Ausgetreten aus der Linkspartei ist Olaf Maruhn aus Dreiskau-Muckern schon 2010. Dabei war er ein paar Jahre zuvor erst in die PDS eingetreten, weil er glaubte, mit der Partei könne er was bewegen. Zum Beispiel für Großpösna, zu dem Dreiskau-Muckern gehört. Und für den Störmthaler See, der zum Leipziger Neuseenland gehört. Könnte ja tatsächlich eine naturnahe Seenwelt werden. Oder doch eher eine Mega-Projekt zum Versenken von Steuergeldern?
Dass es an einigen Baggerseen heute schon so zugeht, dass von einer Erholung keine Rede mehr sein kann, darüber hat die L-IZ mehrfach berichtet. Doch seit dem Neuseenland-Kongress im Februar parallel zur Messe “Beach & Boat” scheint ein anderes Projekt die lokalen Politiker in Euphorie zu versetzen: Der 106 Millionen Euro teure Weiterbau des Elster-Saale-Kanals, der vor 80 Jahren zum Erliegen kam.
Ein gigantisches Projekt, das sich aber auch nur mit gigantischen Wassertouristen-Zahlen so wirtschaftlich darstellen lässt, dass überhaupt ein wirtschaftlicher Betrieb denkbar wird. Da stellt sich nicht nur Olaf Maruhn die Frage, wie sinnvoll das ist, derartig viel Geld in einen Wirtschaftstraum zu pumpen, der bestenfalls minimale Renditen bringen wird – zum Preis eines Bootsverkehrs, der mit “Wasser-Autobahn” wohl gut beschrieben wäre.
Dass auch Politiker der Linkspartei – nicht nur in Westsachsen, sondern auch in Sachsen-Anhalt – geradezu euphorisch werden bei solchen Projekten und augenscheinlich augenblicks aufhören, über Sinn und Effekt dieser gigantischen Ausgabe von Steuergeldern nachzudenken, hat ihn nun veranlasst, den Genossen einen geharnischten Brief zu schreiben. Anlass ist für ihn eine Informationsfahrt, zu der die Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland für den 16. April eingeladen hat – “mit regionalen Abgeordneten des Sächsischen Landtages, des Bundestages sowie des Europäischen Parlaments”.
“Anliegen und Ziel dieser Fahrt ist es, die Abgeordneten sowohl über die bisherigen Sanierungs- und Entwicklungsergebnisse als auch über die aktuellen Handlungsschwerpunkte und Erfordernisse für eine Fortsetzung der Entwicklung in den nächsten Jahren zu informieren. Dabei stehen auch und insbesondere das Verwaltungsabkommen zur Braunkohlesanierung zwischen Bund und Ländern für den Zeitraum ab 2013 und die Bereitstellung von § 4-Mitteln für Maßnahmen zur Erhöhung des Folgenutzungsstandards im Fokus”, heißt es in der Einladung.
Das aktuelle, das 4. Verwaltungsabkommen zur Finanzierung der Braunkohlesanierung zwischen dem Bund und den Braunkohleländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, wurde für den Zeitraum 2008 bis 2012 abgeschlossen und umfasste ein Budget von rund 1 Milliarde Euro. Das Bundesumweltministerium wies seinerzeit darauf hin, dass seit 1992 rund 8 Milliarden Euro in die Braunkohlebergbausanierung geflossen sind. Alles Kosten, die die Energiekonzerne, die die Braunkohle verbrennen, nicht zu zahlen haben. Deswegen können Politiker, die für weitere Braunkohleverstromung kämpfen, immer wieder behaupten, Strom aus Braunkohle sei nicht subventioniert.
Ist er aber eben doch. Nur zahlt der Stromkunde die Zeche hier über seine Steuern. Dass dabei auch Projekte zur Nachfolgenutzung gefördert werden, die – nachhaltig betrachtet – wenig Sinn machen, macht zumindest Leute wie Olaf Maruhn sehr nachdenklich.Hier sein Brief an die eilfertigen Genossen:
“Liebe Genossinnen und Genossen,
nein, liebe Ex-Genossen muß es heißen – ich bin ja ausgetreten.
Der “Betreff” scheint im ersten Moment irreführend. Es scheint ja nicht um Sachsen zu gehen. Tut es aber:
Am 16.04.2012 werden auch Parlamentarier der Fraktion Die Linke des sächsischen Landtages an einer Informationsfahrt durch das “Leipziger Neuseenland” teilnehmen. Eingeladen von hiesigen Provinzpolitikern. Angefangen vom Landrat Kreis Leipzig Gey (CDU), über den Umweltbürgermeister der Stadt Leipzig Rosenthal (Die Linke), die Bürgermeisterin von Großpösna Lantzsch (parteilos auf SPD-Ticket)sicher auch Feist (CDU) als stellv. Leiter der Landesdirektion Leipzig bis hin zum Leiter des Regionalen Planungsverbandes Berkner. Es wäre verwunderlich, gehörte nicht auch Kuyumcu, als Geschäftsführer der LMBV GmbH, die als maßgeblicher Initiator und Finanzier des Lausitzer Seenlandes, das die Blaupause für das “Leipziger Neuseenland” geliefert hat, zum Kreis der Einladenden.
