Das Schicksal der Pödelwitzer ist besiegelt. Mit Beschluss des Groitzscher Stadtrates vom Donnerstag, der den Umsiedlungsvertrag für das Dorf im Süden von Leipzigs Neuseenland verabschiedete, ist es beschlossene Sache: Der 130 Einwohner zählende Ort muss der Braunkohle weichen.
Das alles kam nicht unerwartet, hatten sich doch 80 Prozent der Pödelwitzer schon Ende letzten Jahres für eine Umsiedlung ausgesprochen. All das ist aber auch einer Entwicklung geschuldet, von der offenbar selbst die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft (MIBRAG) überrascht wurde: Der Kraftwerksgigant Lippendorf verschlingt mehr Kohle als ursprünglich geplant und genehmigt. Innerhalb von zehn Jahren wurde die eigentlich für elf Jahre ausgelegte Menge an Braunkohle durch die (nicht mehr vorhandenen) Schlote gejagt.
Und wenn der Riese hungrig ist, dann gibt man ihm eben etwas zu fressen. Dann müssen im Interesse der Allgemeinheit gewachsene Ort- und Landschaften immer noch den scharfen Zähnen der Abraumbagger weichen. Sehr viel geändert hat sich also nicht gegenüber Vorwendezeiten. Höchstens, dass die Art und Weise, wie das geschieht, nicht mehr so brachial ist, wesentlich subtiler und, wie es sich für den Bergbau gehört, subversiver daherkommt.Dazu gehört natürlich auch die Unterstützung durch die Politik. Hier in Person des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, der erst im Februar beim “Braunkohlegipfel” in Leuna den verbalen Schulterschluss mit der MIBRAG übte. Da bezeichnete er eine langfristige, kontinuierliche und verlässliche Energiepolitik zur Energieversorgung in Sachsen als unverzichtbar. Solche Aussagen seitens der herrschenden politischen Kaste zaubern natürlich ein zufriedenes Lächeln auf die Gesichter der Bosse des Braunkohleriesen, der nun munter weiter schaufeln darf was das Zeug hält.
So sieht der Braunkohleplan für den Tagebau im Leipziger Süden die Fortsetzung der Abbauflächen Schleenhain sowie Peres zwischen Pödelwitz und Kieritzsch vor. 2014 will man mit der Braunkohlegewinnung im Tagebaugebiet Peres beginnen, während Schleenhain im Jahr 2015 fortgesetzt werden soll. Und noch einmal 15 Jahre später will man aus dem Groitzscher Dreieck die “Restkohle” rauskratzen.
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Was das für die umliegenden Gemeinden in letztendlicher Konsequenz bedeutet, ist natürlich heute noch nicht abzusehen. Aber wenn man bedenkt, dass die Laufzeit für den Lippendorfer Giganten bis 2040 ausgelegt ist, sollten sich die Einwohner der umliegenden Gemeinden im wahrsten Sinne des Wortes warm anziehen. Schließlich gilt nicht zuletzt auch für einen Konzern wie die MIBRAG das Prinzip der Wirtschaftlichkeit. Sprich: Das Kraftwerk muss bis zum Ende seiner “Amtszeit” bis auf das letzte Gramm Braunkohle möglichst wirtschaftlich genutzt werden.
Von der Wirtschaftlichkeit zur Menschlichkeit. Und da sieht es wesentlich komplizierter aus. Denn obwohl eine Mehrheit der Pödelwitzer für die Umsiedlung gestimmt hat, will eine Minderheit den Ort nicht verlassen. Dem gegenüber steht der unstillbare Hunger der Energieversorger. Der schielt nämlich nach 34 Millionen Tonnen Kohle, die man sich von der Umsiedlung von Pödelwitz verspricht. Und dieser Hunger ist immer noch wichtiger als jedes menschliche Grundrecht. Sagen wir mal zum Beispiel: das Recht auf eine eigene Heimat. Demgegenüber steht ein Konzern, der sich seit der Wende nur insofern geändert hat, als dass er sich in einem demokratischen Umfeld inzwischen vollends autark bewegt und die Politik beherrscht und nicht wie früher von ihr beherrscht wird. Das um so effektiver, je mehr Umsatz er macht.
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