Da freute sich selbst SPD-Stadtrat Andreas Geisler, dass nun auch die „Kollegen von der CDU“ das Thema wassersensible Stadt für sich entdeckt haben. Etwas später als andere Fraktionen, vielleicht aufgeschreckt durch einen kleinen Starkregen im Jahr 2024, der einen Teil des südlichen Leipzigs kurzzeitig unter Wasser setzte.
Aber mit dem Antrag „Teiche als Regenwassersammler und Regenrückhaltebecken“ nahm die CDU-Fraktion eine Frage auf, die damals im Raum stand: Hat denn Leipzig nicht auch Teiche und Rückhaltebecken, die solche Wassermassen kurzzeitig aufnehmen können? CDU-Stadtrat Falk Dossin warb in der Ratsversammlung am 19. März dafür.
Und er rannte offene Türen ein. Denn längst beschäftigt sich auch Leipzigs Umweltdezernat mit dem Thema „Schwammstadt“. Und das auch nicht erst seit 2024.
„Bisher gehen die Niederschlagsabwässer zum großen Teil durch unterirdische Rohre bis zum Klärwerk Rosental und werden dann in die Flüsse abgeleitet. Bei Starkregenereignissen wird das Abwassernetz überfordert. Das Regenwasser wird dadurch mit teils massiver Schmutzfracht direkt in die Fließgewässer abgeleitet. Bei der von uns beschriebenen Umwidmung, wäre es möglich, dass wir die Teiche als Regenrückhaltebecken nutzen können.
Dies würde das System Schwammstadt deutlich verbessern, wenn wir schon allein aus den Ortschaften mit Teichen die Regenwässer gar nicht oder nur gedrosselt durch die Rohrleitungen fließen lassen. Dies würde auch das Klärwerk in Starkregensituationen entlasten.
Ein weiterer positiver Effekt wäre, dass die Teiche wieder mehr Wasser erhalten und durch verstärkte Verdunstung ein Abkühlungseffekt vor Ort im Sinne des Hitzeaktionsplanes entsteht“, beschrieb der Antrag der CDU-Fraktion das Anliegen.
„Sowohl in Neubaugebieten als auch im Bestand besteht der Bedarf an Regenrückhaltung. Dadurch entstehen recht häufig an zentralen Stellen Anlagen, welche eine einseitige technische Verwendung haben. Im Sinne der Aufenthaltsqualität sollte hier eine Mehrfachnutzung angestrebt werden. Hier muss es eine Lösung geben, wie man dies rechtliche und auch in der Bewirtschaftung ermöglicht. Ein Zaun um einen naturnahen Bereich mitten im Wohngebiet ist keine bürgerfreundliche Lösung.“
Schwammstadt ist seit 2017 Thema
Das klingt zwar, als täte die Stadt da noch nichts. Aber wie Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal bestätigte, gehört auch die Untersuchung der Dorfteiche für den Wasserrückhalt in der Stadt zum Untersuchungsgebiet „Wassersensible Stadtentwicklung“, die unter anderem auch durch einen Antrag der SPD-Fraktion von 2017 angestoßen wurde.
Es gibt da nur ein paar technische Definitionen, die die Sache nicht ganz so einfach machen, wie Falk Dossin sich das vorstellte.
„Dem grundsätzlichen Anliegen des Antrages, Standgewässer als Bestandteil einer nachhaltigen Niederschlagswasserbewirtschaftung zu entwickeln, kann entsprochen werden und wird teilweise bereits umgesetzt. Multifunktionalität und Erlebbarkeit der Gewässer sind aus Sicht der Stadtverwaltung dabei gegenüber rein technischen Lösungen zu bevorzugen. (…)
Die nominelle Umwidmung von Teichen in ‚Regenrückhaltebecken‘ würde jedoch bedeuten, Gewässer als technische Anlagen zu deklarieren. Ein Regenrückhaltebecken ist ein künstlich angelegtes Becken, um ausschließlich Regenwasser zu speichern, damit es langsam in Gewässer oder in die Kanalisation eingeleitet wird“, betonte das Umweltdezernat in seiner Stellungnahme.