Ziel soll sein, die Parlamentarier davon zu überzeugen, noch mal 30 Mio. ? locker zu machen, damit das Leipziger Neuseenland “weiterentwickelt” werden kann. Bei allein im Leipziger Südraum in die Sanierung der alten Tagebaue gesteckten 3,5 Mrd. ? Peanuts. Gleichwohl folgenreich für den Leipziger Auwald, der, mühsam der Folgen der Umweltfrevel aus DDR-Zeiten entledigt, nunmehr das Motorsport-Mekka motorisierter Wasser”sportler” werden soll. Es wurden im Leipziger Auwald schon 2 Schleusen/Wehre für ca. 7,5 Mio. ? gebaut. Wohlgemerkt im Rahmen einer “erweiterten Tagebausanierung” aus sogenannten “§ 4- Mitteln des Bund-Länder-Abkommens” zur Tagebausanierung und für eine “vorgezogene Folgenutzung” (das in Anführungszeichen gesetzte Vokabular entstammt dem Wortschatz der LMBV). Ein Abkommen, das, auf Bergrecht fußend, jeglicher demokratischer Mitbestimmung der Menschen vor Ort entzogen ist. D.h., daß die Tagebausanierung nunmehr über den Leipziger Auwald bestimmt, daß in einem Tagebau geltende Vorschriften nunmehr im Leipziger Auwald Anwendung finden werden. Daß deutsches Bergrecht im Allgemeinen, und in Sachsen in ganz besonderem Maße, mit Rechtsstaat, Bürgerbeteiligung und Demokratie aber auch gar nichts zu tun hat, sollte Euch bekannt sein.
Der o.g. Berkner, als Leiter des Regionalen Planungsverbandes in einer Veranstaltung im Leipziger Rathaus 2010 erklärt hat, daß diese Mittel nur gewährt wurden, um Motorboot-Verkehr zu initiieren. Etwas, wogegen sich mehrere tausend Leipziger Bürger, Umweltverbände und tatsächliche Wassersportler mit Protesten vor Ort, Unterschriftensammlungen und einer Petition wehren. Allein, sie werden für dumm verkauft, als rückständige und wirtschaftsfeindliche Spinner hingestellt. Nun sollen sie mittels einer Charta “eingebunden” werden. Von einem Landrat Gey, der die Worte Demokratie und Rechtsstaat nur vom Hörensagen kennt. Sekundiert vom Leipziger Umweltbeigeordneten Rosenthal, der, ganz bürgerfreundlich, eben jenen Bürgern auf einer Messe (Beach&Boat 2012) gegen Entgelt erklärt, wie sie zukünftig ihre Natur nutzen dürfen. Unterstützt von der Großpösnaer Bürgermeisterin Lantzsch, die ganz bewußt den Willen der Anlieger des Störmthaler Sees ignoriert, die in großer Mehrheit (75%) gegen Massentourismus, schon gar motorisierten, und zu einem Teil (25 %) gegen jeglichen Tourismus sind. Verständlich, nach jahrzehntelanger Lärm- und Dreckbelastung durch die Tagebaue.
Das “Leipziger Neuseenland” ist der Zusammenschluß alter Tagebau im Leipziger Südraum, die über den Leipziger Auwald miteinander verbunden werden sollen. Die Folge dieses Zusammenschlusses wird sein, daß nun keine Tagebaubagger, sondern Motorboote den Auwald zerstören werden. Nein, vorher werden natürlich auch Bagger durch die Leipziger Flüsse ziehen müssen, sind diese doch für die Motorboote viel zu flach. Das heißt, die Leipziger Flüsse und Kanäle müssen noch ausgebaggert werden. Was allein in der Anfangsphase 56 Millionen Euro kosten würde. Nicht bezifferte und vermutlich auch nicht bezifferbare Kosten bis zur endgültigen Fertigstellung. Ebenso, wie diverse Leipziger Brücken angehoben werden müssen, damit Motorboote hindurch fahren können, ohne daß Touristen zu Schaden kommen.
