Leipzig folgt dem Vorbild zahlreicher Städte wie Köln, Potsdam, Münster und Mainz: Wer in den Bussen und Bahnen der LVB ohne gültiges Ticket erwischt wird, muss künftig keine Strafanzeige mehr fürchten. Das hat die Ratsversammlung am Mittwoch, dem 19. März, mit knapper Mehrheit entschieden. Auf das „erhöhte Beförderungsentgelt“ werden die LVB aber auch weiterhin nicht verzichten.
Wer ohne gültiges Ticket das Angebot der LVB nutzt, fährt „schwarz“ und begeht eine Straftat: das sogenannte „Erschleichen von Leistungen“. Verfolgt wird diese Straftat aber nur dann, wenn die LVB bei den Strafverfolgungsbehörden einen entsprechenden Antrag stellen.
Bislang sei es „gängige Praxis“ gewesen, „erst beim dritten Fahren ohne gültigen Fahrausweis innerhalb eines kurzen Zeitraums den Weg einer Strafanzeige zu gehen“, teilte das Dezernat für Stadtentwicklung und Bau in einer Stellungnahme mit. An jener Praxis wollte man eigentlich nichts ändern. Für Menschen mit geringem Einkommen gäbe es das „Deutschlandticket“ und andere vergünstigte Tickets.
Armut nicht länger bestrafen
Aus Sicht der Grünen-Fraktion, die den Antrag eingereicht hatte, war das aber nicht ausreichend. „Die aktuelle Praxis ist eine Bestrafung für Armut und ein Paradebeispiel für unnötige Bürokratie“, sagte Grünen-Stadträtin Chantal Schneiß in der Ratsversammlung. Sie und ihre Fraktionskollegin Kristina Weyh betonten, dass Strafanzeigen den LVB keine Vorteile bringen würden – nur zusätzlichen Aufwand.
Während AfD-Stadtrat Roland Ulbrich wie gewohnt seine Redezeit nutzte, um gegen Migrant*innen zu hetzen, verwies Sven Morlok (FDP) auf mögliche Folgeprobleme. Würde man „Schwarzfahren“ aus Rücksicht auf die Lebensverhältnisse von Menschen nicht mehr strafrechtlich verfolgen, könnte man dann bei Ladendiebstählen nicht ähnlich argumentieren?
Verwaltung lehnt ab
Baubürgermeister Thomas Dienberg trat Befürchtungen entgegen, der Antrag könnte rechtswidrig sein. Inhaltlich positionierte er sich nicht dazu, allerdings hatte die Stellungnahme aus seinem Dezernat empfohlen, den Antrag abzulehnen. Oberbürgermeister Burkhard Jung votierte bei der Abstimmung gegen den Antrag.
Dank der Stimmen von Grünen, Linken, SPD sowie drei Mitgliedern der Freien Fraktion reichte es trotzdem für eine knappe Mehrheit. CDU und AfD stimmten gegen den Antrag; das BSW enthielt sich.
Ein Änderungsantrag der SPD wurde dabei mit beschlossen: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich über den Deutschen Städtetag für eine bundesweite Reform des Paragraphen 265a im Strafgesetzbuch einzusetzen.“ Dabei handelt sich um den erwähnten Paragraphen für „Erschleichen von Leistungen“. Zur Begründung hieß es bei der SPD: „Wir denken, dass der veraltete Paragraph aus dem Jahr 1935 endlich gestrichen werden sollte.“
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