Im Juli warnte der NuKla e.V. medienwirksam vor der Novellierung des sächsischen Wassergesetzes. Im zuständigen Sächsischen Umweltministerium, das mit dem Gesetz die Schiffbarkeit für Seen im Leipziger Neuseenland ermöglichen will, brauchte man ein Weilchen, um darauf zu reagieren. Aber dann erklärte der Pressesprecher des Ministeriums, Frank Meyer, recht ausführlich, warum eigentlich wieder gar nichts zu befürchten ist.
Aber nicht nur der NuKla e.V. ist seit Monaten alarmiert, denn auch die Vorgänge um den Floßgraben haben 2011 deutlich gezeigt, dass einige Entscheidungsträger in Sachsen nicht wirklich bereit sind, den Betrieb von Motorbooten in den Auwäldern und auf den Bergbaufolgeseen dauerhaft auszuschließen. Das Stichwort heißt “Schiffbarkeit”. Ist die erklärt, dürfen motorbetriebene Boote fahren. Im Mai startete der NuKla e.V. deshalb auch eine Petition, die sich gegen die Freigabe der Motorbootsschifffahrt im Auwald wendet. Bis heute haben schon über 3.300 Personen unterzeichnet. Die Petition läuft noch bis zum 29. November.
In einem Brief direkt an Tommy Penk von den Markkleeberger Grünen, die die Petition unterstützen, und Wolfgang E. A. Stoiber, Vorsitzender des NuKla e.V., erklärte Frank Meyer nun, dass “kein Grund zur Sorge” bestünde. “Die Schiffbarkeit, insbesondere für motorangetriebene Sportboote, ist im Wassergesetz nicht so abschließend geregelt, wie es ein flüchtiger Blick in die ‘Anlage 2 Nr. 2’ vermuten lässt.
Es ist wie so oft bei Gesetzen, sie sind von Juristen verfasst. Nicht-Juristen – dazu gehöre auch ich – müssen sie mitunter sehr genau lesen, um alle Details und vor allem deren Auswirkungen richtig zu verstehen.
Hier im Fall des Wassergesetzes ist es so, dass die konkreten Gewässer vorsorglich in der Anlage zum Gesetz aufgeführt sind. Tatsächlich schiffbar werden sie aber erst nach ihrer Fertigstellung. Diese ‘Fertigstellung’ wird, wenn es soweit ist, von der zuständigen Wasserbehörde festgestellt. ERST DANN werden weitere Regelungen getroffen. Zum Beispiel, ob bestimmte Bereiche (Gewässerteile) dauerhaft für Wasserfahrzeuge tabu bleiben. Solche Einschränkungen können dann für alle Wasserfahrzeuge gelten oder auch für bestimmte Arten von Wasserfahrzeugen, zum Beispiel Motorboote.”
Juristendeutsch hin oder her: Auch Meyer bestätigt, dass mit der gesetzlichen Verankerung der Schiffbarkeit erst einmal die volle Berechtigung für Motorbootkapitäne besteht, dort zu fahren. Um den Motorbootbetrieb dann wieder einschränken zu können, müssen extra Verordnungen erlassen werden.
So sieht es auch Meyer: “Auch später, nach dieser Erklärung der Schiffbarkeit mit den beschriebenen detaillierten Regelungen sind noch Änderungen dieser Regelungen möglich. Dazu gehören auch weitere Einschränkungen, die dem Schutz der Natur dienen.”
Und während für alle Gewässer in Sachsen, für die die Schiffbarkeit nicht per Gesetz erklärt ist, gilt, dass dort Motorboote überhaupt nicht fahren dürfen, dreht die neue Gesetzesvorlage das für den Leipziger Südraum einfach um.Frank Meyer: “Das Gesetz schafft für alle diese Details den rechtlichen Rahmen. Wer dann wo und mit welchem Fahrzeug fahren darf, wird auf Grundlage dieses Gesetzes später geregelt.
Das erschließt sich auch einem Nicht-Juristen, wenn er den Paragraph 17 des Gesetzes liest. Dieser Paragraph erklärt, welche Bedeutung die ‘Anlage 2 Nr. 2’ des Gesetzes hat, die offensichtlich Grund für Ihre Sorge ist.
Meines Erachtens ist es auch richtig und geboten, solche Details außerhalb des Gesetzes zu regeln und die zuständigen Behörden dazu im Gesetz zu ermächtigen. Stellen Sie sich vor, irgendwann wäre es aus Naturschutzgründen erforderlich, einen bestimmten Bereich des Markkleeberger Sees zu sperren, zum Beispiel wenn dort seltene Vögel brüten. Eine Rechtsverordnung können die Behörden recht schnell erlassen. Bis Sie ein ganzes Gesetz geändert haben, sind die Vögel aber schon lange weggeflogen und haben ihre Eier unausgebrütet zurückgelassen.”
Und er schreibt an Penk und Stoiber einen Satz, der Naturschützer im Raum Leipzig mittlerweile in Panik versetzen dürfte: “Insofern ist der richtige Zeitpunkt, sich in die Diskussion um die Details der Schiffbarkeit einzubringen nicht jetzt, sondern erst dann, wenn diese Details dann tatsächlich geregelt werden sollen.”
Dumm nur, dass Behörden genau dann, wenn es so weit ist, gern sagen, die Beteiligungsverfahren seien doch längst abgeschlossen. Jetzt könne man nichts mehr ändern. Oder nur schwer.
