Zum Ende der Fragestunde am 19. März im Leipziger Stadtrat wurde es noch einmal richtig laut. Und Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning wurde recht deutlich, als er die Qualität der Mitarbeiter auch im Ordnungsamt der Stadt verteidigte. Die vielleicht gar nicht angegriffen war, auch wenn es natürlich um die Frage ging, die schon 2020 im Stadtrat heftig diskutiert wurde: Wie bekommt Leipzig überhaupt genug qualifizierte Mitarbeiter/-innen für die Einbürgerungsanträge in der Ausländerbehörde? Denn die Bearbeitungszeiten haben sich inzwischen auf drei Jahre erhöht. Ein inakzeptabler Zustand.
Das betonte auch OBM Burkhard Jung, nachdem insbesondere CDU-Stadtrat Lucas Schopphoven und AfD-Stadtrat Christoph Neumann immer wieder insistiert hatten, in der Ausländerbehörde sollten doch eigentlich nur Verwaltungsfachleute des höheren Dienstes – z. B. mit einem Fachhochschulabschluss in Meißen – arbeiten. Was ja irgendwie stimmt.
Was aber das Problem, das in den vergangenen fünf Jahren immer mehr angewachsen ist, völlig ignoriert: Leipzig hat – wie alle anderen Kommunen in Deutschland – massive Probleme, überhaupt genug Mitarbeiter/-innen für die Ausländerbehörde zu gewinnen.
„Bereits im Jahr 2022 befasste sich der Stadtrat ausgiebig mit dem Bearbeitungsstau bei Einbürgerungsanträgen in Leipzig und beauftragte den Oberbürgermeister neben einer Stellenaufstockung in der Ausländerbehörde sowie dem Schaffen einer Organisationseinheit für Einbürgerungsverfahren weitere Maßnahmen zur Beschleunigung der Abarbeitung des Staus sowie neuer Anträge zu ergreifen. Im Juni 2024 trat zudem das neue Staatsangehörigkeitsgesetz, u.a. mit früheren Einbürgerungsfristen, in Kraft“, stellte die Linksfraktion dazu in ihrer jüngsten Anfrage fest, die zur Ratsversammlung am 19. März beantwortet wurde.
Und zu der Linke-Stadträtin Juliane Nagel eine ganze Reihe Nachfragen hatte. „Bereits im Februar 2023 hat das OVG Bautzen zudem eine Untätigkeitsklage eines Antragsstellers auf Einbürgerung entschieden, wonach die vorgebrachten Argumente für die langen Bearbeitungszeiten nicht nachvollziehbar wären und die benötigte Bearbeitungsdauer sich zu weit von der in § 75 Satz 2 VwGO enthaltenen gesetzgeberischen Wertvorstellung entfernt habe.“
Es fehlt an Bewerbern für die Ausländerbehörde
Nur: Die immer längeren Bearbeitungszeiten resultieren direkt aus dem Personalmangel, wie das Ordnungsdezernat in seiner Antwort eigentlich recht detailliert ausgeführt hatte. Schon 2021 hatte der Stadtrat mehr Stellen beantragt. OBM Jung lehnte damals ab. Was er am 19. März auch bestätigte. Denn schon damals hatte die Stadt Schwierigkeiten, die schon existierenden Planstellen überhaupt zu besetzen.
Und bereits zu dieser Zeit war absehbar, dass Leipzig in einen noch viel stärkeren Bearbeitungsstau geraten würde, denn jetzt erreichten nach und nach auch die 2015 nach Leipzig Geflüchteten den Status, dass sie einen Antrag auf Einbürgerung stellen konnten.
Und der Stau, der sich da inzwischen aufgebaut hat, ist enorm: „Derzeit stehen ca. 11.400 Personen auf der Warteliste für die Einbürgerung (Stand: 28.02.2025). In Bearbeitung sind aktuell ca. 600 Verfahren. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Personen, welche sich seit mind. 2022 auf der Warteliste befanden. Im April werden die nächsten Personen von der Warteliste in Bearbeitung genommen. Im Jahr 2023 wurde 687 Personen die deutsche Staatsangehörigkeit erteilt und 2024 1.581 Personen.“
Noch immer 14 Stellen unbesetzt
Die Stadt hat zwar die Stellen in der Ausländerbehörde deutlich erhöht, hat aber gewaltige Nöte, dafür die nötigen Bewerber/-innen zu bekommen. Das bestätigte am 19. März auch noch einmal Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal.
