Es ist alle zwei Jahre das große Schaulaufen, bei dem die finanzpolitischen Sprecher der Ratsfraktionen oder die Fraktionsvorsitzenden selbst einmal ordentlich poltern, mahnen und mutmaßen dürfen. Und das haben sie in der Ratsversammlung am Mittwoch, dem 15. Januar, in der Stunde zum Doppelhaushalt 2025/2026 auch alle eifrig getan. Jede Rednerin, jeder Redner hatte 10 Minuten Zeit, die Positionen der eigenen Fraktion zum Haushalt noch einmal klarzustellen. Oder zu begründen, warum man jetzt mit der riesigen Gartenschere kürzen will.
Denn gerade die drei rechten Fraktionen in der Ratsversammlung – AfD, CDU und BSW – haben umfangreiche Streichanträge gestellt. Und sie malten – wie CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Weickert – auch gleich noch das dazu gehörende finstere Bild der (künftigen) Leipziger Haushaltslage. Und einer (aus ihrer Sicht) verfehlten Haushaltspolitik in den vergangenen 10, 15 Jahren, in denen ja bekanntlich nicht die rechten Parteien, sondern die linken die Mehrheit im Stadtrat hatten.
Das macht es sicher leicht, deren Fraktionen unnötige Geldausgaben und das Aufblähen freiwilliger Leistungen im Haushalt zu unterstellen. Also das, was man so landläufig „über die eigenen Verhältnisse leben“ nennt.
Mit der Realität des Leipziger Haushalts hat das nicht viel zu tun. Und es sind auch nicht diese freiwiligen Leistungen im Bereich Jugend, Klimaschutz, Kultur usw., die Leipzigs Doppelhaushalt 2025/2026 aus dem Lot bringen, sondern es sind Pflichtaufgaben – vor allem solche, die der Bund vergibt –, die 2025 und 2026 den derzeit noch prognostizierten Fehlbedarf von rund 110 Millionen Euro im Verwaltungshaushalt ergeben.
Verwaltungshaushalt, wohlgemerkt. Denn das führt auch dazu, dass die Finanzierung wichtiger Infrastrukturprojekte (Straßen, Schulen, Brücken, Kitas …) im Investitionshalthalt über neue Kreditaufnahmen finanziert werden müssen.
Alles Zeichen dafür, dass Kommunen nicht nur in Sachsen falsch und unter-finanziert sind. Weshalb die Fraktionsvorsitzende der Linken, Franziska Riekewald, berechtigterweise darauf hinwies, dass das deutsche Steuersystem endlich reformiert werden muss – von einer sinnvollen Einkommensteuer, welche die Spitzenverdiener endlich wieder nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert, bis hin zur Vermögenssteuer.
Ein wahres Wort sagte auch Eric Recke für die BSW-Fraktion, dass die nun auflaufenden Leipziger Schulden ja nichts anderes sind als das Gegenstück zu den Schuldenbremsen in Bund und Land. Das Geld, das sich die dortigen Politiker mit den straff angezogenen Schuldenbremsen „ersparen“, landet direkt als Mehrausgabe in den kommunalen Haushalten. Auch Anja Feichtinger betonte diesen Missstand. Und die 200 Millionen Euro, die Leipzig aus dem sächsischen Finanzausgleich fehlen werden, kommen noch obendrauf, so Riekewald.
Es geht auch um Freiheit und Demokratie
Dass AfD und CDU die Gelegenheit nutzten, wie mit der „Axt im Walde“ an die Ausgaben der Jahre 2025 und 2026 zu gehen, wurde dann in den Reden von Anja Feichtinger (SPD) und Dr. Tobias Peter (Bündnis 90/Die Grünen) deutlich thematisiert.
Wobei Peter in Bezug auf die Streichlust von AfD und BSW bei den Kultureinrichtungen im Leipziger Süden (Conne Island, Werk II und naTo) auch deutlich wurde, dass hier ganz gezielt Orte der Demokratie angegriffen werden. Und dass die AfD-Fraktion mit ihrer Art, Haushalt zu machen, ganz offensichtlich Probleme mit der Demokratie hat. Und mit der Freiheit.
Dass Leipzigs Haushalt womöglich ein strukturelles Problem hat, das thematisierte ganz zum Schluss Sven Morlok für die Freie Fraktion. Darauf habe er schon vor sechs Jahren hingewiesen. Leipzig gebe für seine tatsächliche Einnahmensituation dauerhaft zu viel aus. Wo genau, das sagte er nicht.
Denn ein Thema, das sich durch mehrere Haushalts-Reden zog, waren natürlich die Personalsituation der Stadt und die Tatsache, dass die Stadt in den letzten Jahren tatsächlich Personal aufgebaut hat – und zwar vor allem da, wo es ja tatsächlich fehlte – in den Planungsabteilungen des Planungsdezernats genauso wie im Bürgerservice.
Hier einfach – zusätzlich zu den 1.000 Stellen, die die Verwaltung nicht wieder besetzen will – noch weitere 1.000 Stellen zu streichen, wie es die CDU-Fraktion beantragte, wäre ganz bestimmt der Weg, die Probleme zu verstärken, statt sie zu lösen. Das betonte Franziska Riekewald.
Hat Leipzig zu viel Personal?
Aber eins steht natürlich im Raum: die von der Ratsversammlung schon mehrfach geforderte Aufgabenkritik. Gibt es mögliche Synergien? Sind die Fachkräfte alle richtig eingesetzt? Kann man Strukturen tatsächlich einsparen oder – wie Tobias Peter betonte – endlich digitalisieren?
Alles offene Fragen. Die Ergebnisse einer umfassenden Verwaltungsanalyse will OBM Burkhard Jung erst zum Jahresende vorstellen. Also weit nach dem für den 12. März geplanten Haushaltsbeschluss des Stadtrates. Der dann – so hofft man – tatsächlich einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegt, denn sonst – wie Sven Morlok betonte – übernimmt wieder die Landesdirektion als Aufpasser das Heft des Handelns und zwingt Leipzig zu wirklich schmerzlichen Einschnitten. Und das – wohlgemerkt – um Aufgaben zu finanzieren, die eigentlich Bund und Land finanzieren müssten.
Ansonsten waren die teils sehr polemischen Reden nur erst das Schaulaufen für die große Kür. Denn im erweiterten Finanzausschuss des Stadtrates muss nun ausgehandelt werden, welche Anträge aus den Fraktionen noch Bestandteil der Haushaltsvorlage werden und welche nicht. Und auch die Verwaltung muss neue Zahlen und Vorschläge auf den Tisch legen.
Denn der aktuell vorliegende Haushaltsentwurf stellt nur den Wissensstand vom 2. Oktober 2024 dar. Seitdem hat sich auch im wirtschaftlichen Umfeld einiges geändert. Ob dermaßen zum Schlimmeren, wie es einige Redner behaupteten, darf man bezweifeln.
Zwei Rednerinnen habe uns ihre Redebeiträge als Manuskript geschickt. Hier sind sie.
Der Redebeitrag von Franziska Riekewald.
Der Redebeitrag von Anja Feichtinger.
Den Redebeitrag von Dr. Tobias Peter findet man auf der Website der Grünen-Fraktion.
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