Es gibt Beziehungen, die stehen von Anfang an unter einem schlechten Stern. Eine solche scheint die zwischen Leipziger Straßenbauamt, Verkehrsminister Sven Morlok und dem Verein Pro agra-Park zu sein. Ziel des Letztgenannten ist es, einen Neubau der Brücke an der B 2/B 95 am agra-Park zu verhindern und stattdessen eine Tieferlegung der Straße zu erreichen.

Hört sich erst mal nicht dramatisch an, ist aber wie alles in Wahrheit wesentlich komplizierter.

Der Verein Pro agra-Park hatte sich erst vor kurzem gegründet und jetzt zu einer Pressekonferenz in die Parkgaststätte im agra-Park eingeladen, um seinem Anliegen noch einmal Nachdruck zu verleihen und in eigener Sache zu werben.

Worum geht es genau? Im Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wurde im Juni 2009 die Entscheidung getroffen, die agra-Brücke Markkleeberg durch einen Neubau zu ersetzen. Eine Instandhaltung des Bauwerks wäre zu teuer. Im Rahmen der Bauwerksvorplanung erfolgte eine Variantenuntersuchung für den Ersatz der Brücke. In Abstimmung mit dem Bund wurde dann eine Brückenlösung als Vorzugsvariante ausgewählt. Auf dieser Grundlage soll nunmehr ein Planfeststellungsverfahren bei der zuständigen Behörde beantragt werden. Unter Berücksichtigung der Entscheidungen und Auflagen der Planfeststellungsbehörde wird der Bauwerksentwurf erstellt. Nach dessen Genehmigung durch den Baulastträger erfolgen die Ausschreibung und anschließend die Vergabe des Bauvorhabens.

Für den Verein Pro agra-Park mehr als unbefriedigend. Vorausgegangen war eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Gisela Kallenbach (Bündnis 90/Die Grünen) zur bewussten agra-Brücke. Der Verein Pro agra-Park e.V. kritisiert die Antworten des Sächsischen Staatsministers Sven Morlok heftig. Vereinsvorsitzender Karsten Schütze: “Das stellt ein Zeugnis einer mangelnden Bereitschaft, sich wirklich ernsthaft mit dem Alternativvorschlag einer Tieferlegung der B 2/ B 95 im Bereich des agra-Parks auseinanderzusetzen. Abgesehen davon, dass die Antworten teilweise inhaltliche Fehler aufweisen, sehen wir sie als Provokation gegenüber dem Bürgerwillen. Wir erwarten, dass der Minister die ihm vom Straßenbauamt zugearbeiteten Fakten kritisch hinterfragt und eine tiefgründige Prüfung der Alternativen zum Brückenneubau veranlasst.”

Zwar sei der Vorschlag, eine neue Brücke zu bauen, formal richtig. Allerdings, so Schütze, bleibe ein wesentliches Grundproblem unerwähnt. Nämlich genau die Brückenvariante. Schütze: “Geplant wird dabei eine ‘Sanierung im Bestand’. Das heißt ohne Lärmschutz, aber mit den Fachstandards einer Autobahn, also mit Standstreifen.”Dies, so die Vereinsvertreter, würde bedeuten, dass ein Teilabschnitt als Autobahn geplant wird, ohne dass Planungen für den Gesamtabschnitt vorliegen. Schütze weiter: “Dies hätte erhebliche Folgen für das Landschaftsschutzgebiet ‘Leipziger Auwald’.” Kurzum: Man wünscht sich für das Anliegen des Vereins, nämlich Alternativen für einen Brückenbau durchzusetzen, mehr Aufmerksamkeit von Seiten des Verkehrsministers. Aber genau diese Aufmerksamkeit wird dem Verein und seinen Mitgliedern verweigert.

Karsten Schütze: “Bisher haben wir leider keine Reaktion erfahren. Es herrscht das Schweigen im Walde.” Auch seien vorgeschlagene Tunnelvarianten bisher auf keine Resonanz gestoßen. Karsten Schütze: “Dagegen geht die Tunnelvariante des Straßenbauamtes von einer Tunnellänge von 600 Metern aus. Diese ist daher schon vom Grundsatz her überdimensioniert und logischerweise im Kostenvergleich als unwirtschaftlich zu verwerfen. Es entsteht der Eindruck, dass diese untersuchte Variante nur eine Alibifunktion besitzt.” Die Machbarkeitsstudie der Stadt Markkleeberg hingegen betrachtet eine Tunnellänge von 325 bis 400 Metern für ausreichend.

Schütze weiter: “Der im Erläuterungsbericht der Vorplanung des Straßenbauamtes benannte kritische Punkt der Querung der Mühlpleiße wurde nicht in Varianten betrachtet, obwohl in der Machbarkeitsstudie verschiedene Lösungsvorschläge vorliegen.” Bei diesen Vorschlägen handelt es sich um die Verschiebung des Gewässerverbundes um 50 Meter nach Süden, die Überführung der Mühlpleiße im Trog oder die Umgestaltung des Überbaus.

