Am 3. und 4. Juli hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über den Planfeststellungsbeschluss "Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld" verhandelt. Am 31. Juli will er sein Urteil verkünden. Und das könnte nicht nur für den Flughafen Berlin-Schönefeld Folgen haben, sondern auch für den Leipziger. Denn in Berlin wird deutlich, dass die Gesetzgebung den betroffenen Bürger eklatant ausschließen, wenn es um Entscheidungen über künftigen Fluglärm geht.

“In der mündlichen Verhandlung am 3. und 4. Juli 2012 ist nochmals deutlich geworden, dass die verfahrensrechtliche Gestaltung der Festlegung von Flugrouten in Deutschland schwerwiegende rechtsstaatliche Probleme aufwirft. Eine Beteiligung der betroffenen Bürger und Gemeinden findet nur im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens statt, wobei der Planung konkrete Korridore mit Flugrouten und konkrete Festlegungen zu Flugzeiten und Tonnagen (Thema Nachtlärm) zu Grunde gelegt werden”, stellt der Leipziger Rechtsanwalt Wolfram Günther fest. “Auf diese bezieht sich etwa auch eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung. Jedoch ist die Bestimmung der Flugrouten im Planfeststellungsbeschluss nicht verbindlich. Nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens werden dann die tatsächlichen Flugrouten in einem gesonderten Verfahren festgelegt, ohne Beteiligungsmöglichkeit Betroffener und ohne Umweltverträglichkeitsprüfung.”

Genau so haben es die Anwohner des Flughafens Leipzig-Halle nach Fertigstellung der Landebahn Süd erlebt. Keine der im Planfeststellungsbeschluss angedeuteten Flugbahnen war verbindlich. Keines der Versprechen von Flughafen, Landesbehörden oder Kommunalverwaltungen gegebenen Versprechen, die größeren Wohngebiete würden umflogen, wurde gehalten. Selbst das generös als “überdimensioniert” verkaufte Nachtschutzgebiet berücksichtigt keine der zusätzlich von der Deutschen Flugsicherungen aus dem Hut gezauberten “kurzen Abflugrouten”.”Wie nun erneut am Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld zu beobachten, ist es keine Ausnahme, sondern offenbar gefestigte Strategie von Flughafengesellschaften und Deutscher Flugsicherung als zuständiger Behörde, die genannten Spielräume zu nutzen, um vorhersehbare Konflikte im Zusammenhang mit Fluglärm im Planfeststellungsverfahren bewusst zu verschleiern”, stellt Günther fest. “Den später tatsächlich von Fluglärm betroffenen Bürgern (und altruistisch betroffenen Umweltverbänden für Naturräume) wird im Planfeststellungsverfahren bewusst wahrheitswidrig suggeriert, nicht betroffenen zu sein. Damit wird verhindert, dass die Betroffenen sich als solche fühlen, mit den ihnen verfügbaren Mitteln zielführend in die Planung einbringen und gegebenenfalls gegen diese wehren. Wenn dann keine Rechtsschutzmöglichkeiten mehr gegen den Planfeststellungsbeschluss bestehen, werden die tatsächlich geplanten Flugrouten festgelegt.”

Die Kanzlei von Wolfram Günther hat dem Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch, 18. Juli, eine ganze Chronologie zusammen mit entsprechenden Beweisanlagen zur Festlegung der Flugrouten im Zusammenhang mit dem Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle zugeleitet. Hier kann, wer will, nachlesen, wie die Deutsche Flugsicherung im Vorfeld der Bauentscheidung sogar medial falsche Fährten legte und den Anwohnern suggerierte, die Stadtgebiete würden umflogen. Und selbst bei einer gedachten Südabkurvung würde man nur Flugzeuge bis maximal 30 Tonnen fliegen lassen. Selbst EU-Fördergelder wurden mit einer falschen Begründung beantragt – die neue Flugbahn “verhindere in Zukunft, dass die dicht besiedelten Gebiete im Norden von Leipzig und im Norden von Halle überflogen werden”.

Das Gegenteil ist der Fall: Mit der neuen Start- und Landebahn und der Etablierung des nächtlichen Frachtflugbetriebes ist das Überfliegen städtischen Gebietes zum Normalzustand geworden.In einer schriftlichen Antwort auf eine Bürgeranfrage erklärte der Leipziger Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal am 13. Juli, dass der Stadt Leipzig selbst der Klageweg gegen den Flughafen Leipzig/Halle verwehrt sei. Es vergeht kaum noch eine Stadtratssitzung, auf der die Verwaltung nicht mit immer neuen Bürgeranfragen konfrontiert wird. Das Problem der Betroffenen: Ihre eigenen Klagen wurden in der Vergangenheit immer wieder von Gerichten abgeschmettert, weil diese nie die Einschränkung der bürgerlichen Einspruchsrechte als gegeben sahen.

So erleben die Betroffenen, die sich noch im Planfeststellungsverfahren als gar nicht betroffen wähnten, ein Leben wie der Hase: Der Igel ist immer schon da und erklärt, dass alles rechtens sei.

Die Antwort von Heiko Rosenthal: http://notes.leipzig.de

Eine zweite Antwort von Heiko Rosenthal vom 18. Juli: http://notes.leipzig.de

Die Auflistung von RA Wolfram Günther als PDF zum download.

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