"Der Grundwasseranstieg wird uns noch am längsten von allen Bergbaunachwirkungen beschäftigen", sagt Professor Andreas Berkner, Leiter der Regionalen Planungsstelle beim Planungsverband Westsachsen im L-IZ-Interview. Dessen Bewältigung erfordert laut Berkner oft kostenintensive Maßnahmen zwischen Einzelfall- und Komplexlösungen.
Herr Professor Berkner, Sie haben 1987 zum Thema Gebietswasserhaushalt und Bergbaufolgelandschaft im Südraum Leipzig promoviert. Welche Folgen des damals recht extensiven Braunkohleabbaus ließen sich seinerzeit für den Wasserhaushalt der Region vorhersagen?
Aus der Perspektive des Jahres 1987 ging es um reine Schadenbegrenzung. Wenn die damaligen Abbauplanungen in die Tat umgesetzt worden wären, hätten wir bis zum Jahr 2050 rund 70 Prozent aller Landflächen im Raum zwischen Leipzig, Borna und Altenburg abbaubedingt verloren.
Demgegenüber gab es seit 1977 keine Fortschreibung zur Gesamtentwicklung der Bergbaufolgelandschaft mehr. Vor diesen Hintergründen war absehbar, dass der Wasserhaushalt speziell im Pleiße-Einzugsgebiet auf einen Kollaps hinauslaufen würde. Die Wasserbedarfsanforderungen der Industrie sowie die gebietsweise katastrophale Wassergütesituation bildeten wesentliche Bausteine dazu.
Ich erinnere mich gut an eine Fließgewässerkartierung 1986 zwischen der Talsperre Windischleuba und dem Stadtgebiet Leipzig – das war Survival pur. Verschiedene Fragestellungen wie der Grundwasseranstieg oder auch die Kippenversauerung wurden damals nur in Ansätzen betrachtet. Andererseits gab es auch bemerkenswerte Leistungen, zu denen ich das maßgeblich auf Speicheranlagen in ehemaligen Tagebaubereichen gestützte Hochwasserschutzsystem an der Pleiße zähle, das bis heute funktioniert.Seit gut zwanzig Jahren erfolgte mit einem Riesenaufwand die Rekultivierung der ehemaligen Tagebaulandschaften. Die Region sieht sich nun selbst als Neuseenland. Inwieweit fand bei der Neuschaffung dieser Landschaft die Entwicklung des Wasserhaushalts unter der Erde Beachtung?
Die Bewältigung der vielfältigen Wasserfragen hatte ab 1990 sofort eine Schlüsselposition inne, weil allen Beteiligten klar war, dass deren Bewältigung über den Erfolg der Wiedernutzbarmachung bestimmt. Dazu wurden vielfältige Untersuchungen durchgeführt, zu denen das “Hydrogeologischen Großraummodell Südraum Leipzig” genauso wie etwa permanente limnologische Untersuchungen zu den Tagebauseen zählen.
Bewirtschaftungs- und Hochwasserschutzkonzepte bilden genauso wie die Braunkohlenpläne, die Betriebspläne Grundwasseranstieg und die wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren weitere wichtige Bausteine. Eine echte Innovation bildete die im Zusammenwirken zwischen Sanierungsträger, Wissenschaft und Verwaltung zwischen 1993 und 1997 entwickelte Möglichkeit zur Nutzung des Sümpfungswassers aus den aktiven Tagebauen zur Restlochflutung.
Die Grundwassersituation war immer im Blick, wobei wir oft auf das Prinzip “Learning by Doing” angewiesen waren und etwa der Grundwasseranstieg an manchen Stellen schneller als erwartet zur Wirkung kam. Glücklicherweise verfügen wir in der Region mit den Arbeiten von Adolf Thiem, dem “Trinkwasserpionier” für Leipzig, über einen bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Erfahrungshintergrund, was die vorbergbaulichen Wasserstände angeht.
