Es ist ein sachsenweites Problem, eigentlich ein deutschlandweites: Im ganzen Land sinken seit Jahren die Geburtenzahlen. Warum das so ist, darüber wurde zwar in der Ratsversammlung am 19. März nicht diskutiert. Aber auch Leipzig ist mit dem Problem der sinkenden Geburtenzahlen konfrontiert, das die Stadt genau in dem Moment trifft, in dem das vor über zehn Jahren gestartete Kita-Bauprogramm fast vollendet ist. Auf einmal steht das gegenteilige Problem im Raum: Kitas müssen schließen. Und was wird mit dem Fachpersonal? Ein Antrag der Linksfraktion griff das Thema auf.

Die nackten Zahlen sind erschreckend genug. Wurden in Leipzig im Jahr 2020 noch 6.468 Kinder geboren und im Folgejahr 6.252, gab es schon 2022 den ersten leichten Rückgang auf 5.682 und dann 2023 einen regelrechten Absturz auf 4.900 und 2024 dann 4.819 Geburten.

Das kann sich jeder ausrechnen, was das bedeutet, denn das sind tausende Kita-Plätze, die auf einmal nicht mehr gebraucht werden. Das ist ein gewaltiges demografisches Problem für ein Land, dem heute schon der Nachwuchs für die qualifizierten Jobs in der Wirtschaft fehlt.

Aber die Antwort kann nicht heißen, dass jetzt einfach wieder reihenweise Einrichtungen geschlossen werden und das wertvolle Betreuungspersonal einfach gekündigt wird.

„Sachsen hat schon heute den schlechtesten Betreuungsschlüssel bundesweit“, sagte Linke-Stadträtin Juliane Nagel am 19. März, nachdem der Antrag der Linken trotzdem aufgerufen wurde. Die SPD-Fraktion hatte beantragt, ihn in die April-Sitzung zu verschieben, wenn tatsächlich klar wäre, wie die sächsische Staatsregierung mit dem im September 2024 noch vom alten Landtag beschlossenen Kita-Moratorium umgeht. Doch der Stadtrat wollte keine Verschiebung, sondern eine Behandlung am 19. März. Auch als „Zeichen nach Dresden“, wie Juliane Nagel sagte.

Zwei Millionen Euro „zusätzlich“?

„Am 26. September 2024 hat der Sächsische Landtag ein sogenanntes Kita-Moratorium beschlossen. Im Beschluss heißt es, dass die neue Regierung gebeten wird ‚im Regierungsentwurf zum Doppelhaushalt 2025/2026 für die Förderung der Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege im Jahr 2025 im Sinne eines ‚Kita-Moratoriums‘ die Mittel des Jahres 2024 zunächst auf gleichem Niveau fortzuschreiben und im Zuge der vorläufigen Haushaltsführung bis zum Beschluss des Doppelhaushalts 2025/2026 eine entsprechende Bewirtschaftung sicherzustellen‘. Zur Verteilung der Mittel solle ein Verfahren gefunden werden“, hatte die Linksfraktion ihren Antrag begründet.

Der Sächsische Städte- und Gemeindetag warnte in einer Mitteilung davor, dass das Kita-Moratorium zur Belastung der Kommunen und Eltern führen würde. Dies beinhaltet der Landtagsbeschluss zwar nicht, es ist aber nicht auszuschließen, dass der Landeszuschuss an die Bedingung der kommunalen Co-Finanzierung geknüpft wird.“

Aber wie sollte Leipzig mit den frei werdenden Mitteln umgehen? Immerhin bedeutet ja die Fortschreibung auf Landesebene 29 Millionen Euro, die dann „zusätzlich“ verfügbar wären. Rund zwei Millionen davon würden auf Leipzig entfallen.

Die Linke hatte da schon konkrete Vorstellungen: „Aus Sicht der Linken soll die Kommune so weit wie möglich frei über die Mittel verfügen können, vor allem soll die Erhöhung von Elternbeiträgen in diesem Kontext ausgeschlossen werden.

Teile der zusätzlichen Mittel sollen für die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels in besonders belasteten Kita vom 13.12.2023 eingesetzt werden können. Dies scheiterte bisher einerseits an finanziellen Mitteln, andererseits daran, dass es einen Förderausschluss für die Kita gibt, die bereits über ESF-finanzierte Kita-Sozialarbeit verfügen.“

Steht das Geld wirklich zur Verfügung?

Also sollte das Geld vor allem dazu dienen, so Juliane Nagel, das wertvolle Personal in den Kitas zu halten und damit die Betreuungssituation in mehreren Einrichtungen zu verbessern. Auch in den sächsischen Kitas wird ja derzeit gestreikt – nicht nur, weil die Kita-Betreuer/-innen höhere Vergütungen fordern. Sie fordern auch bessere Arbeitsbedingungen, denn der sächsische Betreuungsschlüssel bedeutet nun einmal massive Mehrbelastung und höhere Erkrankungsraten bei den Betreuerinnen und Betreuern.

Das Amt für Jugend und Familie freilich hatte den Effekt des Kita-Moratoriums nicht ganz so optimistisch gesehen und in seiner Stellungnahme deutlich gemacht, dass das Geld eigentlich nicht zusätzlich zur Verfügung steht: „Vielmehr dienen die Mittel aus dem Landeszuschuss – inklusive derer aus dem Moratorium – der Gewährleistung des laufenden Kita-Betriebs. Es handelt sich dabei aus Sicht der Verwaltung nicht um Mehrerträge, die für zusätzliche Aufgaben zur Verfügung stehen.

Mit dem Beschluss des Landtages zum Kita-Moratorium zur Sicherung der ‚demografischen Rendite‘ erhält die Stadt Leipzig voraussichtlich etwa 2 Millionen Euro höhere Landesmittel als nach der aktuellen Gesetzeslage im § 18 SächsKitaG. Der damit in Aussicht gestellte Landeszuschuss 2025 liegt dennoch unterhalb des veranschlagten Planansatzes von 154.192.350 Euro.

Darüber hinaus enthält der Beschluss keine verbindliche Finanzierungszusage für das Jahr 2026. Ab besagtem Jahr sieht der Haushaltsplan jedoch eine Dynamisierung sowie eine unterstellte Kostenerstattung 2025/2026 aus der Forderung der Weiterführung des Ukraine-Erlasses vor.“

Die eigentliche Ratsvorlage für die künftig auch in Leipzig wieder steigenden Kita-Beiträge wird in der April-Ratsversammlung auf der Tagesordnung stehen.

Die Kosten in den Kitas steigen auch schon allein aufgrund von Inflation und höheren Tarifabschlüssen.

Die Ratsmehrheit sah trotzdem mit dem Geld aus dem Kita-Moratorium die Möglichkeit, Personal in den Leipziger Kindertagesstätten zu sichern und sendete entsprechend am 19. März auch ein Zeichen: Mit 34:25 Stimmen unterstützte sie den Linke-Antrag zum Umgang mit dem Geld aus dem Kita-Moratorium.

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