Viele Köche verderben den Brei. Das gilt auch beim Straßenbau, der in Deutschland organisiert ist wie ein großes Blinde-Kuh-Spiel. Der eine gibt die Regeln vor, der nächste gibt das Geld, der dritte macht Rahmenpläne, der vierte darf sich was wünschen. Und dann ist da noch der Bürger, der große Lümmel, der glaubt, es in seinem Lebensbereich auch noch besser zu wissen. Achja, den dummen Steuerzahler gibt es ja auch noch. Thema: B 87n.
Am Donnerstag vergangener Woche, 29. März, fand im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) ein Treffen zwischen Vertretern der Bürgerinitiative Alternative B87 (Taucha), der Bürgerinitiative Pro-Parthenaue (Borsdorf), dem Mitglied des Bundestages und Mitglied im Verkehrsausschuss Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) und dem Parlamentarischem Staatssekretär im BMVBS Jan Mücke (FDP) statt.
Inhalt des Treffens waren Themen zum Planungsstand der B87n und deren verkehrliche Notwendigkeit sowie vor allem die zumindest einhellige Forderung nahezu aller Kräfte der Region zwischen Leipzig und Torgau zur Abkehr von der B87n-Vorzugsvariante des sächsischen Autobahnamtes durch die Parthenaue – sofern tatsächlich ein Bedarf für diese Straße nachgewiesen werden kann.
“Das Gespräch war sehr angenehm und von kooperativem Charakter geprägt”, erklärt Thomas Becher, Sprecher der BI Alternative B87. Vor allem auch, weil die Vertreter der Bürgerinitiativen die Möglichkeit hatten, Jan Mücke über die seltsamen Vorgänge im Zusammenhang mit der Genehmigung des Beschlusses zur Teilfortschreibung durch den sächsischen Innenminister zu informieren. “Diese waren bisher so im Bundesverkehrsministerium offensichtlich nicht bekannt”, schätzt Becher ein.
Was wohl mit den besagten Köchen zu tun hat. Ein Koch ist der Regionale Planungsverbund. Der sammelt die Interessen vor Ort und hatte sich eigentlich – nach intensiven Diskussionen mit allen Parteien in der Region – darauf verständigt, keine Planung der neuen B87 mehr durch die wertvolle Parthenaue zu betreiben, sondern die Trassenführung nördlich von Taucha zu favorisieren. Immerhin ein echter Erfolg, den dann auch der Landrat von Nordsachsen, Michael Czupalla (CDU), zu seiner Politik gemacht hat.
Als der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) dann aber durchdrückte, dass die Planungen für die Parthenaue fortgesetzt würden, war der Brei versalzen. Und er brüskierte damit nicht nur die engagiert diskutierenden Beteiligten vor Ort, er brüskierte auch einen nicht unwichtigen Landrat der CDU. Ganz zu schweigen davon, dass die Planungen durch die Parthenaue nur mit Planungstricks zu bewerkstelligen sind.Auch darauf wiesen die Vertreter der Bürgerinitiativen den zuständigen Staatssekretär hin: gravierende Fehler im derzeit ausgesetzten Raumordungsverfahren und vor allem eine “schön gerechnete” Vorzugsvariante durch die Parthenaue. “Auch diese Informationen schienen neu für das BMVBS zu sein und den Vertretern der BI wurde eine entsprechende ernsthafte Prüfung dieser Vorwürfe zugesagt”, sagt Becher.
Die “Schönrechnereien” werden in der Regel nicht nur teuer für Michel Steuerzahler. Immerhin wird allein diese schön gerechnete Variante mit 360 Millionen Euro beziffert. Sie sorgen auch dafür, dass in der Folge das Geld für andere Infrastrukturinvestitionen fehlt. Dabei ist es ja gerade die sächsische Regierung, die jeden Tag das Lied vom Sparen singt – aber wenn es um überteuerte Großprojekte geht, spielt sie gern den Krösus.
In diesem Fall auch ohne Rücksicht auf die betroffenen Gemeinden. Die Gemeinde Borsdorf will den Genehmigungsbescheid zur Teilfortschreibung beklagen. Auch Schritte der Stadt Taucha in dieser Richtung seien zu erwarten, sofern die Planungen weiterhin auf die derzeitige Vorzugsvariante des Autobahnamtes abzielen, erklärt Becher. Auch darüber sei der Staatssekretär bisher nicht informiert gewesen. So fehlen logischerweise auch in Berlin notwendige Informationen, um eine sinnvolle Investitionsabschätzung treffen zu können.
Seit Januar/Februar 2012 liegen nun – wie das Bundesministerium informierte – neue Planungsunterlagen beim BMVBS zur Prüfung. Diese Unterlagen beinhalten jetzt auch die von der breiten Öffentlichkeit als einvernehmlicher Konsens betrachtete B2/S4-Variante als mögliche Streckenvariante sowie auch neue Verkehrsprognosen. Diese nun fielen gegenüber der alten Planung deutlich geringer aus und führten bereits im Abschnitt Eilenburg-Torgau zur Reduzierung des Straßenquerschnitts.
Logisch, dass die Vertreter der Bürgerinitiativen die Gelegenheit nutzten, Jan Mücke darüber zu informieren, dass die geplante B87n – in keiner der betrachteten Planungsvarianten – zur wesentlichen Entlastung des Verkehrs in Taucha selbst beitragen wird. “Auch wird eine südliche Variante einen sehr großen Teil der Schwerlast- und LKW-Fahrzeuge nicht davon abhalten, von Eilenburg über die S4 und B2 in Richtung Norden zu gelangen, denn genau zu den dort ansässigen Logistik-Zentren, Flughafen und Automobilstandorten möchte man nach Aussagen der Unternehmen aus Torgau und Eilenburg vor allem hin”, stellt Thomas Becher den ganz besonderen Hinkefuß der vom Sächsischen Innenministerium bevorzugten Variante dar.
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Auch die Stadt Leipzig hatte mehrfach kritisiert, dass die Variante durch die Parthenaue den Verkehr ins Leipziger Stadtnetz hineinführt, statt ihn auf die Autobahn zu lenken. Staatssekretär Jan Mücke hat – so Becher – den Bürgerinitiativen zugesichert, alle Argumente, Vorschläge und Kritiken in der Prüfung des Ministeriums zu berücksichtigen.
“Dennoch hat auch die jetzt vorliegende neue Planung für das Raumordnungsverfahren, welches nach Abschluss der Prüfungen wieder in Kraft gesetzt werden soll, trotz aller fachlicher und allgemeiner öffentlicher Kritik weiterhin die Querung der Parthenaue zwischen Taucha und Borsdorf in der bekannten Vorzugsvariante des sächsischen Autobahnamtes zum Ergebnis”, gibt Thomas Becher zu bedenken. “Die Bürgerinitiativen erwarten nun, dass die Gemeinde Borsdorf und die Stadt Taucha dies zum Anlass für die angekündigten Klagen nehmen und entsprechend tätig werden.”
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