Wäre der Weiterbau des Saale-Elster-Kanals ein wirtschaftlich tragfähiges Projekt - es hätte sich längst ein privater Investor gefunden, der es umsetzt. Im Februar beim 4. Seenland-Kongress wurde eine so genannte "Potenzialanalyse" vorgelegt, die suggerierte, dass das Kanalprojekt bei entsprechendem Touristenaufkommen tragfähig wäre. Eine Analyse, die den Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) nicht die Bohne überzeugt.

Mit unvermindert großer Skepsis betrachtet der die Überlegungen zu einem Weiterbau des Saale-Elster-Kanals bis zur Saale bei Kreypau. “Die Frage stellt sich schon nach dem Sinn des Vorhabens, welches auf einer Länge von 12 Kilometer ab Hafen Leipzig-Lindenau in den Jahren 1933 bis 1943 gebaut wurde und insgesamt 20 km betragen soll”, erklärt dazu der AHA-Vorsitzende Andreas Liste. “Einst für 1.000-Tonnen-Schiffe konzipiert, wäre das Vorhaben womöglich zuerst ein teures, steuerfinanziertes Vorhaben, wobei schon auf der Saale zwischen Halle-Trotha und der Elbe kein derartiges Wasserfahrzeug fährt.”

Auch die Gefahr des weiteren Ausbaus der Saale zwischen Merseburg und Halle nähme erheblich zu. Das hätte massive Eingriffe in weitgehend unverbaute und somit arten- und strukturreiche Abschnitte der Saale in diesem Bereich zur Folge.

Auch wären massive bauliche Maßnahmen an dem 8 Kilometer langen nicht gebauten Teil erforderlich, der 1943 zum Erliegen kam, weil die durch den Arbeitsdienst zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte damals nicht mehr zur Verfügung standen. Das wird in heutigen Diskussionen meist vergessen, dass das vorhandene rudimentäre Kanalstück mit Billigst-Arbeitskräften gebaut wurde und Teil der NS-Strategie war, über solche Großprojekte und Dienstverpflichtungen die Arbeitslosigkeit in der Statistik abzuschaffen.

Wer im 21. Jahrhundert weiterbauen will, wird die Arbeitsleistungen so billig nicht einkaufen können. Schon die ersten vagen Schätzungen für das Projekt gehen von 106 Millionen Euro aus. Aber selbst die müssten aus öffentlichen Töpfen zur Verfügung gestellt werden, aus eben jenen klammen Kassen, aus denen jetzt schon die simpelsten Instandhaltungsmaßnahmen für Straßen und Brücken nicht zeitgerecht finanziert werden können.Schon das wichtigste Schleusenbauwerk würde – wenn man es für den geplanten motorisierten Bootsverkehr ausbaut, richtig teuer werden. Andreas Liste: “Als Beispiel sei die Notwendigkeit erwähnt, dass ein 22-Meter-Höhenunterschied zwischen Saale und dem Kanal zu überwinden wäre. Dazu plante man damals in Wüsteneutzsch bei Kreypau eine große Schleuse, welche als Doppelschleuse ausgelegt war und der Hub der beiden Schleusenkammern jeweils 10 Meter betragen sollte. Auch wenn die obere Schleusenkammer noch zu ca. 75 Prozent fertiggestellt wurde, begann man bei der unteren Schleusenkammer lediglich mit den Erdarbeiten für die Fundamente. Trotz alledem müsste womöglich ein kompletter Neubau erfolgen. Darüber hinaus ist man zwar heute ohne weiteres in der Lage, Schleusen mit 30 Meter Hubhöhe zu errichten und zu betreiben, aber im konkreten Fall stellt sich die Frage nach dem Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Besonders dann, wenn es sich nur um einen Kanal vorrangig für motorisierte Hobbyschiffer handeln soll.”

Nicht unbeachtet bleiben dürfe auch, dass sich im bereits existierenden Kanalteil eine eigene Fauna und Flora entwickelt hat, welche im Falle eines weiteren Ausbaus natürlich Schaden nehmen würde. Liste: “Das trifft im Übrigen auf die gesamte Saale-Elster-Luppe-Aue zu.”

Des weiteren befindet sich der Raum zwischen Halle und Leipzig im Regenschatten des Harzes und ist daher von Niederschlagsarmut gekennzeichnet. Auf Grund des voranschreitenden Klimawandels sei mit einer umfassenden Verschärfung dieser Situation und somit mit einer weiteren Wasserverknappung zu rechnen. Ist da überhaupt genug Wasser im Kanal, um einen Fahrbetrieb im Sommer zu gewährleisten?

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Der AHA jedenfalls betrachtet das Vorhaben aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten sehr skeptisch. Und auch die Annahmen in der “Potenzialanalyse” sieht der Verein äußerst kritisch. “Die nunmehr 90.000,00 Euro teure, aus Steuermitteln finanzierte Machbarkeitsstudie geht bewusst von einer sehr vielfältig zu betrachtenden sehr hohen Erwartung aus, wenn man 500.000 Touristen im Jahr zu Grunde legt. Das wären 1.369,87 Touristen pro Tag”, rechnet Liste vor. “Dies gilt es jedoch mit großer Skepsis zu betrachten. Entweder es tritt nicht ein und die Steuermittel wären verpulvert oder es tritt ein und es entstehen zahlreiche zusätzliche Straßen, Parkplätze und Gebäude. Verheerend, wenn man an beide Vorstellungen denkt.”

Auf Grund der Brisanz des Vorhabens fordert der AHA die Verantwortlichen und Geldgeber des Gutachtens im Land Sachsen-Anhalt und im Freistaat Sachsen, im Landkreis Saalekreis sowie in den Städten Halle (Saale) und Leipzig auf, die Machbarkeitsstudie endlich der Öffentlichkeit vollumfänglich und lückenlos spätestens im Monat September 2012 vorzustellen. Das ständige Verkünden von propagandistischen Lobpreisungen über die Medien reichten da nun wahrlich nicht aus.

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