Der Prozess um das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal dauert mittlerweile so lange, dass viele aktuelle Akteure gar nicht mehr wissen, wie alles angefangen hat und wie schon vor 15 Jahren diskutiert wurde. Die einen holen das โSchwerter zu Pflugscharenโ-Denkmal wieder aus der Versenkung, die nรคchsten fordern einen neuen Bรผrgerentscheid. Und ein โ mal wieder anonymer โ Petent meinte, dass Freiheit und Einheit nicht zusammengehรถren, und schrieb deshalb eine Petition, die dann am 15. Januar im Stadtrat zum Aufruf kam.
Es meldete sich zwar kein einziger Stadtrat zur Debatte. Aber das Abstimmungsergebnis sah dann doch etwas ungewรถhnlich aus.
โDer Petent fordert, dass das โFreiheits- und Einheitsdenkmalโ nicht mit der โFriedlichen Revolutionโ in Verbindung gestellt wird und sich die Stadt Leipzig fรผr eine Trennung der โFriedlichen Revolutionโ von der โDeutschen Einheitโ im Rahmen des Denkmalprozesses einsetztโ, fasst der Petitionsausschuss das Anliegen der Petition zusammen. โDer Petent argumentiert, dass das Denkmal historische Tatsachen verfรคlscht und mit den ursprรผnglichen Zielen der Proteste von 1989 nicht zu vereinbaren ist.โ
Aber das verkennt eben doch, dass die ganze Sache 2007 mit einem Vorstoร des Deutsche Gesellschaft e. V. begann, in Berlin ein solches Denkmal zu errichten. Der Sockel in Berlin ist fertig, die einzelnen Teile der Wippe sind auch schon gegossen. 2024 sollte eigentlich mit der Installation begonnen werden. Aber das klappte auch nicht. Die Kosten waren zuletzt auf 17 Millionen Euro gestiegen. Wahrscheinlich wird es noch viel teurer.
Dagegen wird das Leipziger Denkmal wesentlich preiswerter. Und darum, dass Leipzig als Stadt der Montagsdemonstrationen einfach nicht vergessen wird, bemรผhten sich Leipziger Abgeordnete 2008, die dann auch schafften, dass es ein eigenes Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig geben soll.
Stadt der Friedlichen Revolution
Das Referat strategische Kulturpolitik beschreibt den Werdegang in Leipzig so: โDie Stadt Leipzig verfolgt entsprechend der Beschlussfassung des Stadtrates zur Vorlage VII-DS-06974-NF-01 mit Unterstรผtzung des Bundes und des Freistaates Sachsen das Ziel, auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig zu schaffen. Grundlage dafรผr ist der Beschluss des Bundestages vom 4. Dezember 2008, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, neben dem Berliner Freiheits- und Einheitsdenkmal โgemeinsam mit dem Freistaat Sachsen und der Stadt Leipzig den Beitrag der Bรผrgerinnen und Bรผrger dieser Stadt zur Friedlichen Revolution auf angemessene Weise zu wรผrdigenโ.โ
Der erste Versuch, das Denkmal als groรen farbigen Raum auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz zu verwirklichen, scheiterte ja bekanntlich, nachdem die Stadt auch noch willkรผrlich die Wettbewerbsregeln geรคndert hatte.
Beim zweiten Prozess fรผr ein Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal ging es dann wesentlich ruhiger zu.
โIm Mai 2024 wurde der Wettbewerb um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig ausgelobt und endete mit der Entscheidung fรผr den Siegerentwurf โBanner, Fahnen, Transparenteโ im Oktober 2024. Dieser Entwurf soll nun die Grundlage fรผr die Umsetzung des Denkmals auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz bildenโ, schreibt die Stadt.
