Schon mehrfach war der mรถgliche Verkauf der Leipziger Anteile am Flughafen Leipzig/Halle Thema in der Ratsversammlung. Mit den jetzt von der Landesdirektion Sachsen genehmigten Ausbauplรคnen wird das Thema wieder aktuell. Denn was nutzen der Stadt die Anteile, wenn sie praktisch keinen Einfluss auf die Flughafenpolitik hat? Eine Petition fordert deshalb den Verkauf der Anteile. Und die Stadt wehrt sich mit den bestens bekannten Argumenten.

Argumente, die nur eines nicht wirklich ausrรคumen: den Eindruck der Leipziger Machtlosigkeit beim Einfluss auf die Flughafenentscheidungen.

In seiner Petition wird der namentlich nicht genannte Bรผrger recht deutlich: โ€žMit der Petition wird gefordert, dass die Stadt ihre Anteile an der Flughafengesellschaft unverzรผglich verkauft, da offensichtlich erstens kein Interesse daran besteht, den Aufsichtsratssitz zum Gemeinwohl einzusetzen und sich zweitens kein รถffentlicher Nutzen aus der Flughafenbeteiligung ergibt.โ€œ

Und: โ€žIm รœbrigen sei darauf hingewiesen, dass es heiรŸt โ€šEigentum verpflichtet โ€ฆโ€˜ und dass es die Mรถglichkeit einer Eignerdirektive gibt. Da รผberhaupt kein Interesse zu bestehen scheint, die Stadtbeteiligung irgendwie zu nutzen, um wenigstens Transparenz รผber MiรŸstรคnde zu schaffen, existiert kein Sinn an dieser festzuhalten. Man macht sich nur mitschuldig.โ€œ

Petition zum Verkauf der Leipziger Anteile am Flughafen Leipzig/Halle.

Mit dem Eigentum ist das so eine Sache. Es beeinflusst auch Argumentationen wie die der Leipziger Verwaltungsspitze, mit der diese jetzt die Petition ablehnt. Die Argumente kennt man aus diversen Stadtratsdebatten. โ€žDie Petition ist abzulehnen, da die Anteile an der Flughafengesellschaft und der damit verbundene Aufsichtsratssitz weitreichende wirtschaftliche und soziale Vorteile fรผr die Region bieten.โ€œ

Was kann die Stadt wirklich bewirken?

Aber so allgemein bleibt die Argumentation der Stadt immer wieder. Gern versucht man dabei, die Kritiker auch mit groรŸen Zahlen zu beeindrucken: โ€žDer Flughafen Leipzig/Halle ist einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region und spielt eine zentrale Rolle fรผr die wirtschaftliche Entwicklung. Im Jahr 2023 waren am Flughafen 12.932 Personen in 117 Unternehmen beschรคftigt.

Besonders hervorzuheben ist, dass rund 74 Prozent dieser Arbeitsplรคtze dem Frachtverkehr zuzuordnen sind, der eine Schlรผsselrolle fรผr den Flughafen spielt. Zudem konnte die Anzahl der Beschรคftigten am Standort im Jahr 2023 um 3,7 Prozent gesteigert werden, trotz eines leichten Rรผckgangs bei den Teilzeit- und Aushilfskrรคften. Die Passagierabfertigung verzeichnete einen Zuwachs an Arbeitsplรคtzen um 14,7 Prozent, was vor allem der Erholung des Passagierverkehrs nach der Pandemie zu verdanken ist.

Darรผber hinaus fรผhrten neue Ansiedlungen, wie beispielsweise der Logistikstandort von Mytheresa, zu einem zusรคtzlichen Beschรคftigungswachstum. Hier wurden bis zu 1.000 neue Arbeitsplรคtze geschaffen, was den Flughafen Leipzig/Halle auch als Magnet fรผr weitere Unternehmen und Investitionen in der Region stรคrkt.โ€œ

Dass die Logistikunternehmen lรคngst Schwierigkeiten haben, in der Region noch das nรถtige Personal zu rekrutieren, wird in der Stellungnahme der Stadt ausgeblendet.

