Die deutsche Schuldenbremse wirkt. Nur eben nicht so, wie sich das die Finanzbuchhalter der Parteien gedacht haben, die sie 2009 auf Bundesebene und 2013 auch im Freistaat Sachsen eingeführt haben. Sie bremst das ganze Land aus. Und sie wirkt auch längst verhängnisvoll in die kommunalen Haushalte hinein. Leipzig bekommt das seit zwei Jahren schon heftig zu spüren, denn die Stadt rutscht immer tiefer in die Schulden und jetzt droht auch noch ein Haushalt, der nicht genehmigungsfähig ist.
Mit der Aufstellung des Leipziger Doppelhaushaltes für die Jahre 2025 und 2026 mit einem finanziellen Volumen von je mehr als 3 Milliarden Euro steht der Stadt eine Mammutaufgabe bevor, schätzt die Linksfraktion das ein, was da jetzt in den Beratungen für den Doppelhaushalt 2025/2026 bewältigt werden muss.
Die weltpolitischen Rahmenbedingungen sind ebenso ungünstig wie die diversen Hiobsbotschaften aus Brüssel, Berlin und Dresden. Rund 250 Millionen Euro fehlen im Doppelhaushalt 2025/2026 allein im Finanzausgleichsgesetz. Währenddessen haben die auf Leipzig von Bund und Land übertragenen Aufgaben mittlerweile die Milliardenschwelle überschritten, die nur zu einem Viertel durch diese finanziert werden, eine Zahl, die auch Finanzbürgermeister Torsten Bonew in seiner jüngsten Haushaltsrede benannt hat.
Das heißt: Rund eine dreiviertel Milliarde Euro muss die Stadt aus ihren Steuereinnahmen bezahlen, obwohl das alles durch Bund und Land überwiesene Pflichtaufgaben sind. Das sprengt natürlich jeden vernünftigen Haushaltsansatz und führte schon 2023 und 2024 dazu, dass die Stadt jeweils neue Kredite in Höhe von 250 Millionen Euro aufnehmen musste, die den Leipziger Schuldenstand – wie Torsten Bonew anmerkte – schon zum Jahresende 2024 auf eine Milliarde Euro regelrecht verdoppeln.
Und ganz ähnliche Schuldenneuaufnahmen hat er sowieso schon für 2025 und 2026 geplant. Und trotzdem droht der Zustand, dass der Landesdirektion vorzulegende Haushalt ein fettes Minus enthält, das ihn nicht mehr genehmigungsfähig macht.
Kommunen im Würgegriff falscher Finanzpolitik
Das droht übrigens inzwischen allen sächsischen Kommunen, und manche – wie Dresden – haben längst ein gewaltiges Kürzungsprogramm in Angriff genommen und schneiden dabei tief ins lebendige Fleisch der kommunalen Politik.
Ohne dass übrigens dadurch Land in Sicht kommt, denn die Unwucht der Finanzierung bleibt ja bestehen. Bund und Länder haben sich durch die Schuldenbremse nicht nur selbst gefesselt – sie haben die Kommunen zu Geiseln ihrer falschen Finanzpolitik gemacht, in der das Sparen, Kürzen, Abspecken die einzig dominierende Norm ist. So bremst man nicht nur ein Land, sondern auch seine Wirtschaft aus.
Angesichts dieser Dramatik ist es für die Linksfraktion im Stadtrat durchaus nachvollziehbar, dass die Verwaltungsspitze alles dafür tut, einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen, auch wenn die Fraktion gleich mehrere Planansätze sieht, die wahrscheinlich nur mit viel Optimismus so eintreten.
Aber welche Folgen hat es jetzt, wenn auch Leipzig anfängt, in elementaren Bereichen zu kürzen und zu streichen?
„Es geht darum, nicht in der Haushaltssicherung zu landen, die erhebliche Folgen u.a. für die Fortsetzung von freiwilligen Aufgaben im Bereich der Kinder- und Jugendförderung, im Sozialbereich und der Kultur sowie des Sportes hätte und Investitionen noch weiter verzögerte oder wegfallen ließe“, warnt die Linksfraktion. „Dies wäre – im Blick auf die Baukrise und den Faktor, dass Städte und Gemeinden die größten Auftraggeber der regionalen Wirtschaft in dieser Branche sind, auch hinsichtlich der Beschäftigten dramatisch. Hier ist antizyklische Vorgehensweise auch hinsichtlich des Steuer-, insbesondere des Gewerbesteuer-Aufkommens notwendig.“
Nicht die gleichen Fehler machen
Wenn es nur das wäre, kann man da sagen. Denn anders als in der Sanierungsphase ab 2006 geht es diesmal um Summen, die in einem laufenden Stadthaushalt nicht eingespart werden können, ohne die Kommune nachhaltig und dauerhaft zu schädigen. Ganz zu schweigen davon, dass eine mögliche Hauruck-Lösung für 2025/2026 das Problem nicht löst, wenn auf Bundesebene nicht zu einer realistischen Finanzpolitik zurückgefunden wird.
„Wir dürfen nicht den gleichen Fehler machen, wie Anfang der 2000er-Jahre und unsere Stadt kaputtsparen“, erklärt Franziska Riekewald, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Stadtrat zu Leipzig. „Natürlich ist uns bewusst, dass die finanziellen Mittel knapp bemessen sind. Wir müssen jedoch alles dafür tun, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Stadt zu sichern und die Lücke zwischen Arm und Reich nicht noch größer werden zu lassen.