Besonders provozierend empfindet man es auf Vereinsseite, dass das Straßenbauamt sogar die Variante eines Erdbauwerks (Straßendamm) untersucht hat. Schütze dazu: “Diese preiswerteste Variante vermittelt den Eindruck, dass die Brücke in der Tat die beste Alternative sei. Statt den Straßendamm zu betrachten, sollten lieber dringend weitere Tunnelvarianten untersucht werden.”

Zum Vergleich der verschiedenen Varianten heißt es aus dem Verkehrsministerium: “Beim Variantenvergleich wurde neben einer Betrachtung der Bau- und Unterhaltungskosten auch eine Beurteilung hinsichtlich der Gestaltung, der Landschafts- und Umweltverträglichkeit, der Funktionalität, der Bautechnologie und der Verkehrseinschränkungen während der Bauzeit vorgenommen. Im Ergebnis der Bewertung aller Varianten kristallisierte sich ein Ersatz des alten Bauwerks durch eine neue Brücke als zweckmäßigste Lösung heraus.”Eine Antwort, mit der der Verein, angesichts seines Ziels, den denkmalgeschützten agra-Park wieder voll einsehbar zu machen, natürlich nicht zufrieden sein kann. Sie erwecke den Eindruck, so der Vereinsvorsitzende, dass auch die Landschafts- und Umweltverträglichkeit untersucht wurden.

In diesem Zusammenhang verweist man von Vereinsseite darauf, dass im Erläuterungsbericht des Straßenbauamtes zur Vorplanung auf Seite 3 ganz anderes zu lesen sei. Nämlich: “Es werden keine Randbedingungen hinsichtlich Lärmschutz, Gründung, Sparten im Bauwerksbereich und naturschutzrechtliche Belange berücksichtigt, da hieraus resultierende Anforderungen bislang nicht vorliegen.” Zur Kostenfrage heißt es aus dem Verkehrsministerium: “Für den Ersatzneubau der agra-Brücke Markkleeberg wird gegenwärtig von Planungskosten in Höhe von 350.000 Euro netto und Baukosten in Höhe von rund 14,42 Millionen Euro netto ohne Abbruchkosten des bestehenden Bauwerks ausgegangen.”

Auch hierzu nimmt der Verein Stellung. Karsten Schütze: “Addiert man die Planungs-, Abbruch- und Baukosten für den Ersatzneubau des Straßenbauamtes hinzu, kommt man auf rund 16,5 Millionen Euro.” Demgegenüber lägen die Kosten für eine Tunnelvariante gemäß der Machbarkeitsstudie bei zirca 20 Millionen Euro. Die Tunnelvariante berücksichtigt den Neubau der Rampen, den grundhaften Ausbau der B 2 auf 220 Metern Länge sowie die Abbruchkosten der Brücke. Das reine Tunnelbauwerk wird mit rund 15 Millionen Euro angesetzt. Durch einen teilweisen Verzicht einer Abdeckelung (Tieferlegung im offenen Einschnitt) könnten diese Kosten auf 13,6 Millionen gesenkt werden.

Auch was die Verkehrsbelastung hinsichtlich der Zahl der Fahrzeuge pro 24 Stunden betrifft, ist man offensichtlich unterschiedlicher Auffassung. Während das Verkehrsministerium von 51.500 Fahrzeugen ausgeht, rechnet man beim Verein ab Fertigstellung der A 72 mit 60.000 Fahrzeugen. Karsten Schütze zu den abschließenden Forderungen seiner Initiative: “Unser Verein fordert eine Untersuchung weiterer Tunnelvarianten. Bei dieser Untersuchung müssen auch Aspekte des Denkmalschutzes sowie des Natur- und Landschaftsschutzes berücksichtigt werden. Als Vergleichsobjekt sei hier auch auf den Neubau der S 242 zwischen der Anschlussstelle A 38 Leipzig-Südost und der Stadtgrenze Leipzig verwiesen. Diese Straße wurde aus Gründen des Denkmalschutzes (Historisches Schlachtfeld der Völkerschlacht von 1813) als Straße im offenen Einschnitt realisiert. Darüber hinaus existieren durchaus auch Autobahntunnel ohne Standstreifen wie im Falle der A 17 Dresden – Prag.

Was die Bauzeit anbelangt, so geht man sowohl bei der Brückenvariante als auch bei der tiefergelegten Straße von einer Bauzeit von 2,5 Jahren aus. Um sein Anliegen zu unterstützen, plant der Verein weitere Aktionen wie Unterschriftensammlungen und Mitgliederwerbung. Durch den Braunkohlebergbau wurden in den 70er Jahren die Bundesstraßen 2 und 95 umverlegt und als Hochstraße mitten durch den Park geführt.

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