Da hat jetzt fast jede Fraktion einen toilettenpolitischen Sprecher. Aber der schöne spaßige Titel hilft ganz offensichtlich nichts, wenn es dann in einer Ratsversammlung darum geht, nach sieben Jahren endlich ein Toilettenkonzept für Leipzig zu beschließen. 2018 hatte der Seniorenbeirat beantragt, dass Leipzig endlich ein Konzept für mehr Toiletten im öffentlichen Raum braucht. Der damalige Stadtrat stimmte zu. Und dann tat sich viele Jahre nichts. Bis sich dann das Umweltdezernat vor zwei Jahren endlich ernsthaft an die Arbeit machte.
Ergebnis war ein am Ende 110 Seiten umfassendes Konzept, das nicht nur beschreibt, was für Toiletten Leipzig im öffentlichen Raum gern haben möchte, sondern auch die Orte, wo es mit einem Toilettenangebot besonders pressiert. Und auch, was es wahrscheinlich kostet und wie viele Leute dann bei der Stadtreinigung damit beschäftigt wären, die neuen Toiletten zu betreuen.
20 öffentliche Toiletten gibt es ja in Leipzig schon. Sie werden von der Firma RBL betreut, es gibt einen ordentlichen Vertrag. Aber was Leipzig dafür bekommt, ist auch aus Sicht von Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal nicht das, was „wir uns als Stadt darunter vorstellen.“
Weshalb sich die Verwaltung dazu entschlossen hat, die neuen, zusätzlichen Toiletten in Eigenregie der Stadt aufzustellen und auch von der stadteigenen Stadtreinigung betreuen zu lassen. Barrierefrei sollen die neuen Angebote sein und umweltfreundlich durch ein in Pilotprojekten – etwa im Lene-Voigt-Park – schon einmal ausprobiertes Trockentrennsystem.
Stadtvorschlag völlig umgeworfen
Aber am 12. Februar geriet das gesamte, so mühsam erarbeitete Toilettenkonzept im Stadtrat unter die Räder. Und zwar nicht durch den CDU-Änderungsantrag, der die Idee der Stadt, die Toiletten in Eigenregie zu betreiben, vom Tisch wischen wollte und aus Kosten- und Personalgründen sofort eine Ausschreibung für einen privaten Betreiber der Toiletten verlangte. C
DU-Stadtrat Falk Dossin versuchte in seiner Rede schon mal auszurechnen, wie personalaufwändig eigentlich der Vorschlag der Stadt gegenüber dem Normalbetrieb bei RBL wäre.
Aber der CDU-Antrag wurde von der Ratsversammlung mit 20:34 Stimmen abgelehnt.
Das Unglück geschah erst danach. Denn sowohl der Ortschaftsrat Lützschena-Stahmeln als auch der Stadtbezirksbeirat Nordost und der Stadtbezirksbeirat Alt-West hatten eigene Wünsche für neue Toilettenstandorte eingereicht.
Die Stadt hatte in ihrem Vorschlag sechs Standorte priorisiert, alle in den großen Parks der Stadt gelegen, wo gerade im Sommer der Nutzungsdruck besonders hoch ist und besonders viele Menschen einen Ort suchen, wo sie ihre Bedürfnisse befriedigen können. Die Grünen-Stadträtin Marsha Richarz nutzte ihre Rede, um die tatsächlich weit gefächerten Bedürfnisse in Sachen Toilettensuche einmal bildhaft aufzuführen. Selbst an Wahlkampfständen zur Stadtratswahl muss das ein von den Bürgern oft vorgebrachtes Thema gewesen sein.
Aber die 1,5 Millionen Euro, die die Verwaltung für die Einrichtung der ersten sechs Standorte kalkuliert hat, setzen Grenzen.
Und da begann am 12. Februar das Problem. Es begann mit dem Antrag des Ortschaftsrats Lützschena-Stahmeln, der sich am Bismarckturm, wo heute schon häufig Ortsteilfeste stattfinden, eine solche Toilette wünschte. Auch wenn Rosenthal betonte, dass man ganz bewusst erst einmal Standorte dort eingeplant hatte, wo der Nutzungsdruck besonders hoch ist – also in den großen Parks.
Doch die Ratsversammlung stimmte dem Änderungsantrag aus Lützschena-Stahmeln mit 35:14 Stimmen bei 9 Enthaltungen zu. Da war auf einmal der erste Standort beschlossen, der so nicht geplant war. Und Oberbürgermeister Burkhard Jung grübelte schon, welche andere Toilettenanlage dafür gestrichen werden müsste, damit es am Bismarckturm eine öffentliche Toilette gibt. Aber mit den anderen Änderungsanträgen ging das so weiter. 21:19 Stimmen bei 17 Enthaltungen bekam der Antrag aus dem SBB Nordost, in Schönefeld gleich vier neue Toilettenstandorte einzurichten.
Dann doch lieber vertagen
Das war der Zeitpunkt, an dem FDP-Stadtrat Sven Morlok ans Pult ging, um die Vertagung des ganzen Beschlusspakets zu beantragen. Denn damit waren schon fast alle von der Stadt priorisierten Toiletten in den großen Parks gecancelt. Im Doppelhaushalt gibt es nur die kalkulierten 1,5 Millionen Euro. Davon würden nun also die Toiletten in den Außenbezirken gebaut. Für die Parks bliebe kein Geld übrig. Auch der Änderungsantrag aus Lindenau bekam eine klare Mehrheit von 32:16 Stimmen bei neun Enthaltungen.
Was ja heißt: Da hat Leipzig jetzt endlich nach sieben Jahren ein beschlussfähiges Toilettenkonzept. Aber augenscheinlich hat die Zeit nicht gereicht, dass sich Verwaltung und Ratsfraktionen im Vorfeld darüber einigen konnten, wo die ersten sechs Toilettenanlagen hingestellt werden sollen. Im Grunde fegte die Ratsmehrheit an diesem Tag den kompletten Vorschlag der Verwaltung vom Tisch.
Da war Sven Morloks Antrag nur richtig: Hier muss man sich noch einmal zusammensetzen und gemeinsam eine Lösung finden.
Und so kam es auch: Mit 29:23 Stimmen bei drei Enthaltungen stimmte die Ratsversammlung dafür, das komplette Toilettenkonzept in die nächste Ratssitzung im März zu vertagen. In der Hoffnung, dass sich Verwaltung und Fraktionen dann auf eine gemeinsame Liste für die ersten sechs Toilettenstandorte einigen können.
Wobei weitere Standorte damit ja nicht erledigt sind. Doch sie werden erst mit den nächsten Haushalten der Stadt ab 2027 finanzierbar sein.
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Es gibt 2 Kommentare
Das ist unser lieber Stadtrat: Bereits geplantes einfach mal über den Haufen werfen oder Sinnlosanträge stellen. Und sich dann wundern dass alles so lange dauert oder immer mehr Personal benötigt wird.
Da hätte man sich wohl offenbar die Arbeit sparen können, eine Prio-Liste zu erarbeiten – augenscheinlich muss man nur vehement mit den Füßen stampfen, um immer wieder alles auf Eis zu legen. Aber das kennt man ja aus so vielen Sachverhalten mittlerweile.