Es gibt in Deutschland eine Vielzahl von kleinen Parteien, im gesamten politischen Spektrum, die nicht im Bundestag und in Landtagen, aber oft in Stadt- und Gemeinderäten vertreten sind. Zur Bundestagswahl 2021 standen so in Leipzig 16 dieser Kleinparteien auf dem Stimmzettel. Von 46.298.387 gültigen Zweitstimmen entfielen 3.536.710 Stimmen auf diese Kleinparteien, die den Einzug in den Bundestag nicht schafften. Das sind immerhin 7,64 % der gültigen Zweitstimmen, oder 5,78 % der Wahlberechtigten.

Stellen wir dem gegenüber die Anzahl der Nichtwählerinnen und Nichtwähler, dann stellen diese inklusive der ungültigen Stimmen eine Anzahl von 14.874.384, also 23,6 % der Wahlberechtigten dar. Anstatt nun um die Nichtwählenden zu kämpfen, entbrennt vor jeder Bundestagswahl ein Kampf der etablierten Parteien um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler von Kleinparteien.

Warum dieser Kampf?

Die etablierten Parteien machen es sich einfach. Wählerinnen und Wähler von Kleinparteien sind politisch interessiert, nehmen ihr Wahlrecht wahr und stehen politisch wahrscheinlich einer der etablierten Parteien relativ nahe. Man muss sie nicht überzeugen ihr Kreuz zu setzen, nur dazu, es woanders zu setzen.

Das ist aber oft ein Trugschluss, es gäbe beispielsweise keine ÖDP und keine Tierschutzpartei, wenn Bündnis 90/Die Grünen dieses Spektrum vollumfänglich abdecken würde. Es gäbe keine Piratenpartei, wenn beispielsweise die FDP die Themen Freiheitsrechte und Digitalisierung vollumfänglich abdecken würde. Die Liste lässt sich von ganz links bis ganz rechts problemlos fortsetzen.

Der Kampf um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler von Kleinparteien ist ein Kampf gegen Windmühlen. Dieses Klientel wählt ja eben diese, weil sie sich von den etablierten Parteien nicht vertreten fühlen.

Der Kampf ist unsolidarisch

Kleinparteien sind naturgemäß finanziell meist schlecht aufgestellt. Sie arbeiten mit Mitgliedsbeiträgen und Spendengeldern, die überwiegend nicht üppig ausfallen. Fällt nun, durch die Forderung nach taktischem Wählen auch noch die Parteienfinanzierung weg, die vorwiegend mit hohem Engagement der Mitglieder erst erreicht wurde, dann sind diese auch noch pleite. Es wird natürlich Ausnahmen geben, so wie die MLDP, die zwar keine Mandate hat, aber durch Spenden und Erbschaften finanziell gut aufgestellt ist. Auch VOLT hat Großspender, vom BSW ganz abgesehen.

Die etablierten Parteien werden – wenn der Aufforderung zum taktischen Wählen gefolgt wird, vielleicht sogar noch mit einer Wahlempfehlung der Kleinparteien – diese Stimmenzuwächse als Sieg verbuchen. Sie werden keinesfalls diese Parteien später finanziell unterstützen.

Fazit: Wenn Wählerinnen und Wähler dem Mantra der „verschenkten Stimmen für Kleinparteien“ folgen, sei es Die PARTEI, die Piratenpartei, die ÖDP, PdH, VOLT oder welche auch immer, wird die Parteienlandschaft immer eintöniger, immer weniger divers. Es verschwinden Themen aus dem politischen Diskurs, was sich dann bis zur kommunalen Ebene hinzieht.

Der Kampf um Stimmen, besonders unter demokratischen Parteien, sollte der Kampf mit Themen, besonders um Nichtwählerinnen und Nichtwähler sein. Gerade für die Aktivierung dieses Teils der Bevölkerung sind Kleinparteien nicht wegzudenken.

Transparenzhinweis: Der Autor ist selbst Mitglied der Piratenpartei und hat Erfahrung in Wahlkämpfen der Kleinparteien.

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