Wenn es um Lärm geht, sind die Bürger der Region Leipzig weitgehend allein gelassen. Ob das nun den Fluglärm überm Stadtgebiet betrifft oder den Lärm von Rockfestivals. Seit ein paar Tagen kämpft Olaf Maruhn, Einwohner von Dreiskau-Muckern in der Nähe des Störmthaler Sees, darum, Auskünfte über immissionsrechtliche Auflagen für das dreitägige "Highfield"-Festival zu bekommen.

Das findet vom 16. bis 18. August am Störmhaler See statt, in diesem August zum dritten Mal. Mit entsprechenden Folgen und für viele Anwohner mit entsprechender Lärmbelastung. Da müsse es doch Auflagen geben, fand Maruhn. Und wandte sich ans zuständige Landratsamt des Landkreises Leipzig.

Aber auch die Leipziger kennen das Thema ja: Wenn es um konkrete Lärmbelastungen geht, gerät man in der Regel in ein Dickicht schwammiger Vorschriften und auslegbarer Grenzwerte. Für unterschiedliche Lärmquellen gelten unterschiedliche Regelungen – die meisten nicht mehr als Richtlinien.
Für einige Lärmquellen, wie für Sportstätten, gibt es zumindest recht klare Richtwerte. Die müssten ja auch – so Maruhn – in noch etwas schärferer Form für Feste und Festivals gelten. Gerade dann, wenn ein ganzes Gebiet drei Tage lang von mehreren Bühnen mit Rockmusik beschallt wird.

Zwei Mal mahnte er beim zuständigen Landratsamt die Einsicht in entsprechende immissionsrechtliche Auflagen für das “Highfield”-Festival an. Am Dienstag, 14. August, teilte ihm dann die zuständige Sachgebietsleiterin Birgit Kurnot mit: “Wir möchten Ihnen dazu mitteilen, dass die Veranstaltung keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegt und deshalb auch keine Einsicht in eine solche im Landratsamt möglich ist.

Durch die Gemeinde Großpösna wurde ein Ingenieurbüro beauftragt, welches die Immissionswerte an den maßgeblichen Immissionsorten im Rahmen eines Gutachtens prognostiziert hat und deren Umsetzung messtechnisch begleitet.

Das Umweltamt wird dennoch eine stichpunktartige messtechnische Überprüfung an den maßgeblichen Immissionsorten durchführen. Eine konkrete Abstimmung dazu wird noch erfolgen.”
Kann doch nicht sein, meinte Olaf Maruhn. Die Gemeinde Großpösna ist doch gar nicht zuständig. Hier steht das Landratsamt in der Pflicht.

Also erwiderte er in seiner Antwort-Mail: “Ein Rockfestival, das über mehrere Tage nonstop 24 Stunden täglich im Außenbereich/Tagebau stattfindet, bedarf einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gem. der Freizeitlärmrichtlinie, deren Werte sich an der 18. BImSchVO orientieren, bei Freizeitlärm jedoch ‘schärfere Anforderungen’ stellt.

www.umwelt.sachsen.de/umwelt/3933.htm

Diese erforderliche Genehmigung liegt offensichtlich nicht vor.

Ihrem Schreiben ist auch nicht zu entnehmen, welche die ‘maßgeblichen’ Immissionspunkte sein sollen. Ich bitte nochmals um Einsicht in die entsprechenden Unterlagen.”

Das “Highfield” ist ja eben kein schlichtes Dorffest, das auf der Flur von Großpösna stattfindet. Aber irgendwie sah das schon so aus, dass sich da die Verantwortlichen die Bälle zuspielten, keiner aber wirklich die Verantwortung für die zu erwartende Lärmbelästung übernehmen will. Umweltbehörden in Deutschland zitieren in den letzten Jahren gern den alten Wilhelm-Busch-Spruch ” Musik wird störend oft empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden”. Aber den schrieb er zu einer Zeit, als Musik noch nicht elektronisch verstärkt wurde und kein Mensch auf die Idee gekommen wäre, ein ganzes Strandgelände drei Tage lang mit großen Lautsprechern zu beschallen. Das Augenzwinkern haben die meisten Behörden bis heute sowieso nicht wirklich begriffen.

Und in Borna sah man am Mittwoch, 15. August, auch gar nicht ein, warum man mehr tun sollte, als man selbst aus den Vorschriften herauslas.

Birgit Kurnot antwortete auf Maruhns Nachfrage kurz und knapp: “Wir teilen Ihnen hiermit abschließend mit, dass die Veranstaltung keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, auch nicht nach Freizeitlärm-Richtlinie.”

Ist doch immer wieder schön, wenn Ämter den Bürgern mitteilen, dass sie ihre Sorgen in keinster Weise interessieren und niemand wirklich zuständig ist. Auch nicht nach der Freizeitlärm-Richtlinie. Als wenn da nur ein paar Jugendliche hin und wieder Party machen am See.

Noch am Mittwoch setzte sich Olaf Maruhnhin und schrieb eine etwas deutlichere Beschwerde-Mail an die beiden sächsischen Minister, von denen er annimmt, das Thema könnte in ihr Ressort fallen: den Umweltminister Frank Kupfer und den Innenminister Markus Ulbig (beide CDU).

Der Brief in voller Länge

“Sehr geehrter Herr Kupfer,
sehr geehrter Herr Ulbig,

wie Sie nachstehendem Mail-Verkehr entnehmen können, weigert sich das LRA Landkreis Leipzig, als zuständige immissionschutzrechtliche Behörde tätig zu werden. Die Gemeinde Großpösna ist keine immissionsschutzrechtlich zuständige Behörde.