„Das Sachgebiet Einbürgerung (OE 32.76) verfügt derzeit über 31 Stellen, von denen 17 mit Mitarbeitenden (16,923 VZÄ) besetzt sind. Die übrigen befinden sich derzeit in Besetzung“, hieß es in der Auskunft seines Dezernats. „Über eine weitere Zuführung zusätzlicher Stellen kann aktuell keine Aussage getroffen werden.“
Weshalb sich die Verwaltung jetzt Gedanken darüber macht, Personal aus dem mittleren Dienst zu qualifizieren, um auf die immer noch freien Stellen in der Ausländerbehörde rücken zu können.
„Die Senkung der Personalintensität pro Einbürgerungsvorgang soll dadurch herbeigeführt werden, dass künftig – wie auch in anderen Einbürgerungsbehörden – neben den Stellen im gehobenen Dienst, Mitarbeiter im mittleren Dienst bei der Vorbereitung der Einbürgerungsentscheidungen unterstützen, was die Personalkosten pro Einbürgerungsvorgang senken wird.
In diesem Zusammenhang wurde in den Fachausschüssen über die oben genannten Umstände, die erfolgten Abwägungen und die beabsichtigte Personalzuführung informiert“, lautet der konkrete Passus aus der Antwort des Ordnungsdezernats. Was dann Lucas Schopphoven und Christoph Neumann auf den Plan rief, die das ganz offensichtlich völlig unangebracht fanden und Probleme dann bei der Rechtmäßigkeit der ausgestellten Einbürgerungsurkunden befürchteten.
Ein Dilemma. Natürlich. Das Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning dann auch als deutlich vorgebrachtes Misstrauen in die Qualität der Mitarbeiter/-innen in der Ausländerbehörde interpretierte. Und dann wurde es laut.
Schon jetzt ist Einbürgerung ein strenger bürokratischer Akt
Was der Sache freilich nicht guttut. Und das Problem schon gar nicht löst, wie auch OBM Jung betonte, der in gewisser Weise den Gesetzgeber kritisiert, der die Kommunen hier mit Gesetzen konfrontiert, die die Kommunen personell gar nicht bewältigen können.
Denn Hintergrund des Bearbeitungsstaus ist ja genau das, was Schopphoven und Neumann meinten, aber nicht aussprachen: Dass der Prüfaufwand für jeden einzelnen Einbürgerungsantrag mittlerweile so hoch ist und so streng, dass mit dem vorhandenen Personal ein Abbau des Antragsstaus gar nicht zu bewältigen ist.
Und die Zahlen dazu hat das Ordnungsdezernat (Stand Februar 2025) auch geliefert. „In den kommenden sechs Monaten werden voraussichtlich Anfragen aus den folgenden Zeiträumen bearbeitet: Anfragen aus März 2022 voraussichtlich bis Ende Februar 2025; Anfragen aus April 2022 voraussichtlich bis Ende April 2025;
Anfragen aus Mai 2022 voraussichtlich bis Ende Juni 2025.“
Das heißt: Antragsteller warten inzwischen drei Jahre lang auf die Bearbeitung ihres Antrags. Unzumutbar fand das nicht nur FDP-Stadtrat Sven Morlok. Für die Betroffenen bedeutet das natürlich, dass sie entweder geduldig und jahrelang auf ihren Einbürgerungsbescheid warten. Oder den Klageweg beschreiten, der ihnen dann natürlich offen steht.
„In den Jahren 2023 und 2024 wurden insgesamt jedoch 93 Untätigkeitsklagen erhoben“, teilt das Ordnungsdezernat dazu mit. „Gerichtliche Entscheidungen gegen die Stadt Leipzig wurden 2023 und 2024 in diesen Verfahren bisher nicht erlassen. Mehrere Verfahren wurden jedoch eingestellt, da die Personen im Laufe des Klageverfahrens eingebürgert wurden und sich das Verfahren somit erledigt hatte.“
Der Klageweg scheint einzelne Einbürgerungsverfahren dann irgendwie zu beschleunigen. Aber das bringt natürlich für den riesigen Rückstau nichts. Und die Stadt kann nur versuchen, die immer noch offenen 14 Stellen schnellstmöglich zu besetzen. „Wir sind dabei“, sagte Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal.
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Keine Kommentare bisher
Naja, so richtig ernst kann die Stadt ihre Stellenbesetzungsversuche nicht meinen. Ich hatte mich Anfang 2022 auch mal auf eine der Stellen beworben. Da kam erst nach anderthalb Jahren überhaupt irgendeine Reaktion. Auch wenn es eine negative Antwort war, nicht gerade professionell.