Wenn Online-Bestellungen zu Express-Gut werden

Und รผber den wirklichen Sinn des nรคchtlichen Frachtumschlags macht man sich auch nicht wirklich Gedanken: โ€žDer Flughafen Leipzig/Halle ist nicht nur ein bedeutender Arbeitgeber, sondern auch einer der wichtigsten Standorte fรผr den Luftfrachtumschlag in Deutschland und Europa. Er ist der viertgrรถรŸte Frachtflughafen Europas und rangiert in Deutschland auf Platz zwei.

Im Jahr 2022 wurden etwa 30 Prozent der in Deutschland umgeschlagenen Luftfracht am Flughafen Leipzig/Halle abgewickelt. Dieser Anteil verdeutlicht die zentrale Rolle, die der Flughafen fรผr den globalen Handel und die Logistik spielt.

Laut einer Studie des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V. (BDL) ist das in Deutschland verlagerte Frachtaufkommen im Handel mit Lรคndern auรŸerhalb der Europรคischen Union von 2000 bis 2022 um 54 Prozent gestiegen, was einem jรคhrlichen Wachstum von etwa 2,0 Prozent entspricht. Besonders bemerkenswert ist, dass der Wert der per Luftfracht transportierten Gรผter um 81 Prozent auf durchschnittlich 152.807 Euro pro Tonne gestiegen ist.

Dies zeigt, dass insbesondere hochwertige und zeitsensible Waren, wie elektronische Erzeugnisse, pharmazeutische Produkte, Medizintechnik und Energietechnik, รผber den Flughafen Leipzig/Halle in die Welt exportiert werden.

Der Flughafen Leipzig/Halle fungiert zudem als bedeutendes Drehkreuz fรผr die internationale Expressfracht. In diesem Bereich nimmt er eine herausragende Stellung ein, da er รผber umfassende Infrastrukturen verfรผgt, die eine schnelle und effiziente Abwicklung der Fracht sicherstellen. Darรผber hinaus wird mehr als die Hรคlfte der Luftfracht, die zwischen Deutschland und dem europรคischen Ausland transportiert wird, รผber Leipzig/Halle umgeschlagen.โ€œ

Das Wort Expressfracht klingt beeindruckend. Dass sich dahinter aber zu einem groรŸen Teil nur all jene Konsumprodukte verbergen, die sich Kunden im Internet โ€žรผber Nachtโ€œ bestellen und am liebsten gleich morgen frรผh an die Haustรผr geliefert haben mรถchten, wird dabei negiert. Genauso wie die Frage, wie zukunftsfรคhig eigentlich diese nรคchtlichen Pรคckchenflรผge sind. Und ob diese Art Wirtschaften in irgendeiner Weise noch sinnvoll ist vor dem HHintergrundeiner sich zuspitzenden Klimakrise.

Passagieraufkommen im Aufwind?

Die Stadt gibt sich auch zuversichtlich, dass das Passagieraufkommen wieder steigen kรถnnte. Immerhin sorgt der Flughafen wenigstens ansatzweise fรผr eine internationale Anbindung Leipzigs. Aber wenn es dann um die tatsรคchlichen Mรถglichkeiten der Einflussnahme geht, wird die Auskunft der Verwaltungsspitze doch sehr schwammig.

โ€žTrotz einer Minderheitsbeteiligung kann die Stadt Leipzig in gewissen MaรŸe auf strategische Entscheidungen argumentativ Einfluss nehmen, und die Interessen der Stadt bei der Entscheidungsfindung darlegen. Durch die Einbeziehung in Gremien kรถnnen vertrauliche Informationen frรผh aufgenommen und darauf reagiert, sowie im kritischen Fall im Interesse der Stadt Leipzig interveniert werdenโ€œ, listet die Stellungnahme zum Beispiel auf.