“Wir freuen uns sehr, dass Sie sich aktiv an der Diskussion um das neue Sächsische Wassergesetz beteiligen. Ich hoffe, dass meine Informationen Ihnen dabei hilfreich sind”, schrieb Frank Meyer noch.
Aber so schwierig liest sich das Juristendeutsch denn doch nicht für Leipziger, die seit Jahren mit juristischen Finessen zu tun haben, wenn es um Schutz – oder Nicht-Schutz – von Naturgütern und Gesundheit geht.
Entsprechend deutlich und lang ist Stoibers Antwort an Meyer. Darin heißt es unter anderem:”Die Gesetzesbegründung verweist ausdrücklich auf eine angestrebte Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung. D.h., ohne Prüf- und Planungsverfahren soll das Befahren mit Motorbooten auf jungen, ökologisch instabilen Gewässer in unbegrenzter Zahl ermöglicht werden. Selbst wenn dann ausschließlich nur Motorboote mit Elektroantrieb zugelassen werden würden, was Einschränkungen von Seiten der Behörden sowie deren Kontrolle voraussetzen müsste, schlägt – wie man weiß – zunehmende Quantität irgendwann in eine neue, hier schlechtere Qualität um.
Sie schreiben davon, dass ja alle Möglichkeiten bestünden, auf Grundlage des geänderten Gesetzes Begrenzungen einzuführen: Im Nachgang der umfassenden Öffnung wieder einzelne Türchen mühsam und aufwendig mit Einschränkungen zu schließen, ist ja wohl von Seiten der Landesregierung nicht das Ziel, da mit der Gesetzesänderung ausdrücklich dereguliert werden soll! So schwierig ist die juristische Sprache nun auch wieder nicht, dass dem interessierten Laien dieser Widerspruch nicht ins Gesicht springen würde!: Ein Gesetz kann nur die Verwaltung vereinfachend und deregulierend wirken, wenn der darin erklärte Status quo dem intendierten Ziel entspricht!”
Und er hält Meyer auch die Rote Karte hin. Denn der Freistaat duldet auch jetzt schon im Leipziger Südraum Gesetzesverstöße.
Stoiber: “Wir verweisen als weiteres Beispiel auf den Störmthaler See. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, ist das der See, an dem das SMUL zu Recht unter Verweis auf die Rechtslage die Rodung des durch die Gemeinde rechtswidrig angelegten Weinberges verfügt hat. Der See ist derzeit noch Sanierungstagebau und nicht freigegeben, wird aber befahren von einem Kriegsschiff aus dem 2. Weltkrieg und weiteren Amphibienfahrzeugen (s. Anlagen 3 und 4)! Selbst nach der derzeit geltenden SchiffVO ist eine derartige Nutzung untersagt: Wieso schreitet das SMUL hier nicht schon längst mindestens ebenso konsequent ein, wie soll der gemeine Bürger das bewerten?”
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Und es geht eben nicht nur um die Tagebauseen selbst. Touristisch macht die ganze Vermarktung des Neuseenlandes nur Sinn, wenn die Gewässer miteinander verbunden sind. Doch, so Stoiber in einer Pressemitteilung: “Eine Verbindung zwischen den einzelnen Tagebaurestseen ist nur über den Leipziger Auwald möglich. Das heißt, mit der Schiffbarkeitserklärung für die Tagebaurestseen würde der Leipziger Auwald zum Transfergewässer werden müssen, was derzeit auf Grund der zu geringen Wassertiefe nicht möglich ist. Somit müssten sämtliche Auwaldgewässer für diesen Motorbootverkehr ‘angepasst’ werden. Es würden Begradigungen, Vertiefungen, Kanalisierung erfolgen müssen. Der Leipziger Auwald, für dessen teilweise Renaturierung soeben 6,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden, würde seines europaweit einmaligen Charakters beraubt. Auf längere Sicht würden sämtliche Bemühungen seit der ‘Wende’, den Leipziger Auwald wieder zu renaturieren, zunichte gemacht. Dies belegen entsprechende Studien. Die Zerstörung des Leipziger Auwaldes in seiner jetzigen, von allen angeblich gewollten Form, wäre durch nichts gerechtfertigt. Eine erfolgreiche und sinnvolle touristische Nutzung lässt sich auch anders erreichen. Ein entsprechendes Gutachten von Herrn Prof. Oldiges liefert hierfür eine Arbeitsgrundlage, auch für die gleichfalls heftig umstrittenen Fragen zu Sicherheit und Ordnung.”
Der Brief Wolfgang E. A. Stoibers an Frank Meyer als PDF zum download.
Die Petition gegen die Motorschifffahrt im Leipziger Auenwald: www.openpetition.de/petition/online/leipziger-auwaldschutz-jetzt
Ergänzung 15. August 2012: Stefan Barton, Pressesprecher der Landesdirektion Leipzig, weist arauf hin, dass es für das auf dem Störmthaler See betriebene Amphipienfahrzeug aus dem 2. Weltkrieg sehr wohl eine Genehmigung gibt, auf dem Störmthaler See zu verkehren. Erteilt wurde sie – wie ähnliche Genehmigungen für andere Wasserfahrzeuge im Leipziger Neuseenland auch – nach §46 a des Sächsischen Wassergesetzes.
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