Wir setzen in den Haushaltsverhandlungen deshalb auf den Erhalt und die Stärkung aller sozialen Maßnahmen im Haushaltsplan, damit Kinder und Jugendliche sowie die einkommensschwächeren Bürgerinnen und Bürger der Stadt geschützt sind. Kindergärten müssen sowohl personell verstärkt als auch baulich instandgehalten und schneller saniert werden.
Schließlich wird hier der Grundstein gelegt für eine gute Entwicklung unserer Jüngsten. Gleiches gilt für Leipzigs Schulen – an Bildung und Ausstattung für Kinder und Jugendliche dürfen wir im Hinblick auf die Zukunft unserer Stadt nicht sparen.“
Wohnungsbau, Sozialticket, Personal
Sören Pellmann, Sprecher für Finanzen der Fraktion, ergänzt: „Die größte Notwendigkeit sehen wir als Linke in der Entspannung des Leipziger Wohnungsmarktes. Dass bezahlbarer Wohnraum auch in unserer Stadt immer härter umkämpft ist, ist kein Geheimnis – die Verliererinnen und Verlierer sind diejenigen, die ohnehin mit wenig zurechtkommen müssen. Es ist daher essenziell, u.a. die Mittel zur Co-Finanzierung der Förderrichtlinie gebundener Mietwohnraum vom Freistaat anzuheben, um den Quadratmeterpreis für die Anfangsmiete auf 6,50 Euro zu halten.
Außerdem wollen wir das Sozialticket für den ÖPNV fördern, um Menschen mit geringem Einkommen weiterhin mehr Teilhabe ermöglichen zu können und so auch die Verkehrswende zu untermauern. Nicht zuletzt müssen wir zudem Leipzigs Freie Kulturszene absichern, welche einen großen Anteil daran hat, dass unsere Stadt über die Landesgrenzen hinaus bekannt und beliebt ist.“
Und dann steht ja die Personalfrage im Raum. Zwar kann die Stadt schon seit Jahren wichtige Stellen nicht mehr besetzen, weil schlicht die Bewerbungen fehlen. 400 bis 500 vor allem befristete Stellen sollen sowieso auslaufen. Aber einige Fraktionen – wie die CDU-Fraktion – fordern noch deutlich stärkere Einschnitte beim Personal.
„Wir gehen auch davon aus, dass die Verwaltungsspitze Wort hält auch in der Frage der Personalpolitik und grundsätzlich betriebsbedingte Kündigungen ausschließt“, sagt Pellmann.
Was aber auch nur eine halbe Lösung ist. Denn die letzten Jahre waren ja schon davon geprägt, dass die Stadt viele Projekte gar nicht umsetzen konnte, weil ihr das nötige Fachpersonal fehlte. Und das fehlte, weil zu den Sanierungsmaßnahmen ab 2006 auch ein massiver Verzicht auf Stellenbesetzungen gehörte. Der sich dann auch in einem riesigen Investitionsstau niederschlug, der nicht abgearbeitet werden konnte. Mit einem massiven Einstellungsstopp wird dieses Problem sogar wieder verstärkt – ohne die drohende Schuldenproblematik der Stadt tatsächlich zu lösen.
Was wird jetzt aus Wärmewende, Klimaanpassung, ÖPNV?
Und währenddessen muss die Stadt ja weitere Kosten schultern, von denen alle wissen, dass sie geschultert werden müssen. Für die Linksfraktion gelte das Hauptaugenmerk dem Schutz und Erhalt der kommunalen Unternehmen der Daseinsvorsorge. Sie benennt hier das Klinikum St. Georg und die LVV-Gruppe mit den Stadt- und Wasserwerken sowie den Verkehrsbetrieben, die finanziell abzusichern sind. Die Stadtwerke brauchen z.B. finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung des Wärmeplans, die Wasserwerke bei den anstehenden Investitionen ins Klärwerk Rosental. Und der jährlich benötigte Zuschuss für die Leipziger Verkehrsbetriebe hat inzwischen die Summe von 90 Millionen Euro erreicht, die zwar größtenteils durch die LVV getragen werden, aber damit ebenfalls dortige Spielräume einschränken.
„Unsere Haushaltsänderungsanträge werden wie in den vergangenen Jahren über seriöse Deckungsvorschläge refinanziert“, betont die Linksfraktion. „Insgesamt ist es unabdingbar bis zur vorgesehenen Abstimmung des Stadtrates zum Doppelhaushalt 2025/26 Mitte März 2025, dass im weiteren Verfahren durch die Verwaltung 100 % Transparenz gegenüber dem Gremium herzustellen ist!“
Das war einer der Kritikpunkte nicht nur aus der Linksfraktion zum im Oktober vorgestellten Haushaltsentwurf von Torsten Bonew. Denn nachjustieren kann die Ratsversammlung nur, wenn die Stadträt/-innen wissen, wo überhaupt noch finanzielle Spielräume sind und wo Einsparungen mit ziemlicher Sicherheit fatale Folgen für die Stadt haben werden.
Ob der Gordische Knoten bis zum März, wenn der Doppelhaushalt eigentlich beschlossen werden soll, tatsächlich gelöst wird, steht in den Sternen. Denn gerade da, wo die Kommune auf klare Verhältnisse angewiesen ist, ist gerade in Bezug auf die anstehenden Haushalte noch gar nichts geklärt – sowohl im Bund als auch im Freistaat.
Keine Kommentare bisher