Am Donnerstag, 19. Januar, gibt es die nächste Demonstration auf dem Leipziger Augustusplatz. Diesmal geht es gegen die "Verstraßung" des Leipziger Umlands und sinnlose Bauvorhaben. Hauptanlass: eine völlig überdimensioniertes Straßenprojekt im Leipziger Nordwesten.

Östlich von Leipzig soll die Bundesstraße B87 vierspurig neu gebaut werden. Als B87n verläuft sie dann von Polen über Brandenburg, Sachsen, Thüringen bis nach Hessen hinein, mitten durch noch nicht zerschnittene Landschaften, Naturschutzgebiete und Äcker.

Im Landkreis Nordsachsen regt sich Widerstand, so auch um Leipzig, wo die bisherige Planung einen Streckenverlauf südlich von Taucha vorsieht – quer durch das Naturschutzgebiet der Parthenaue und das Landschaftsschutzgebiet der Endmoränenlandschaft Taucha-Eilenburg. Was droht, ist die großflächige Zerstörung von Lebensraum für Pflanzen und Tiere, die Beeinträchtigung von Lebensraum für Menschen. Und das alles aufgrund veralteter und vor allem falscher Verkehrsprognosen und sehr einseitiger wirtschaftlicher Interessen einiger recht lautstarker Lobby-Gruppen.Dagegen wehren sich Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen seit mehreren Jahren, doch selbst ein zwischenzeitlicher Teilerfolg, der Ausschluss der Querung der Parthenaue, wurde durch einen klarstellenden Hinweis vom sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit wieder zunichte gemacht. Das intransparente Vorgehen der Behörden veranlasst die betroffenen Gemeinden und Bürgerinitiativen nun dazu, Klagemöglichkeiten zu prüfen.

“Der Planungsprozess ist bisher gekennzeichnet von erkämpften Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten einerseits, andererseits aber von obrigkeitsstaatlichem und intransparentem Agieren des sächsischen Staatsministeriums und seiner Behörden, was an einer Ergebnisoffenheit der Planung zweifeln lässt”, erklärt der Autobahnstammtisch Sehlis in seinem Aufruf zur Demonstration. “Ähnliches lässt sich beim Konflikt um die Baumfällungen für den Hochwasserschutz im Leipziger Auenwald beobachten: Auch hier ist – neben der Stadt Leipzig und der Landestalsperrenverwaltung – die Landesdirektion Leipzig beteiligt.”

Verkehrspolitisch ist die B87 unsinnig, auch wenn eine eine Studie der PTV AG für die IHK Cottbus aus dem Januar 2011 rasant wachsende Verkehrszahlen für die Straßenverbindung ergeben – erst recht, wenn die Bundesstraße auch noch vierspurig ausgebaut würde. Was die Studie nicht zeigt, ist, welche neu induzierten Verkehrsströme da für die Regionen anfallen, die direkt an der Strecke liegen. Denn wenn durch die Verbreiterung der Straße nur Verkehrsströme umgelenkt werden, erkauft sich die Region nur die Belastung – ohne tatsächlich wirtschaftlich zu partizipieren.

“Die B87n nützt nur wenigen großen Bau- und Transportunternehmen, nicht aber den Betrieben vor Ort”, stellt der Autobahnstammtisch Sehlis fest. Dazu kommen zwei wesentliche Fakten. Der eine ist die schlichte Tatsache, dass die B87 auf Jahre hinaus keine Finanzierung durch den Bund bekommen wird. Der andere ist die zunehmende Schuldenlast des Landes, mit der solche großdimensionierten Projekte immer unwahrscheinlicher werden.

“Die B 87 n führt nach Wolkenkuckucksheim”, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn. “Dieses Straßenprojekt wird keine Bundesregierung finanzieren können, es bleibt eine Fata Morgana der Regionalpolitiker.” Selbst der Bund sehe keinen verkehrlichen Bedarf für eine vierspurige B 87 n und deshalb sei der Neubau im Bundesverkehrswegeplan (BVP) bis 2015 nicht als vordringlicher Bedarf definiert, sondern stehe lediglich im sogenannten weiteren Bedarf. Und selbst der vordringliche Bedarf sei ein “Wunschzettel”, der aktuell 45 Milliarden Investitionen beinhaltet, aber nur knapp 10 Milliarden Mittel, die bis 2015 zur Verfügung stehen. “Das heißt, es liegen genehmigte, baureife Projekte auf Eis, weil das Geld dafür fehlt. Projekte aus dem weiteren Bedarf haben gar keine Chance, realisiert zu werden. Ich kann mich nicht erinnern, dass in Sachsen jemals ein Projekt aus dem weiteren Bedarf gebaut wurde”, so Kühn.

Am Donnerstag, 19. Januar, wollen die Initiativen, die nun schon seit Jahren gegen die Überdimensionierung der Pläne für den Straßenneubau und gegen die Zerstörung der Parthenaue kämpfen, mit Musik und Traktoren vom Augustusplatz durch die Fußgängerzone der Leipziger Innenstadt zur Landesdirektion Leipzig laufen und dort einen Offenen Brief an die Planenden überreichen. Anstatt hunderter Millionen für fragwürdige Straßenbauprojekte fordern sie den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, des Nahverkehrs und den Ausbau bestehender Trassen, denen unter der aktuellen Regierung in Sachsen gerade die Millionen gekürzt wurden.

Beginn der Demonstration ist am 19. Januar um 15:15 Uhr auf dem Augustusplatz.
Demonstrationsaufruf mit Informationen zum Planungsstand und den Forderungen an die sächsische Politik:
http://euve1547.vserver.de/b87n/DemonstrationsAufrufJanuar2012-B87n.pdf

Zur Liste der unterstützenden Initiativen und Einzelpersonen:
http://autobahnstammtisch-sehlis.blogspot.com/2012/01/moglichkeiten-zur-unterstutzung-der.html

Autobahnstammtisch Sehlis:
http://autobahnstammtisch-sehlis.blogspot.com

Bürgerinitiative “Alternative B87n”:
www.alternative-b87.de

Bürgerinitiative “Pro Parthenaue”:
www.pro-parthenaue.de

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