Im Fall des Flughafenausbaus scheint das auch nicht wirklich geholfen zu haben. Ebenso diffus bleibt die Aussage zu den โ€žAbstimmungen mit den Partnernโ€œ: โ€žGerade bei der Zusammenarbeit in der Region ist der Flughafen mit seinen Beteiligten eine wichtige Abstimmungsplattform zwischen Lรคndern, Kommunen und Unternehmen (z.B. Netzwerk Logistik, Messeauftritte).โ€œ

Letzteres sollte eigentlich auch ohne das Halten von Anteilen mรถglich und selbstverstรคndlich sein.

Bedeutende Einfluss? Positive Effekte?

Und auch im Fazit, das die Stadt in ihrer Stellungnahme zieht, wird nicht wirklich deutlich, welche Einflussmรถglichkeiten der stรคdtische Anteil am Flughafen tatsรคchlich mit sich bringt: โ€žInsgesamt zeigt sich, dass die Beteiligung der Stadt Leipzig am Flughafen Leipzig/Halle weitreichende wirtschaftliche und soziale Vorteile fรผr die Region bietet. Der Flughafen schafft nicht nur zahlreiche Arbeitsplรคtze, sondern trรคgt auch erheblich zur internationalen Vernetzung und Wettbewerbsfรคhigkeit des Wirtschaftsstandorts Leipzig bei.โ€œ

So weit die traditionelle Argumentation, die auch die extreme Abhรคngigkeit Leipzigs vom Flughafen deutlich macht. Aber was dann den Sinn der Anteile betrifft, bleibt die Stellungnahme sehr vage: โ€žDer Verkauf der Anteile wรผrde mรถglicherweise einen bedeutenden Einfluss auf diese Rolle und die damit verbundenen positiven Effekte und Informationsvorteile fรผr die Stadt und ihre Bรผrger verlieren.โ€œ

Ein typischer Satz, der so vollgestopft ist, dass er am Ende keinen Sinn ergibt. Der wohl aber darauf hinauslaufen soll, dass mit dem Verkauf der Anteile auch das bisschen Einfluss, das die Stadt auf die Entscheidungen der Flughafengesellschaft hat, verloren gehen wรผrde.

Mit einem Anteil von 2,1 Prozent an der Muttergesellschaft der sรคchsischen Flughรคfen, der Mitteldeutschen Flughafen AG, sitzt Leipzig sowieso eher am Katzentisch und hat so gut wie keinen Einfluss auf die Entscheidungen der groรŸen Anteilseigner Freistaat Sachsen (77,25 Prozent) und Sachsen-Anhalt (18,54 Prozent). Was zuletzt auch bei den Verhandlungen fรผr den Vertrag mit dem grรถรŸten NutznieรŸer des Flughafens Leipzig/Halle, dem Frachtunternehmen DHL, deutlich wurde, der unter Ausschluss der ร–ffentlichkeit die Nutzung des Flughafens durch DHL bis 2053 sicherstellt.

Ob der Petitionsausschuss den Argumenten der Stadtverwaltung folgt, ist noch offen. In der Vergangenheit jedenfalls lehnte eine Stadtratsmehrheit den Verkauf der Anteile immer wieder ab.

Empfohlen auf LZ

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Ralf Julke รผber einen freien Fรถrderbetrag senden.
oder

Es gibt 2 Kommentare

Die Petition ist natรผrlich Unfug. Wรผrde man die Anteile verkaufen, hรคtte man ja den Kontrollposten nicht und der OBM mรผsste die Interessen der Stadt und nicht die der AG (Geschรคftsgeheimnis hihi) bedienen.

Eigentlich konsequent und richtig.

Die Petition habe ich aber gar nicht mitbekommen.
Warum finde ich diese Petition nicht online?

Schreiben Sie einen Kommentar