Auch die deutschen Schulden (2 Billionen Euro) kommen nicht aus dem Nichts. Hier stecken reihenweise überdimensionierte Großprojekte drin, die niemand braucht. Und immer noch treiben die Schuldenmacher neue Projekte an - wie die B87 neu, die in der geplanten Dimension viel zu groß ist. Jetzt liegen die neuen Zählungen des Bundesamtes für Straßenwesen vor. Die alten Prognosen haben nichts mit der gezählten Realität zu tun.

Prognosen sind das eine, die Realität eine vollkommen andere – seit Mittwoch, 4. Januar, sind die Zahlen der manuellen Verkehrszählung 2010 für die B87, die sich durch Leipzig schlängelt und im Nordosten über Taucha und Torgau Richtung Brandenburg führt, öffentlich. Sauber abschnittsweise dargestellt, so dass der Interessent auch nachvollziehen kann, woher der Verkehr kommt, der auf der Bundesstraße fährt. Denn sie hat ja nicht auf voller Länge die gleiche Verkehrsdichte. Sie dient auch nur in Teilen dazu, den Wirtschaftsverkehr von der Metropole Leipzig Richtung Nordost zu führen. Auch nicht in dem immer wieder diskutierten Stück zwischen Leipzig und Torgau. Im Gegenteil.

Auf der B87 westlich Torgau von und nach Leipzig sind täglich gerade einmal 8.900 Fahrzeuge unterwegs, das sind gerade einmal 300 mehr als zur Zählung 2005. Von den für 2015 einmal vorhergesagten rund 25.000 ist die Region weit entfernt. Diese Zahl wird nur auf dem Teilstück erreicht, das direkt durch das Leipziger Stadtgebiet führt – als Jahnallee und Lützner Straße ist die B 87 hier eine der wichtigsten innerstädtischen Radialen zwischen Stadtzentrum und Leipziger Westen.

Das hat mit der seit fast 20 Jahren lang kolportierten Frequenz der Bundesstraße von Sachsen nach Brandenburg nichts zu tun.

Der Schwerverkehrsanteil (Busse und Lkw über 3,5 Tonnen) ist von 1.100 Lkw am Tag im Abschnitt Torgau zwar leicht auf 1.280 angestiegen. Doch das Ziel scheint gar nicht das strukturschwache Südbrandenburg zu sein (das sich von einer breiteren B87 auch wahre Ansiedlungswunder verspricht), sondern der nächste Autobahnzubringer.Zwischen Jesewitz und Eilenburg, also noch näher an der A14 und Leipzig fahren gar nur 7.600 Fahrzeuge am Tag, davon sogar nur noch etwas über 600 Lkw. Man sieht die Fahrzeuge regelrecht von der B87 verschwinden. Viele Ortskundige nutzen nämlich schon ab Eilenburg die S4 über Krostitz zur Anschlussstelle Leipzig-Mitte an der A14. Von Herzberg nach Zwethau, also über die Landesgrenze von Brandenburg nach Sachsen, pendeln nur rund 4.200 Fahrzeuge täglich.

“Diese Zahlen belegen einmal mehr, wie wenig nötig ein Neubau einer B87n ist”, erklärt Bernd Brandtner, Mitglied im Kreisvorstand von Bündnis 90/Die Grünen in Nordsachsen.

“Die Klagen der Torgauer über hohe Verkehrsbelastungen, besonders durch den Lärm, sind also nur zum Teil auf den Fernverkehr der B87 zurückzuführen”, fügt er hinzu. “Auch dazu geben die Zahlenwerke des BASt Auskunft. Zum Einen pendeln aus dem nahen Umland, also Belgern, Dahlen, Dommitzsch und Umgebung viele zur Arbeit oder zum Einkauf nach Torgau ein, zum Anderen erzeugen die Torgauer selbst Verkehr, wenn sie innerstädtisch ihre Wege mit dem Auto erledigen. Diese Belastungen lassen sich jedoch mit einer Umgehungsstraße nicht verringern.”

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Im Gegenteil, die gezählten 12.900 Fahrzeuge auf der B87 in Torgau erzählen auch von den negativen Wirkungen der Suburbanisierung in den 1990er Jahren. Zahlreiche Torgauer haben sich – wie auch die Leipziger – ein “Häuschen” in einem der entstehenden Wohnparks im Umland gebaut und pendeln nun in die Stadt. Die Einkaufs-Center auf der “grünen Wiese” induzieren weiteren Verkehr. Der ÖPNV aber, der Verkehrsleistungen von der Straße holen könnte, fährt am politisch gewollten Sparlimit.

Und so fordert auch Brandtner, was eigentlich auf der Hand liegt: “Alternativen wären eine gute Erschließung der Region mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die viele Einzelfahrten erübrigen würden, sowie ein sinnvolles Rad- und Fußwegekonzept für die Stadt Torgau, welches in der Stadtentwicklung Vorrang vor Auto-gebundenen Lösungen erhalten sollte. Ein besonders wichtiges Element zur Förderung der Mobilität ohne Auto wäre ein Fußgänger- und Radfahrertunnel zur Unterquerung der Bahnlinie in Bahnhofsnähe, weil dadurch Krankenhaus, Arbeitsamt oder Einkaufszentrum leichter erreichbar werden und für die Bewohner im Stadtteil Nordwest auch der Bahnhof näher rückt.”

Das wäre dann eine nachhaltige Verkehrspolitik, die für die tatsächlichen Probleme auch echte Lösungen findet. Und nicht wieder – wie bei der Größerdimensionierung der B87 – neue Schulden machen will für ein Projekt, das in dieser Dimension tatsächlich nicht gebraucht wird. Eine vierspurige Straße, wie sie auch der zum Sparen gezwungene Landrat von Nordsachsen, Michael Czupalla (CDU), immer wieder fordert, wird schlichtweg nicht gebraucht. Und von den bis zu 43.000 Fahrzeugen pro Tag, die bisher in den Planungsansätzen standen, ist die B 87 erst recht Lichtjahre weit entfernt.

Die manuelle Verkehrszählung 2010 des Bundesamt für Straßenwesen: www.bast.de

Die Straßenverkehrszählung 2010 als PDF zum download.

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