Diese Folgekosten sind in den derzeit geforderten 30 Millionen Euro natürlich ebenfalls nicht enthalten. Genausowenig, wie die weiteren Folgekosten für den Kanaldurchstich vom Karl-Heine-Kanal zum Lindenauer Hafen. Denn auch dieser gehört zum Gewässerverbund “Leipziger Neuseenland”. Ebenso, wie der Elster-Saale-Kanal, dessen Fertigstellung seit dem 2. Weltkrieg ruht und nun fertig gebaut werden soll. Für weitere 106 Mio. ?. Schließlich wurde er ja schon vor 150 Jahren geplant. Nun muß er doch mal fertiggestellt werden. Daß wir uns seitdem schon in der 3. technisch/ technologischen Revolution befinden und im Norden von Leipzig schon Tatsachen geschaffen wurden, die diesen Kanalbau wirtschaftlich völlig unsinnig machen, wird einfach ausgeblendet. Wobei die Folgekosten allein für den Elster-Saale-Kanal noch nicht beziffert sind. Wird der Elster-Saale-Kanal gebaut gibt es dann aber auch einen Grund, den Saale Seitenkanal zu bauen. Was weitere 500 Mio.? wären.
Werden direkte und unvermeidliche weitere Kosten zusammengerechnet – es wird ein Leipziger City-Tunnel auf dem Wasser. Ausgelöst durch Peanuts. Durch lächerliche 30 Millionen Euro. Gegen artikulierten Bürgerwillen, gegen vorliegende Gutachten, die sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch technische und rechtliche Fragestellungen vorsichtig beleuchten. Denn von umfassenden Untersuchungen und Gutachten kann wahrlich nicht gesprochen werden. Schon gar nicht im Hinblick auf das neuerliche, im Frühjahr 2012 als Überschrift bekannt gewordene, von Leipzig und Halle in Auftrag gegebene Gutachten, das selbst in der neoliberalen L(eipziger)V(olks)Z(eitung) als Gefälligkeitsgutachten bezeichnet wurde. Ach ja, den gesunden Menschenverstand gibt es ja auch noch.
Warum ich Euch das schreibe? Natürlich sind die anderen Parteien genauso beteiligt. Und zwar alle. Graduell unterschiedlich. Schon aus Gründen der Regierungsbeteiligung. Diese Gründe verschwinden aber um so mehr, je tiefer in die kommunalpolitischen Niederungen gestiegen wird. Dort ist dann kein Unterschied mehr erkennbar. Dann gibt es nur noch Pragmatiker, “Realisten”. Die nur noch sehen, wie sie am besten Fördermittel abgreifen können. Ist allemal eine Schlagzeile wert. Allerdings habt Ihr gerade einen Gesetzentwurf für Transparenz eingebracht und in Berlin und Dresden wird in Sonntagsreden sehr gerne von mehr Bürgerbeteiligung und Demokratie gesprochen. Allein, wenn es vor Ort um konkrete Taten geht, ist davon nichts mehr zu hören. Im Gegenteil. Habe ich doch erleben müssen, wie die eigenen Genossen vor Ort kontaminierten Italienmüll auf der Deponie Cröbern geleugnet und Einsichtnahme in Gemeinderatsbeschlüsse zu Entscheidungen den Tagebau Espenhain betreffend, besser die Verweigerung der Einsicht durch die Verwaltung, durch Lantzsch, gebilligt haben. Und über das Vorstehende mehrfach versucht Kontakt aufzunehmen mit Mitgliedern der Landtags- und Bundestagsfraktion. Vergeblich. Ihr kennt die ganzen Umstände aus diversen Mails, kümmert Euch nicht und setzt einen Gesetzentwurf für eine “gläserne Verwaltung” zur Diskussion in`s Netz. Das hat mit Glaubwürdigkeit wenig zu tun. Aber, wie gesagt, die anderen Parteien verhalten sich gleich. Nur war ich dort bewußt kein Mitglied.
Als kleines “Schmankerl” am Ende, aber kennzeichnend für die Art und Weise der Tagebausanierung, dem Umgang mit Steuermittel für den Aufbau Ost und den Umgang mit Rechtsstaat, Demokratie und Umwelt: Am Tagebau Espenhain, dem zukünftigen Störmthaler See, wurde mit § 4-Mitteln aus dem Bund-Länder-Abkommen zur Tagebausanierung und aus Mittel der Kulturförderung für 1,2 Mio. ? ein neuer (!) Tagebau errichtet. Ein Schautagebau. Der sogenannte “Bergbau-Technik-Park”. Der auch von hiesigen Links-Politikern als “Baggern für Bildungsbürger” verkauft wurde. Einmalig in dieser Republik. Fürwahr!
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Maruhn”
Das Bundesumweltministerium zum 4. Verwaltungsabkommen zur Finanzierung der Braunkohlesanierung: http://www.bmu.de/bodenschutz/braunkohlesanierung/doc/37414.php
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