Leipzig ist ein Drogenschwerpunkt in Sachsen. Was vor allem mit seiner Rolle als Großstadt und als gut erreichbarer Verkehrsknotenpunkt zu tun hat. Doch daraus erwachsen Probleme, welche die Stadtpolitik seit Jahren beschäftigen – Drogenkriminalität, Notfälle und Todesfälle, Unsicherheitsgefühle für die Nachbarschaft von Drogenschwerpunkten. Aber eins ist nach Jahren mit der Beschäftigung mit diesem Thema klar: Allein mit polizeilicher Verfolgung bekommt man die Sache nicht in den Griff.
Es geht nicht ohne Prävention. Dazu gehört das gut ausgebaute Netz der Suchtberatung in Leipzig, wo vor allem die Menschen einen Anlaufpunkt finden, die mit ihrem Suchtverhalten Probleme bekommen haben und professionelle Hilfe und Beratung suchen.
Aber ein Thema hat sich gerade in den letzten Jahren herauskristallisiert. Ein Thema, das vor allem mit dem zunehmenden Verlust von Rückzugsräumen der Drogensüchtigen zu tun hat, die sich meist in unsanierten Häusern befanden, welche in den vergangenen Jahren zunehmend beräumt und saniert wurden. Das heißt: Der Drogengebrauch verlagerte sich zunehmend in den öffentlichen Raum, wurde für die Stadtbevölkerung immer sichtbarer. Mitsamt seinen Begleiterscheinungen – den weggeworfenen Spritzen, der Unsauberkeit, der Hilflosigkeit betroffener Personen.
Weshalb der Stadtrat schon im Juni 2023 nach einem Antrag der Fraktionen der Linken, Grünen und der Freibeuter beschloss, die Einrichtung eines Drogenkonsumraums in Leipzig prüfen zu lassen. Vorbild sind dafür schon zahlreiche westdeutsche Städte, wo es eine solche Einrichtung bereits seit Jahren gibt. Im Januar 2024 legte das Sozialdezernat im Fachausschuss auch eine Machbarkeitsstudie vor, welche die Sinnhaftigkeit eines solchen Drogenkonsumraums untermauerte.
Vorlage für einen mobilen Drogenkonsumraum
Woraus sich nun die Vorlage des Sozialdezernats ergab, die am 18. Dezember von Sozialbürgermeisterin Dr. Martina Münch vorgestellt wurde.
Entsprechende Zahlen zum Bedarf eines solchen geschützten Raumes gibt es auch in der Vorlage: „In Leipzig besteht ein besonderer Bedarf an einem Drogenkonsumraum. Leipzig ist Schwerpunkt des Drogenkonsums in Sachsen, insbesondere bzgl. Methamphetamin (60 Fälle vs. landesweit 17 Fälle pro 100 Tsd. Einwohner/-innen) und Opioiden (119 Fälle vs. 89 Fälle pro 100 Tsd. EW). 60 % aller Substitutionen in Sachsen erfolgen in Leipzig. Mit 4.278 Rauschgiftdelikten entfallen 32 % aller Fälle von Rauschgiftdelikten in Sachsen auf Leipzig (zum Vergleich Polizeidirektion Dresden: 2.926), v. a. bzgl. Cannabis und Methamphetamin.“
Martina Münch fügte noch hinzu, dass 74 Prozent der von Leipzig befragten Drogenkonsumenten ihre Drogen im öffentlichen Raum konsumieren, die meisten von ihnen sind obdachlos.
„Der Konsum und die damit verbundenen Beeinträchtigungen haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend in den öffentlichen Raum verlagert“, betont die Vorlage.
