Zum Jahresausklang haben wir in einem Projekt gemeinsam mit Sachsen Fernsehen auch Oberbรผrgermeister Burkhard Jung vor die Kamera gebeten und zum aktuell wichtigsten Thema in der Stadtpolitik befragt: dem Doppelhaushalt, der bis zum Mรคrz geschnรผrt werden soll. Aber er steckt โ anders als in den Vorjahren, voller Unsicherheiten, die man in Leipzig lange so nicht kannte. Haben wir Leipziger also รผber unsere Verhรคltnisse gelebt?
Doch Leipzig ist nicht die einzige Kommune, die jetzt auf einmal unter Ausgabenlasten stรถhnt, die den Haushalt zu sprengen drohen. Sรคmtliche Kommunen in Sachsen leiden unter dieser รberlastung. Viele haben nicht einmal mehr die Leipziger Spielrรคume, ihre Ausgaben zu reduzieren und trotzdem noch weiter in wichtige Infrastrukturen zu investieren.
โUnd wir werden weiter investierenโ, so Jung im Interview. Der die Hauptursache fรผr die รberlastung der Kommunen in der jahrelangen Bundespolitik โ hauptsรคchlich in Zeiten der Merkel-Regierungen โ sieht. Da habe sich eine Haltung etabliert, dass man alle Probleme in Deutschland einfach dadurch lรถsen kรถnne, dass man mehr Geld ins System stecke.
Eine Haltung, die funktionierte, solange die Wirtschaft wuchs. Aber seit das BIP stagniert und die Wirtschaft in einer veritablen Konjunkturflaute steckt, fehlen die zusรคtzlichen Gelder und zusรคtzliche Ausgaben wie etwa im Gefolge des Ukraine-Kriegs und der explodierenden Energiepreise haben das ganze System aus dem Gleichgewicht gebracht.
Zu viele Wรผnsche?
Bleibt trotzdem die Frage: Hat nicht auch Leipzig zu viel Geld ausgegeben?
Manches haben sich die Stadt und der Stadtrat durchaus gegรถnnt, was in Zeiten des permanenten Wachstums auch finanzierbar war, so Jung. Was Leipzigs Haushalt jetzt so belastet, sind freilich vor allem durch Bund und Land รผberwiesene Pflichtaufgaben, die aber finanziell nicht abgedeckt sind. Bis zu drei Viertel gerade dieser sozialen Aufgabe seien finanziell nicht abgedeckt.
Aber fรผr Jung spielt die lahmende Konjunktur beim Blick auf den engen Haushalt eine ganz wesentliche Rolle. โWir spielen im Grunde auf Zeitโ, sagt er. Die nรคchsten beiden Haushaltsjahre wรคren Jahre der Hoffnung, dass dann die Wirtschaft wieder in die Gรคnge kommt und auch die Einnahmen der Stadt dann wieder steigen.
Als Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew Anfang Dezember seine zweite Rede zum Doppelhaushalt hielt, war noch lรคngst nicht klar, ob es gelingt, den Doppelhaushalt zur Genehmigungsreife zu bekommen. Gerade im Jahr 2026 steckten da noch Risiken von รผber 110 Millionen Euro.
Einige dieser Risiken habe man inzwischen minimieren kรถnnen, so Jung. Sodass jetzt noch ein Restrisiko in den Haushaltsplanungen von rund 100 Millionen Euro besteht. Unter anderem habe man sich mit dem Freistaat geeinigt, dass die Stadt im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs vorerst kein Geld an den Freistaat zurรผckzahlen muss, weil sich die Einnahmesituation der Kommunen tatsรคchlich etwas besser entwickelt hat als die des Freistaats. Der nun selber auf ein Haushaltsdefizit von jeweils zwei Milliarden Euro in den nรคchsten beiden Jahren zurollt. Dort weiร man also um die Brisanz der Lage.
