Als einen Haushaltsantrag kaschierte die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat ihren Vorstoß, die sozialen Erhaltungssatzungen in Leipzig wieder abzuschaffen. Satzungen, die vor fünf Jahren erst eingeführt wurden, um in einigen Leipziger Ortsteilen die Wohnungssituation für einkommensschwache Haushalte ein wenig zu entspannen. In der SPD-Fraktion ist man ziemlich entsetzt über diesen Vorstoß der CDU. Die CDU wolle das Wohnen in Leipzig ungebremst verteuern, interpretiert Anja Feichtinger das Anliegen des CDU-Antrags.
„Wie die Praxis zeigt, wird durch die sogenannten Sozialen Erhaltungssatzungen zwar ein hoher finanzieller und administrativer Aufwand, aber ein unterhalb der Messbarkeit liegender Effekt erzielt“, behauptete die CDU-Fraktion ohne Hinweis auf eine belastbare Quelle in ihrem Antrag. „Angesichts der Haushaltslage ist das Projekt somit zu beenden. Die eingerichteten Stellen sollen im Sinne bürgernaher Verwaltung den Bürgerämtern zugeordnet werden.“
Immer öfter tauchen in Stadtratsanträgen in letzter Zeit solche scheinbar sachlichen Behauptungen wie „wie die Praxis zeigt“ auf. Nur, dass diese Floskel überhaupt nichts besagt. Sie ist nicht mit Zahlen und Erhebungen unterfüttert, bringt keine Beispiele, nichts. Und schon gar nicht besagt sie irgendetwas über die dort wohnenden Menschen.
„Mit ihrem Antrag zur Abschaffung der Sozialen Erhaltungssatzungen in Leipzig zeigt die CDU-Fraktion, dass sie nicht auf der Seite der Mieterinnen und Mieter in Leipzig steht“, fasst die SPD-Fraktion zusammen, was sie aus diesem CDU-Antrag herauslesen kann.
Und die Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Anja Feichtinger, erklärt: „Rund die Hälfte der Leipzigerinnen und Leipziger sieht im Bereich Wohnen die größte kommunale Herausforderung; das ergab die jüngste Bürgerumfrage. Außerdem ist Leipzig bekanntermaßen Mieter-Hauptstadt, denn hier wohnen mehr als 85 % zur Miete. Wie man angesichts dieser Zahlen den Leipziger Bürgerinnen und Bürgern so dermaßen in den Rücken fallen kann, ist mir ehrlich schleierhaft!“
Es geht um Eisenbahnstraße, Lindenau, Eutritzsch, Connewitz
Hintergrund ist der Haushaltsantrag der CDU-Fraktion (VII-HP-01308), alle Sozialen Erhaltungssatzungen in Leipzig aufzuheben. Davon gibt es aktuell acht, u.a. in Vierteln wie der Eisenbahnstraße, Lindenau, Eutritzsch und Connewitz.
Dass die CDU-Fraktion sich dabei benimmt wie eine frisch in den Stadtrat eingezogene Partei, die von den Zuständigkeiten von Verwaltung und Stadtrat keine Ahnung hat, macht das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung deutlich, wenn es betont, dass der Stadtrat in Personalfragen keine Entscheidungshoheit hat. Mit anderen Worten heißt das, dass die CDU-Fraktion also auch das für die Erhaltungssatzungen zuständige Personal nicht einfach umverteilen kann: „Beschlussvorschlag 2 des Antrags greift in die Personalhoheit des Oberbürgermeisters ein und ist unzulässig. Eine sachgerechte Stellenplanung steht in Abhängigkeit zur Satzungsevaluierung.“
Aber auch in der Verwaltung hat man sehr wohl gemerkt, dass der CDU-Antrag vor allem darauf zielt, der Stadt ein wichtiges Mittel zur Dämpfung der Mieten aus der Hand zu schlagen.
„Die bestehenden acht Sozialen Erhaltungssatzungen sind als Ortsrecht vom Stadtrat Mitte 2020 bzw. Mitte 2022 im Ergebnis von rechtssicheren Detailuntersuchungen beschlossen worden und seitdem ist das Genehmigungsgeschäft in Umsetzung“, geht das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung auf die Entstehung der Erhaltungssatzungen ein.
