Am Donnerstag, 13. Februar, fand im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig eine Podiumsdiskussion des BUND mit den Direktkandidatinnen und Direktkandidaten zur Bundestagswahl, fรผr den Wahlkreis Leipzig Sรผd, statt. Das bisher im Wahlkampf vernachlรคssigte Thema Klimapolitik stand dabei im Fokus. Bis auf Nadja Sthamer (SPD) und Peter Jess (FDP) lieรen sich die Kandidierenden vertreten, da fast gleichzeitig ein weiteres Podium stattfand. So stiegen fรผr die CDU Christian Aegerter, fรผr Bรผndnis 90 / Die Grรผnen Monika Lazar, fรผr die Linke Marco Bรถhme und fรผr das BSW Dr. Hendrik Rudolph in den Ring.
Bereit die erste Frage zur Biodiversitรคt hatte es in sich: Welche Maรnahmen plant Ihre Partei, um den (globalen) Schutz der Biodiversitรคt zu fรถrdern und den Verlust der Arten und Lebensrรคume zu stoppen?
Alle vertretenen Parteien, zumindest die anwesenden Vertreter, sehen den Verlust der Artenvielfalt als Problem an, was genau in den Wahlprogrammen geplant ist, ging aus der Diskussion oft nicht hervor.
Wenn Christian Aegerter beispielsweise beginnt mit: โFรผr mich ist das Thema Biodiversitรคt und Klimaschutz eine der zentralen Fragen.โ, dann ist das Folgende ein persรถnliches Statement und kein Parteiprogramm.
Er ist รผbrigens, wenn auch nicht Direktkandidat, ein erfahrener Politiker und Verwaltungsmensch, der genau weiร, was er sagt. Das Loblied auf die wunderbaren Blรผhstreifen in Bayern wird, durch โwo es mรถglich ist, soll auch die Biodiversitรคt ihren Raum habenโ und โhat dort mรถglicherweise auch Grenzen, wo es um die konventionelle Landwirtschaft gehtโ stark relativiert. Es geht hier aber nicht gegen die CDU, es geht um persรถnliche Meinungen und Wahl- oder Regierungsprogramme und deren Inhalte. Insofern war es eine ehrliche Aussage.
Dr. Hendrik Rudolph war genauso ehrlich, als er sagte: Es gibt keinen konkreten Punkt im Programm des BSW, aber: โMeine Erinnerung ist so, dass Schutz der Bรถden und der Flรคchen dort zumindest als gemeinsamer Punkt verankert ist.โ Alles Weitere bat er, als seine persรถnliche Meinung zu betrachten. Das wรคre in seinem Wahlkreis, er ist Direktkandidat in Leipzig-Land, wahrscheinlich gut angekommen.
Auch Peter Jess รคuรerte seine, durchaus zustimmende und fundierte Meinung zum Thema, betrachtete dieses auch durchaus global, aber zum Programm der FDP und dessen diesbezรผglichen Inhalten war nicht wirklich etwas dabei.
Grรผne, SPD und Linke konnten mit konkreten Programmpunkten aufwarten, wobei Nadja Sthamer als Bundestagsabgeordnete leichte Vorteile hatte.
Der Punkt wurde so ausfรผhrlich behandelt, weil sich das Problem persรถnliche Meinung vs. Parteiprogramm durch das gesamte Podium zog. Klimapolitik war fรผr alle wichtig, die konkreten Punkte in den Programmen blieben bei den drei Parteien CDU, FDP und BSW oft schwammig.
Chemikalien und Verschmutzung
โWelche Maรnahmen plant Ihre Partei, um die Belastung von Menschen und Umwelt durch Chemikalien zu reduzieren und den รbergang zu einer giftfreien Kreislaufwirtschaft zu fรถrdern?โ war die zweite Frage.
Hier stand erwartungsgemรคร Wirtschaftspolitik, vertreten besonders durch die CDU, kontrรคr zur Klimapolitik von Grรผnen, SPD und Linken. Peter Jess sagte: โIch wรผrde sagen, dass das FDP-Programm sehr schwach aufgestellt ist in dieser Thematikโ, brachte aber den aktuellen Wahlkampf mit der enormen Menge an Plakaten in die Diskussion ein, was auch zur Abschweifung รผber verschiedene Materialien, deren Recyclingfรคhigkeit und Begrenzung von Wahlwerbung fรผhrte.
Das aber nur nebenbei. Hier wurde die Diskussion durchaus hitzig. Es ging unter anderem um das Lieferkettengesetz, welches die CDU abschaffen will, um Kreislaufwirtschaft, die alle befรผrworten, aber die CDU und FDP ohne Einschrรคnkungen der unternehmerischen Freiheit wollen.
Die Transformation der chemischen Industrie war ein groรes Thema, allerdings wurden die Chancen einer solchen klimafreundlichen Transformation durch neue Technologien oft kleingeredet oder gar nicht erst betrachtet. Einig waren sich die Diskutanten darรผber, dass die Langlebigkeit und Reparaturfรคhigkeit von Produkten gestรคrkt werden muss, der Weg โ ob Regulierung oder Freiwilligkeit โ war dagegen strittig.