Das war schon mal schlimmer
Aber in Leipzig erlebe er das so nicht zum ersten Mal, erzรคhlt Jung. In seinen ersten Jahren als OBM habe er wesentlich heftigere Sparhaushalte vertreten mรผssen, bei denen die Rathausmitarbeiter auf 10 Prozent ihres Gehalts verzichteten und ihre Arbeitszeit um 10 Prozent reduzierten. Das half damals, Leipzig tatsรคchlich auf einen Kurs der Haushaltsgesundung zu bringen. Und Spielrรคume fรผr Investitionen zu schaffen.
Solche โRezepteโ stehen bislang nicht im Raum. Auch wenn Jung die Stadtangestellten schon darauf vorbereitet hat, dass von den derzeit unbesetzten Stellen nur die Hรคlfte wieder besetzt werden wird. In einigen Dezernaten gab es dazu schon eine umfassende Aufgabenkritik, auch wenn sie โ wie etwa im Sozialamt oder in den Bรผrgerรคmtern โ ergab, dass eigentlich Leute fehlen.
Die vom Stadtrat geforderte Aufgabenkritik fรผr die gesamte Stadtverwaltung werde es aber erst Ende 2025 geben, so Jung. Immerhin geht es da um das Aufspรผren von Doppelstrukturen und die mรถgliche Umsetzung von Personalstellen aus รผberbesetzten Bereichen in solche, wo die Leute fehlen.
Wobei Jung auch hier den Bund als Verursacher sieht, denn ein Groรteil dieser Stellen existiert nur deshalb, weil die dahinter stehenden Prozesse nicht digitalisiert sind und es keine bundesweite Vernetzung gibt, auf die sinnvollerweise zurรผckgegriffen werden kann. Etwa bei den Auslรคnderbehรถrden, fรผr die derzeit praktisch jede Kommune das volle Personal vorhalten muss, wรคhrend eine zentrale Datenbank die Prozesse vereinfachen wรผrde und viele redundante Tรคtigkeiten ersparen kรถnnte.
Digitalisierung wรคre schon vor Jahren ein Mittel gewesen, die Kommunen personell und finanziell zu entlasten. Doch wรคhrend das andere Lรคnder ohne Probleme geschafft haben, sitzt Deutschland weiter auf einem nicht digitalisierten Flickenteppich.
Ziel bleibt der genehmigungsfรคhige Haushalt
Was, so Jung, nichts daran รคndere, dass auch Leipzig jetzt anders รผbers Geld nachdenken mรผsse. Dass eben nicht mehr โ wie in den Vorjahren โ jeder Wunsch aus dem Stadtrat erfรผllt werden kรถnne, sondern sehr genau aufs Geld geschaut werden mรผsse und die Aufstellung eines von der Landesdirektion genehmigungsfรคhigen Haushalts das unbedingte Ziel sein mรผsse.
Aber an einem will er unbedingt festhalten: dem hohen Investitionsniveau der vergangenen Jahre โ sei es bei Schulneubau, Brรผcken- oder Straรenbau. Damit wรผrde auch die Stadt dazu beitragen, dass Leipzigs Wirtschaft Unterstรผtzung bekommt. Wobei er davon ausgeht, dass die Neuverschuldung der Stadt nicht so stark ansteigt, wie noch im ersten Haushaltsentwurf angemerkt. Denn auch wenn Leipzig Investitionen von รผber 400 Millionen Euro plant, zeigten die letzten Jahre immer wieder, dass das Geld gar nicht verbaut werden kann. Mal sind die nรถtigen Fรถrdermittel nicht da, mal fehlen die Baukapazitรคten oder die Ausschreibungen mรผssen wegen zu hoher Gebote gestoppt werden.
Es kommt also Jahr fรผr Jahr zu Bergen von Ausgabenresten, die groรenteils ins nรคchste Jahr verschoben werden mรผssen. Im aktuellen Haushalt hilft das dann meistens sogar, dass es am Jahresende kein Ausgabenminus gibt. Das erwartet Burkhard Jung fรผr 2024: einen Jahresabschluss, der nicht im Minus, sondern sogar leicht im Plus abschlieรt. Zeichen dafรผr, dass Leipzig eigentlich gut wirtschaftet mit seinem Geld.
Aber eben auch dafรผr, dass die Wirtschaft in der Stadt gewachsen ist und mit steigenden Steuereinnahmen dabei hilft, die Stadt zu finanzieren.
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