„Das führt zu einer Zunahme der Sichtbarkeit des Konsums und von Konsumutensilien im öffentlichen Raum. Drogenhilfeeinrichtungen berichten von einer Zunahme von Abszessbildungen, schlechten Wundheilungen sowie viralen Infektionen, welche in Zusammenhang mit schwierigen Konsumbedingungen stehen.“
Niedrigschwellige Hilfe
Ein Drogenkonsumraum setzt also ganz unten in der Drogenprävention an. „Im mobilen Drogenkonsumraum stehen zum Konsum benötigte saubere bzw. sterile Utensilien bereit. Es wird sichergestellt, dass der Konsum unter einer ständigen Sichtkontrolle der Konsumvorgänge durch in der Notfallversorgung geschultes Personal erfolgt. Die Überwachung der Drogenkonsumenten ermöglicht eine sofortige Erste Hilfe bei Überdosierungen oder anderen Notfällen. Der Zugang für externe Rettungsdienste ist schnell und unproblematisch möglich“, heißt es in der Vorlage.
„Über eine suchtspezifische Erstberatung wird die Information zu gesundheitlichen Fragen ermöglicht. Den Nutzer/-innen werden Schnelltests auf das Humane Immundefizienz-Virus, Hepatitis C und Syphillis angeboten. Die Klientinnen und Klienten werden zu weiterführenden Angeboten der Drogenhilfe informiert. Es können konkrete Vermittlungen zum Beispiel zu Entgiftungen oder in Substitutionsbehandlung erfolgen.“
Doch Zutritt solen nicht alle möglichen Menbschn bekommen: „Ausgeschlossen von der Nutzung des Konsumraums sind gemäß Rechtsverordnung:
– offenkundige Erstkonsument/-innen
– offenkundige Gelegenheitskonsument/-innen
– Menschen unter 18 Jahren
– bereits stark intoxikierte oder alkoholisierte Personen.“
Und man habe sich bewusst für einen mobilen Drogenkonsumraum entschieden, so Martina Münch, denn die Szene in Leipzig sei sichtlich flexibel. Nur müssten noch mögliche Standorte und Standzeiten für das Drogenkonsummobil gefunden werden.
Das übrigens erst dadurch möglich wurde, weil der Freistaat Sachsen noch im August die Sächsische Drogenkonsumraum-Verordnung veröffentlichte, die den gesetzlichen Rahme für solche Konsumräume setzt. Den Leipzig auch beachtet, wie Münch betonte. Mitsamt den Forderungen nach anonymisierten Erhebungen über die Nutzer und einer Langfrist-Evaluation der Arbeit der Einrichtung.
Bus und medizinisches Personal
Die übrigens nicht ganz billig wird, denn so ein Angebot funktioniert nur mit ausgebildetem Personal, das auch eingreifen und helfen kann, wenn die Konsumenten gesundheitliche Probleme haben – Mediziner, Sozialarbeiter, Rettungssanitäter. Zur Grundanschaffung gehört natürlich noch ein Bus, der gekauft, eingerichtet und beklebt werden muss, sodass 2025 erst einmal 734.580 Euro Kosten für das Projekt zu Buche schlagen, 2026 dann 646.543 Euro.
Die drei CDU-Stadträt/-innen Jessica Steiner, Lucas Schopphoven und Andreas Schultz hatten dann noch einen Änderungsantrag eingereicht, der vor allem mehr Kontrolle und Beobachtung forderte. Den begründete dann auch Lucas Schopphoven recht ausgiebig, wohl wissend, dass selbst in der CDU-Fraktion die Ansichten auf so einen Drogenkonsumraum sehr verschieden sind.
Aber Martina Münch wies darauf hin, dass die meisten der zehn Punkte sowieso schon Bestandteil der Vorlage wären. Zwei Punkte – eine Nutzungslimitierung und der Einsatz von Peers, also ehemaligen Drogenabhängigen, die beim Ausstieg helfen könnten – seien aber im Rahmen dieses Angebots nicht umsetzbar. Was schlicht mit der Personengruppe zu tun hat, die den Drogenkonsumbus in Anspruch nehmen wird und für beides noch nicht ansprechbar ist.
Der CDU-Antrag kam dann trotzdem punktweise zur Abstimmung. Doch kein einziger Punkt erreichte die notwendige Mehrheit. Während sich dann eine Ratsmehrheit von 40:14 für die Vorlage des Sozialdezernats aussprach, sodass Leipzig jetzt einen Drogenkonsumbus bekommen wird, der dann – wenn man ihn auch personell besetzen kann – 2025 auf Achse gehen könnte.
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