Und betont, dass Leipzig sowieso die Friedliche Revolution zum Themenschwerpunkt des Denkmals gemacht hat: โDas Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig soll an den Widerstand und das Engagement der Menschen fรผr Freiheit erinnern, und die Rolle der Bรผrgerbewegungen und der Montagsdemonstrationen von 1989 wรผrdigen. Beides stieร Verรคnderungen an, was den Weg zur deutschen Einheit ebnete, auch wenn diese zu Beginn der Friedlichen Revolution noch nicht das Hauptziel war.โ
Indirekt zur deutschen Einheit
Es ist schon seltsam, wenn man einen Denkmalentwurf vor sich hat, der die Leipziger Montagsdemonstrationen deutlich sichtbar macht und damit eben das Thema โFriedliche Revolutionโ, und nun auf einmal eine thematische Trennung verlangt wird, die lรคngst erfolgt ist. Aber das hat mรถglicherweise auch mit einigen offiziellen Umschreibungen zu tun.
โEine wie vom Petenten geforderte Trennung von โFriedliche Revolutionโ und โDeutsche Einheitโ im derzeitigen Entstehungsprozess des Denkmals korrespondiert nicht mit den historischen Zusammenhรคngen von 1989 und 1990. Die Friedliche Revolution schaffte die Grundlage fรผr die Entwicklung zur Deutschen Einheit, indem sie die politische Atmosphรคre der DDR grundlegend verรคnderte und den Weg fรผr Gesprรคche รผber eine mรถgliche Wiedervereinigung befรถrderte. Sie fรผhrte somit indirekt zur deutschen Einheit, indem sie die Bedingungen dafรผr schufโ, schreibt die Verwaltung.
Betont dann aber auch: โDas Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig wรผrdigt die Bewegung von der Freiheit hin zur Einheit. Es stellt sich nicht nur als Symbol fรผr den Moment des Umbruchs 1989 dar, sondern als Zeichen dafรผr, wie sich die politische Landschaft in Deutschland und Europa durch friedlichen Protest verรคndern und schlussendlich zu einer Wiedervereinigung fรผhren konnte. Es steht somit auch sinnbildlich fรผr die Relevanz von Dialog und friedlichem Widerstand in Zeiten des Wandels und fรถrdert das Verstรคndnis fรผr die Errungenschaften und Herausforderungen der deutschen sowie europรคischen Geschichte, insbesondere im Hinblick auf die Teilung und Wiedervereinigung des Landes.โ
Beide Denkmรคler gehรถren thematisch zusammen. Oder mit den Worten der Verwaltung: โBeide Denkmรคler in Berlin und in Leipzig sind wichtige Orte der Erinnerung, der Wรผrdigung und des Dialogs um die verschiedenen Dimensionen des Weges zur deutschen Einheit.โ
Der Petitionsausschuss schlug folgerichtig die Ablehnung der Petition vor. Aber irgendwie scheint die Petition einige Ratsfraktionen ziemlich ratlos gemacht zu haben. Wรคhrend 34 Ratsmitglieder der Ablehnung zustimmten, enthielten sich 30 der Stimme. Da aber niemand der Stimmenthalter sich zu Wort gemeldet hatte, ist unklar, ob es nur die Verbindung von Friedlicher Revolution und Deutscher Einheit ist, die sie irritierte, oder ob sie eher gar kein Denkmal wollten. Oder ein ganz anderes, als das, das jetzt auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz entstehen soll, das nun mehr als deutlich die Montagsdemonstrationen von 1989 in den Mittelpunkt rรผckt. Also genau das, wofรผr Leipzig steht.
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Aus meiner Erinnerung heraus begannen die ersten kleineren Demonstrationen auรerhalb der Nikolaikirche im Januar 1989 und wuchsen zur Friedlichen Revolution an im Oktober 89, mit den gesellschaftlichen Verรคnderungen im Oktober bis Ende Dezember 89. In diese Verรคnderungen platzierte im November 89 die SED-Riege die รffnung der Mauer in Berlin und die Grenzรถffnungen. Mit der Grenzรถffnung begann der Weg zur Vereinigung beider deutschen Staaten. Ohne das Aufbegehren und dem Wegggang tausender DDR-Bรผrger wรคre so schnell keine รberarbeitung der Reisemรถglichkeiten fรผr DDR-Bรผrger und somit der Grenzรถffnung erfolgt. Das Eine bedingt das Andere und das Eine war das Aufbegehren zunehmend von immer mehr Menschen in dem kleinen Land. Diese Geschichtsschreibung darf also nicht je nach Interessenlage verfรคlscht werden. Das hatten wir in den 40 Jahren der DDR leider zur Genรผge.