Zum Jahresende bat die LZ gemeinsam mit Sachsen Fernsehen auch Leipziger Bürgermeister noch einmal vor die Kamera, um über ein paar aktuell brennende Themen zu sprechen. Eins dieser Themen ist die Zukunft der Leipziger Gewässerlandschaft, über die wir mit Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal redeten. Denn die Aue leidet. Und wirklich klimaangepasst ist Leipzig auch in der Gewässerfrage nicht.

Und eines der wirklich größten Projekte der nächsten Jahre wird das Großprojekt, mit dem Leipzig gemeinsam mit Schkeuditz die Nordwestaue wieder zu einer wirklich lebendigen Flussaue machen möchte. Dazu haben beide Städte im Sommer gemeinsam die benötigten Fördermittel in Höhe von rund 3 Millionen Euro beim Bundesumweltamt beantragt, sodass in den nächsten zwei Jahren all das geplant werden kann, was dann (mit weiteren zu beantragenden 46 Millionen Euro) auch umgesetzt werden soll.

Lernen, wie man FlĂĽsse renaturiert

Und aus Leipziger Sicht erweist sich dabei das seit 2011 durchgeführte Projekt „Lebendige Luppe“ als echte Lerneinheit, wie auch Heiko Rosenthal bestätigte. Da habe man erst so richtig verstanden, auf wie viele Dinge bei der Renaturierung selbst kleiner Wasserläufe geachtet werden muss. Denn jeder Eingriff in der Aue hat Folgen – für die dort existierenden Biotope und bedrohten Arten, für den Wasserhaushalt, aber auch für sämtliche Einbauten des Menschen in der Aue oder am Rand der Aue.

Das wird bei der Wiederbespannung der Alten Luppe am Südrand von Böhlitz-Ehrenberg ein ganz spannendes Thema, wie Rosenthal bestätigte. Denn eines wolle man auf keinen Fall: dass dort Wohnbebauung wieder aufgegeben werden müsste.

Ein Thema für die ganze Nordwestaue, mit dem sich inzwischen sehr intensiv die Landestalsperrenverwaltung (LTV) beschäftigt, die ja für sämtliche Gewässer 1. Ordnung – also auch die Weiße Elster, die Nahle und die Neue Luppe – zuständig ist.

Denn dass man zur Wiedervernässung der Aue etliche Deiche wird zurückbauen oder schlitzen müssen, darüber sind sich alle Projektpartner einig. Aber gleichzeitig müsse man darauf achten, dass die in der Aue existierende Bebauung nicht gefährdet wird, hier also der Hochwasserschutz durch Deiche erhalten bleibt.

Teil 1 im Auenentwicklungskonzept

Aber wie steht es da eigentlich um das lange versprochene Auenentwicklungskonzept? „Es ist fertig“, sagt Heiko Rosenthal. Jedenfalls was den ersten Teil zur Nordwestaue betrifft. Es wird trotzdem noch nicht veröffentlicht, denn in den nächsten zwei Jahren soll auch das Auenentwicklungskonzept für die Südaue fertiggestellt werden. Erst wenn beide Teile fertig sind, so Rosenthal, wird das Konzept insgesamt veröffentlicht.

Und Knackpunkte gibt es darin so einige. Denn im ersten Teil zur Nordwestaue ist auch noch nicht geklärt, was künftig mit dem Elsterbecken passiert. Dazu hat die Verwaltung zwar vom Stadtrat den Auftrag, die Schaffung eines natürlich mäandernden Flusses im Elsterbecken zu prüfen. Doch in den vergangenen Jahrzehnten hat sich auch am Elsterbecken eine sehr spezielle Tierpopulation herausgebildet. Also müsse, so Rosenthal, sehr intensiv geprüft werden, inwieweit man das Elsterbecken verändern kann, ohne die hier vorhandene Artenvielfalt zu zerstören.

Ein Thema, das auch für die Nordwestaue geklärt werden muss, denn am Elsterbecken hängt die direkte Steuerung der Wassermengen, die über Nahle und Neue Luppe weiter nordwestwärts fließen. Dass an der Neuen Luppe unbedingt etwas passieren muss, da sind sich die Beteiligten einig, so Rosenthal. Auch er sieht hier künftig einen natürlich mäandernden Fluss, der wieder Artenvielfalt an seinen Ufern ermöglicht.

Mühlgräben und verrohrte Rietzschke

Aber das Thema wassersensible Stadt ist noch viel größer. Auch darauf kamen wir im Gespräch – etwa in Bezug auf die in städtischer Hoheit verwalteten kleineren Gewässer 2. Ordnung. Bei einem ist ja 2025 endlich mit dem Finale zu rechnen – das letzte Teilstück des Elstermühlgrabens wird geöffnet. Aber selbst das Öffnen der alten Mühlgräben ist eine Generationenaufgabe, so Rosenthal.

So wird sich das zuletzt 2019 heiß diskutierte Teilstück der vor der Hauptfeuerwache zu öffnenden Pleißemühlgrabens wohl in die 2030er Jahre verschieben und auch das fehlende Teilstück in der Lampestraße muss noch warten. Dafür rückt jetzt ein Teilstück des Pleißemühlgrabens nach vorn, mit dem das Umweltdezernat noch gar nicht gerechnet hat: das Stück an der Wundtstraße.

Hier haben Untersuchungen in der jüngsten Zeit nun ergeben, dass die Abdeckung des Pleißemühlgrabens hier schon ziemlich desolat ist und die Öffnung des Mühlgrabens deutlich nach vorn gezogen werden muss. Für den nächsten Doppelhaushalt, so Rosenthal, habe man dafür die nötigen Planungsmittel vorgesehen, um die Öffnung des Pleißemühlgrabens an der Wundtstraße vorzubereiten.

Und um Öffnung alter Gewässerverläufe geht es auch bei der Östlichen Rietzschke. Dort konnten die Leipziger ja 2022 schon die Öffnung eines ersten Teilstücks bis zur Wurzner Straße erleben. Hier aber verschwindet die Östliche Rietzschke erst einmal wieder im Kanalisationssystem. Das könne so aber nicht bleiben, so Rosenthal. Weshalb man sich in seinem Dezernat schon perspektivisch mit der Komplettöffnung der Östlichen Rietzschke im Leipziger Osten beschäftigt.

Auch das, so Rosenthal, wird eine richtige Generationenaufgabe. Denn hier müsste die Rietzschke in überbautem Gelände und unter bestehenden Straßen ans Licht geholt werden, um ein oberirdisches Abfließen und die Aufnahme von Wasser bei Starkregenereignissen zu ermöglichen. Nur an einigen Stellen fließt die Östliche Rietzschke heute unter Grünanlagen, wo eine Freilegung einfacher ist.

Aber dass die Östliche Rietzschke wieder ans Licht muss, um die Bedürfnisse einer klimaresilienten Stadt zu erfüllen, in der es auch zwingend um Wasseraufnahme und Wasserrückhalt geht, dessen ist sich Rosenthal sicher. Und ebenso dessen, dass an diesem Projekt tatsächlich mehrere Generationen arbeiten müssen, um die Sünden der Vergangenheit wieder zu beheben.

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