Im Sanierungstagebau Espenhain, dem zukünftigen Störmthaler See findet in der Zeit vom 16.-19.08.2012 ein Rockfestival statt. Ein ‘Event’ unserer Spaßgesellschaft, das außer den hiesigen Provinzpolitkern von den betroffenen Anwohnern deutlich mehrheitlich keiner will. Eine Veranstaltung, die von den Veranstaltern selbst als gesundheitsgefährdend eingestuft wird. Es wird das Tragen von Gehörschutz empfohlen. Dieses Spektakel findet unmittelbar am Ortsteil Dreiskau-Muckern der Gemeinde Großpösna statt. Somit sind die Anwohner hiervon unmittelbar betroffen.

Jetzt könnte rechtskonform argumentiert werden, daß die Anwendung der Freizeitstätten-Richtlinie in der Tat nicht angezeigt ist. Stellt sich jedoch die Frage, warum diese nicht angewandt wird und welche Folgen das hat. Der einzige Grund, die Richtlinie nicht anzuwenden, ist in der Tatsache begründet, daß die Veranstaltung in einem Tagebau stattfindet. In diesem gilt sowohl das BImSchG als auch die TA Lärm nicht, wie Sie wissen. Dann kann die Freizeitstätten-Richtlinie natürlich nicht gelten. Denn für die Geltung dieser Richtlinie ist die Geltung des BImSchG Voraussetzung. Deren Anwendung ist jedoch zwingende Voraussetzung für die Durchführung der Veranstaltung. Umweltschutzgesetze sind Verbotsgesetze mit Erlaubnisvorbehalt. Was nicht erlaubt ist, ist verboten.

Man könnte ja auch mit den Betroffenen reden. Das wird jedoch ausdrücklich nicht getan. Verständlich vor dem Hintergrund, daß die Menschen nach zum Teil jahrzehntelangen Lärm und Dreck mehrheitlich sanften Tourismus wollen. Für das fast devastierte Expo-Dorf Dreiskau-Muckern war dieser sanfte Tourismus Geschäftsgrundlage zur Wiederbesiedelung.

Umweltschutzgesetze werden allerdings am sogenannten Störmthaler See scheinbar systematisch ignoriert. Wie Sie der beigefügten Mail entnehmen können, wird durch das LRA Landkreis Leipzig seit 2007 der Betrieb einer illegalen Motocross-Strecke geduldet. Auch hierfür wäre das LRA Landkreis Leipzig die immissionsschutzrechtlich zuständige Behörde. Eine erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde nie beantragt und demzufolge auch nie erteilt. Trotz ständiger Nachfragen seit mehreren Jahren bleibt das LRA Landkreis Leipzig untätig.

Weiterhin wird am sogenannten Störmthaler See der Betrieb von Amphibienfahrzeugen per Sondergenehmigung gem. § 46 a SächsWG gestattet. Der Störmthaler See ist Sanierungstagebau und noch nicht ‘freigegeben’. Also aus dem Bergrecht entlassen. Darüber hinaus ist das Befahren von Gewässern mit Amphibienfahrzeugen gem. § 7 III SächsSchiffVO grundsätzlich verboten. Kann zwar gestattet werden. Aber eben auf Grundlage des § 7 III SächsSchiffVO i.V.m. § 36 SächsWG. Was wiederum eine geltende Schiffbarkeit voraussetzt, die in einem Sanierungstagenbau weder angezeigt, noch gar erlaubt ist.

www.recht.sachsen.de/Details.do?sid=2513415229359&jlink=ef&jabs=1

www.recht.sachsen.de/Details.do?sid=5174115091915&jlink=p36&jabs=52

www.recht.sachsen.de/Details.do?sid=2513415229359&jlink=p7&jabs=9

An Hand dieser kursorischen Darstellung muß davon ausgegangen werden, daß das LRA Landkreis Leipzig seine immissionschutzrechtlichen Verpflichtungen systematisch negiert. Von einem Ausrutscher kann hier nicht mehr gesprochen werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, daß es mehrfach Anregung gab, die Zustände abzustellen. Das LRA Landkreis Leipzig reagiert jedoch nicht. Bleibt untätig.

Ich habe Sie von diesen Zuständen in Kenntnis gesetzt. Was natürlich ein Tätigwerden nach sich ziehen sollte. So, wie der Freistaat Sachsen gnadenlos bei einem der wenigen sinnvollen Projekte am Störmthaler See, dem Weinberg, tätig geworden ist. Es sollte doch eher nicht der Eindruck entstehen, daß im Freistaat Sachsen die Geltung des Gesetzes nach Gutdünken erfolgt.”

Zum Artikel vom 15. August 2012 auf L-IZ.de
Krach am Störmthaler See: Gibt es fürs “Highfield” überhaupt eine immissionsrechtliche Genehmigung?

“In Ihrem Bericht ‘Krach am Störmthaler See’ stellen Sie in der Überschrift die Frage: ‘Gibt es fürs Highfield überhaupt eine immissionsrechtliche Genehmigung?’ Diese möchte ich Ihnen hiermit beantworten: Das Highfield-Festival unterliegt keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht, auch nicht nach Freizeitlärm-Richtlinie.

Durch die Gemeinde Großpösna wurde ein Ingenieurbüro beauftragt, welches die Immissionswerte an den maßgeblichen Immissionsorten im Rahmen eines Gutachtens prognostiziert hat und deren Umsetzung messtechnisch begleitet. Das Umweltamt wird beim Festival ebenfalls stichpunktartig an den maßgeblichen Immissionsorten (unter anderem in Dreiskau-Muckern) die Lärmbelastung überprüfen. Dies geschah auch in den Vorjahren. Bislang wurden keine Überschreitungen festgestellt.”

www.landkreisleipzig.de

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