„Die Umsetzung von Sozialen Erhaltungssatzungen ist ein Maßnahmenbaustein des Wohnungspolitischen Konzeptes (vgl. VII-DS-09202-NF-01, Beschluss der Ratsversammlung vom 19.06.2024). Mit der Festsetzung Sozialer Erhaltungssatzungen (gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Baugesetzbuch) werden Aufwertungsprozesse in städtischen Gebieten mit besonderem Aufwertungsdruck sozial verträglicher und behutsamer gesteuert und damit die Wohnbevölkerung vor Verdrängungsprozessen geschützt. Dies schützt die Kommune gleichzeitig vor Folgeinvestitionen im Ergebnis von Verdrängungsprozessen (z.B. Infrastrukturanpassungen).“
Evaluierung nach fünf Jahren ist schon Beschlusslage
Aber die Probleme der Mieter sind der CDU ganz offensichtlich egal. Das stellt auch das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung fest: „Der stark angespannte Wohnungsmarkt Leipzig benötigt den Konzepten folgend auf der einen Seite Wohnungsneubau, aber auch den Erhalt des bezahlbaren Wohnens im Wohnungsbestand, indem Modernisierungen und damit auch mietrelevante Modernisierungsumlagen auf den durchschnittlichen Leipziger Wohn- und Ausstattungsstandard ausgerichtet werden.“
Und es erinnert auch daran, dass mit dem Beschluss zu den Erhaltungssatzungen auch schon beschlossen wurde, sie zu evaluieren – also nach fünf Jahren zu überprüfen, ob sie sich in der Praxis bewähren oder nicht.
„Zu den Sozialen Erhaltungssatzungen wurde beschlossen, dass die Anwendungsvoraussetzungen alle fünf Jahre zu überprüfen sind. Die Verwaltung hat hierzu im November im Ergebnis einer Ausschreibung einen Gutachter beauftragt. Das Ergebnis zur Evaluierung der ersten sechs Satzungen (Eisenbahnstraße, Lindenau, Alt-Lindenau, Am Lene-Voigt-Park, Eutritzsch und Connewitz) wird voraussichtlich im 2. Halbjahr 2025 vorliegen“, so das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung.
„Vor dem Hintergrund der aktuellen Rahmenbedingungen am Leipziger Wohnungsmarkt ist abzusehen, dass die Anwendungsvoraussetzungen für eine Soziale Erhaltungssatzung in Teilbereichen weiter Bestand haben werden. Die kommunale Bürgerumfrage 2023 belegt, dass fast jede/-r zweite Leipziger/-in sieht 2023 im Bereich Wohnen (48 Prozent) die größte kommunale Herausforderung sieht. Damit steht die Versorgung mit (bezahlbarem) Wohnraum erstmals seit 2003 an erster Stelle der kommunalen Herausforderungen.“
Aber ganz offensichtlich spielen die zunehmenden Sorgen der Mieter in Leipzig für die CDU keine Rolle.
Anders als für die SPD, wie Anja Feichtinger betont: „Bezahlbares Wohnen ist uns besonders wichtig, denn ungebremste Mietsteigerungen, Gentrifizierung und Luxussanierungen schüren Ängste und reißen Gemeinschaften auseinander. Genau dagegen wirkt die Soziale Erhaltungssatzung und trägt somit zum sozialen Frieden und Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft bei. Jeder Mensch muss wohnen. Das darf nicht zum Spielball für Heuschrecken und Miethaie werden.“
Natürlich sehe man auch in der SPD-Fraktion die Probleme im Wohnungsmarkt, so Feichtinger: „Es braucht mehr Anstrengungen beim Neubau, bessere Förderinstrumente und weniger Bürokratie. All das ist aber kein Grund, bei Bestandswohnungen die Mieten in unerschwingliche Höhen zu treiben. Das löst keine Probleme und schürt nur neue Sorgen bei den Leipzigerinnen und Leipzigern.“
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Keine Kommentare bisher
Als ob die SPD am entstehen des stark angespannten Wohnungsmarkts Leipzig nicht mit verantwortlich ist.