Es gab fรผr den Autor auch unfreiwillig komisch wirkende Aussagen, beispielsweise รผber das Verbot von Mikroplastik, welches Marco Bรถhme ins Spiel brachte. Ja, wir mรผssen verhindern, dass Mikroplastik in die Umwelt gelangt, aber die grรถรte Quelle von Mikroplastik ist der Reifenabrieb von Kraftfahrzeugen, nicht die chemische Industrie.
Weitere Fragen an die Teilnehmer
Aufgrund der gebotenen Kรผrze eines Artikels werden wir auf die weiteren Fragen nicht einzeln eingehen. Die gesamte Podiumsdiskussion wird der BUND auf seiner Webseite online stellen.
โWie will ihre Partei sicherstellen, dass Deutschland seiner globalen Verantwortung im Klimaschutz gerecht wird und die am stรคrksten vom Klimawandel betroffenen Lรคnder unterstรผtzt?โ
โWelche Ansรคtze verfolgt Ihre Partei, um Suffizienz, als Leitprinzip in der Wirtschaftspolitik zu verankern und vom Paradigma des unbegrenzten Wachstums abzurรผcken?โ
โWie soll eine Verkehrswende gelingen, welche konkreten Maรnahmen plant ihre Partei, um Verkehr weniger klimaschรคdlich zu gestalten?โ
Letztere war die Frage aus dem Publikum. Auch bei diesen Themen gab es prinzipiell Einigkeit รผber deren Bedeutung, aber groรe Differenzen in den Mitteln zum Erreichen von Verbesserungen. Meist waren es โWirtschaftsfreundlichkeitโ gegen regulatorische Maรnahmen zum Klimaschutz.
Wir haben nach dem Podium noch zwei Stimmen eingefangen.
Lisa Falkowski vom BUND, die das Wahlpodium moderierte, fragten wir, wie sie den Verlauf einschรคtzt und was sie fรผr sich aus der Diskussion mitnimmt.

โIch fand, wir hatten eigentlich eine sehr gute Veranstaltung, es wurde viel diskutiert. Man hat aber gemerkt, dass irgendwie jeder eher fรผr sich persรถnlich gesprochen hat, weniger so parteispezifisch. Das ist mir auch beim BSW sehr aufgefallen. Wir sind auch รถfter mal vom Thema abgekommen, weil jeder natรผrlich im Wahlkampf immer seine Themen platzieren will, musste noch das eine oder andere unterbringen. Das ist dann auch gelungen, weil ich hab das jetzt das erste Mal gemacht, so ein Podium zu moderieren. Deswegen hab ich mir Mรผhe gegeben, da ein bisschen Ordnung zu halten.
Ich denke, ich habโs ganz gut gemacht. Und es waren auch zum Glรผck Themen, die fรผr mich persรถnlich wichtig waren, also Biodiversitรคt und was die chemische Belastung angeht von Menschen, das ist halt auch mein persรถnliches Thema. Deswegen fand ich das sehr spannend, da mal eine Aussage zu bekommen. Und ich fandโs super wichtig, dass wir Themen angesprochen haben, die bis jetzt noch gar nicht debattiert wurden. Es geht ja stรคndig nur noch um Migration und Krieg, um Klimaschutz und Naturschutz vor allen Dingen gar nicht.
Und das fand ich halt echt jetzt mal gut, einen Eindruck von den Menschen zu bekommen, die auch hier zur Wahl stehen. Ich war auch รผberrascht von der FDP, muss ich sagen. Sehr sympathisch, obwohl ich mit der FDP eigentlich weniger Berรผhrungspunkte habe. Aber ich muss sagen, der war mir menschlich einfach super sympathisch.โ
Wenig รผberraschend war auch der klimapolitisch umtriebige Jรผrgen Kasek anwesend. Wir fragten ihn nach seiner Einschรคtzung des Wahlpodiums.

โDas war aus meiner Sicht eine sehr kurzweilige Diskussion tatsรคchlich, mit den Kandidaten. Zwischendurch, das ist sehr spannend, das war auch sehr lebhaft, war fast ein Schlagabtausch. Aus meiner Sicht FDP und BSW sind deutlich abgefallen, beim BSW muss man das so ein Stรผck weit sehen, das Programm ist an der Stelle zum Umwelt- und Klimaschutz, da steht faktisch eigentlich gar nichts drin, der Kandidat ist auch nur kurz eingesprungen. Und spannend war zum Beispiel die letzte Runde zur Bildung, wo ich tatsรคchlich neutral sagen wรผrde, das hat der CDU-Kandidat eigentlich am besten gemacht.
Ansonsten hat man das schon gemerkt: unterschiedliche Aussagen, also unterschiedliche Schwerpunkte bei SPD und Linken, immer wieder sehr stark der Anspielpunkt zur sozialen Gerechtigkeit. Und ansonsten durchaus neue Erkenntnisse, dass ein CDU-Mann sagt, Atomkraft eigentlich gar nicht mehr, das ist ja komplett raus und auf der Bรผhne sagt, das steht sogar im Programm drin, ist schon erstaunlich. Andererseits quasi ein Linker, der sagt, ordnungspolitische Maรnahmen sind eigentlich gut und der Staat muss stรคrker eingreifen, ich dachte, okay, ist schon ein Vertauschen der Rollen, aber es war durchaus eine spannende Diskussion und ich glaube, wenn man sich das anguckt und ein Interesse fรผr ein Thema hat, hilft das schon, wen man wรคhlen sollte.โ
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