Und man müsse auch gar nicht erst bei der Landesdirektion nachfragen, wenn man diese Anlagen für die „Schwammstadt“ nutzbar machen wolle, so Rosenthal. Die Dorfteiche z.B. sind allesamt Gewässer 2. Ordnung, stehen also in der Obhut der Stadt. Sie für den Regenrückhalt zu nutzen, sei also keine neue Aufgabe.
Nur ging Dossin in seiner Rede vor allem auf jüngst erfolgten Absperrungen mehrerer Rückhaltebecken durch neue Zäune ein.
Bei insgesamt fünf Regenrückhaltebecken sei das so passiert, ergänzte ihn in seiner Rede dann SPD-Stadtrat Andreas Geisler, der sich noch einmal deutlich als Verfechter der wassersensiblen Stadt zeigte. Bei 21 Rückhaltebecken gibt es bislang so eine Absicherung nicht.
Warum ein Dorfteich nicht zum Rückhaltebecken werden kann
Aber ob das so bleibt, ist offen, betonte das Amt für Stadtgrün und Gewässer in der Stellungnahme der Stadt: „Regenrückhaltebecken bedürfen einer wasserrechtlichen Genehmigung und müssen gem. § 60 WHG nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, betrieben und unterhalten werden.
Dazu gehören beispielsweise Unfallverhütungsvorschriften, weswegen Regenrückhaltebecken i. d. R. eingezäunt und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Teiche als reine Regenrückhaltebecken zu nutzen, würde überdies bedeuten, dass nach einem Regenereignis der Wasserstand in diesen Teichen über eine Staulamelle deutlich abgesenkt werden müsste, um freies Rückhaltevolumen für ein nachfolgendes Regenereignis zu schaffen.
Auch für die Widmung als Löschwasserteiche sind technische Anforderungen (DIN 14210), wie z.B. eine umlaufende Einfriedung oder ein ausgewiesener Zufahrtsbereich, zu beachten, die dem Anliegen des Ursprungsantrags entgegenstehen. Dies schließt jedoch die Nutzung als Löschwasserquelle nicht grundsätzlich aus.
So könnte ein ‚Dorfteich‘ beispielsweise durch die Installation einer Saugstelle auch relativ unauffällig als größere Löschwasserreserve vorgesehen/genutzt werden. In Anbetracht der klimatischen Entwicklung und sich daraus ergebener Restriktionen für andere Löschwasserquellen sollten solche Lösungen im Einzelfall geprüft werden.“
Was ja wohl heißt: Im Sinne der Erlebbarkeit und der Kühlung in heißen Monaten wäre es gar keine gute Idee, die Dorfteiche in Regenwasserrückhaltebecken zu verwandeln. Dem Dorfbild würde das auch nicht guttun.
Prüfung bis Herbst 2025
Aber die Grundidee hinter dem Antrag der CDU-Fraktion fand Heiko Rosenthal gut. Weshalb der Verwaltungsvorschlag auch als Alternative formulierte: „Der Oberbürgermeister prüft bis zum Ende des III. Quartals 2025, inwieweit Standgewässer für die nachhaltige Niederschlagswasserbewirtschaftung im Sinne der wassersensiblen Stadtentwicklung vermehrt genutzt werden und für die Öffentlichkeit zugänglich und erlebbar gemacht werden können.“
Wobei das Problem der Dorfteiche eben nicht gerade ist, dass sie (nicht) als Regenwasserrückhalt funktionieren, sondern dass ihnen oft der Zulauf fehlt, weil die Gräben in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten der Stadt trocken liegen und auch wichtige Grüninseln als Wasserrückhalt fehlen. Ein Thema, das besonders im Leipziger Norden akut ist.
Da die Verwaltungsvorlage aber versprach, bis zum dritten Quartal eine Prüfung für die Dorfteiche und Rückhaltebecken vorzulegen, stimmte Falk Dossin zu, den Verwaltungsvorschlag zur Abstimmung zu stellen, sodass dieser dann von der Ratsversammlung auch einstimmig angenommen wurde.
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