Wirtschaftsförderung. Aber egal, wie man agiert: Man muss wissen, warum man es tut und welche Vorteile es den Betroffenen bringt. So lange solche Vorteile nicht benennbar und bezifferbar sind, machen Eingemeindungen keinen Sinn. Auch dann nicht, wenn der Freistaat den Druck zu weiteren Gemeindezusammenschlüssen aufrecht erhält. Die meisten Betroffenen machen dabei die ernüchternde Erfahrung, dass auf einmal wichtige Infrastrukturen gleich mit zentralisiert werden und der Kontakt zur Verwaltung völlig abreißt. Nicht nur Behördenwege werden länger – auch politische Partizipation wird schwerer.
Was dann tatsächlich heißt: Erst die Analyse, dann die Vision. Und ob die Analyse ein weiteres Flächenwachstum der Stadt sinnvoll erscheinen lässt, ist völlig offen.
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