Nicht erst in letzter Zeit berichten Bewohner in den Bergbaufolgelandschaften von steigenden Grundwasserständen und nassen Kellern. Wie ernst schätzen Sie die Situation ein?Der Grundwasseranstieg wird uns noch am längsten von allen Bergbaunachwirkungen beschäftigen und erfordert oft kostenintensive Maßnahmen zwischen Einzelfall- und Komplexlösungen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass der Bergbau nicht in eine Art “Generalhaftung” zu nehmen ist, weil hier verschiedene Ursachenkomplexe zusammenspielen. Dazu zählen die meteorologische Situation 2010/2011 mit zeitweise erheblich über den Mittelwerten liegenden Niederschlägen genauso wie vielerorts seit 1990 aufgelaufene Unterhaltungsdefizite bei Grabensystemen, drastisch verringerte Grundwasserentnahmen für Trink- und Brauchwasserzwecke oder auch die eine oder andere Bausünde der Vergangenheit.
Technische Lösungen zur Bewältigung der Probleme stehen grundsätzlich zur Verfügung, brauchen für ihre Umsetzung aber Zeit, wie die aktuelle Entwicklung etwa am Lober im Raum Delitzsch zeigt.
Nach Möglichkeit sind nachsorgefreie Verfahren zur Anwendung zu bringen, die keine Folgekosten auf Dauer, so wie sie beim Pumpbetrieb unvermeidlich sind, bewirken. Grundstücks- und Gebäudeeigentümer, die einen Zusammenhang zwischen ihren Problemen und der Bergbautätigkeit vermuten, können unter www.lmbv.de alle Daten und Voraussetzungen für einen Erstkontakt nachlesen.
Die Thematik endet nicht an der sächsischen Landesgrenze. Sachsen-Anhalts Umweltministerium hat Ende letzten Jahres ein Konzept zum Umgang mit Grundwasseranstieg und Vernässung vorgestellt. Wie bewerten Sie das Konzept?
Gut ist zunächst, dass das Land Sachsen-Anhalt ein Programm unabhängig von der Bergbauthematik aufgelegt hat. Damit besteht die Möglichkeit zur Hilfe unabhängig von der konkreten Ursache, wobei oft auch Gemengelagen zwischen mehreren Einflussfaktoren bestehen. Zur Einschätzung der Wirksamkeit des Programmes ist es noch zu früh. Eine wichtige Erfolgsvoraussetzung besteht immer in einer fundierten Fachbegleitung, die einem “Aktionismus” entgegen wirkt und zugleich gewährleistet, dass öffentliche Mittel so eingesetzt werden, dass die den größten Effekt entfalten.
Der sächsische Landtag beschäftigt sich aktuell mit der Thematik Grundwasserwiederanstieg. Was sollte der Landesgesetzgeber aus Ihrer Sicht auf diesem Feld veranlassen?
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Hier gibt es mehrere politische Handlungsfelder, die sich nicht auf den Sächsischen Landtag beschränken. Die anstehende Novellierung des Sächsischen Wassergesetzes bietet die Möglichkeit, die Gewässerunterhaltspflichten an Flüssen wie etwa der Gösel auf den Prüfstand zu stellen. Zahlreiche Kommunen brauchen fachliche und mitunter auch finanzielle Unterstützung bei der Gewässerunterhaltung in ihren Verantwortungsbereichen.
Das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zur Braunkohlesanierung ab 2013, das im laufenden Jahr abzuschließen ist, beinhaltet die Mittel für die Maßnahmen zum Grundwasseranstieg. Der Landesentwicklungsplan Sachsen befindet sich bis zum 23.03.2012 in der öffentlichen Anhörung und Auslegung.
Schließlich brauchen wir dringend wieder ein “Bündelungsgremium” in unserer Region, das sich ganzheitlich mit den Wasserthemen befasst. “Wasser hat einen spitzen Kopf” – diese Weisheit sollte Anlass genug für uns sein, zügig, qualifiziert und ohne “Denkbarrieren” zwischen allen Beteiligten weiter zu arbeiten.
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