Es deutete sich schon in der Ratsversammlung im Oktober an, dass die Stadt Leipzig sehr wahrscheinlich kein Klagerecht gegen den Planfeststellungsbeschluss fรผr den Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle haben kรถnnte. Doch natรผrlich waren noch Fragen offen. Die Verwaltung hatte den รผber 1.000 Seiten dicken Beschluss der Landesdirektion noch gar nicht auswerten kรถnnen. Und tatsรคchlich lag das Ergebnis dieser Prรผfung erst am Donnerstag, dem 21. November, vor.

Am 4. Dezember lรคuft die Einreichungsfrist fรผr eine mรถgliche Klage ab. Der Termin drรคngte also. Und so schrieben die Fraktionen von Linken und Grรผnen vorsorglich einen Antrag fรผr die Ratsversammlung am 21. November, mit dem der Stadtrat eine Klageerhebung durch die Stadt hรคtte beschlieรŸen kรถnnen. Und die Debatte am 21. November klang dann auch fast so, als ginge es darum tatsรคchlich.

Erst recht, als sich CDU-Stadtrat Andreas Nowak zu Wort meldete, der vollmundig auf die 97 Jahre lange Erfolgsgeschichte des Flughafens verwies und jede Klage gegen das Erfolgsprodukt Flughafen Leipzig/Halle geradezu zu einem Versuch erklรคrte, die Arbeit des Flughafens komplett zu beenden.

Herr Andreas Nowak (CDU) im Leipziger Stadtrat am 21.11.2024. Foto: Jan Kaefer
Andreas Nowak (CDU) im Leipziger Stadtrat am 21.11.2024. Foto: Jan Kaefer

Worauf es eine gepfefferte Replik von SPD-Stadtrat Andreas Geisler gab. Denn weder der Antrag von Linken und Grรผnen noch die Ausfรผhrungen von Linke-Stadtrat Enrico Stange zielten โ€“ wie Nowak angedeutet hatte โ€“ darauf, die Existenz des Flughafens zu beenden.

Auch Stange hatte die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens betont. Und ein mรถglicher Stopp des Ausbaus wรผrde auch nicht das Ende des Flughafens bedeuten.

Andreas Geisler nannte auch die Zahlen, was das Ganze jetzt schon gekostet hat: 600 Millionen Euro allein in den vergangenen 15 Jahren und wahrscheinlich deutlich รผber 600 Millionen, wenn der Ausbau tatsรคchlich beginnt. Und das alles sind Steuergelder, die da als Ausgleichszahlung fรผr die Verluste des Flughafens auflaufen bzw. in die Infrastruktur investiert werden, damit DHL sein Nachtfluggeschรคft ausbauen kann.

Leipzigs Hoheitsrechte sind nicht tangiert

Und trotzdem zeigt die Flughafenleitung wenig Bereitschaft, die Lรคrmbelastung fรผr die Umliegergemeinden tatsรคchlich zu senken. Da hilft auch Nowaks Spruch nicht, dass Flughรคfen nun einmal Fluglรคrm verursachen. Gerade die Ausnahmeregelungen fรผr den nรคchtliche (Express-)Frachtflugverkehr sorgen dafรผr, dass im Umfeld des Flughafens zehntausende Menschen von nรคchtliche Lรคrmbelastung betroffen sind.

Aber โ€“ das ist die Krux dabei: Fรผr diese Menschen kann Leipzig nicht klagen. Klagen kann die Stadt nur dann, wenn ihre eigenen Hoheitsrechte betroffen sind. Und die sind durch den Ausbau โ€“ wie dann auch noch der in letzter Minute fertiggestellte Verwaltungsstandpunkt, den auch Stange erst am Donnerstagmittag bekam, feststellt โ€“ eben nicht tangiert.

Herr Andreas Geisler (SPD) im Leipziger Stadtrat am 21.11.2024. Foto: Jan Kaefer
Andreas Geisler (SPD) im Leipziger Stadtrat am 21.11.2024. Foto: Jan Kaefer

Das gebe die sรคchsischen Kommunalrechte einfach nicht her. Wie auch FDP-Stadtrat Sven Morlok dann noch einmal genรผsslich ausfรผhrte und darauf verwies, dass zumindest Umweltverbรคnde trotzdem das Recht zu klagen haben. Denn die dรผrfen sich bei Themen wie Lรคrmbelastung und verletzen Umweltrechten auch dann zu Wort melden, wenn Kommunen die Hรคnde gebunden sind.

โ€žDa die Stadt Leipzig die Verletzung eigener Recht nicht geltend machen kann, wird von einer Klageerhebung abgeraten, weswegen sich eine Einbeziehung der Umlandkommunen erรผbrigtโ€œ, hatte die Stadt in ihrer Stellungnahme festgestellt.

Eine Umweltvertrรคglichkeitsprรผfung fรผr das รผberflogene Auengebiet

Was natรผrlich am Dilemma nichts รคndert, dass sich die Stadt zwar seit Jahren โ€“ z. B. in der Lรคrmschutzkommission โ€“ darum bemรผht, all die kritischen Punkte zum Flughafen zur Sprache zu bringen. Aber darin hat sie leider in der Landesregierung keine Partnerin, die โ€“ genauso wie es Nowak beschrieb โ€“ ganz allein die wirtschaftliche Rolle des Flughafens (und das Wohlergehen des Frachtkonzerns DHL) sieht und jede Kritik am Gebaren der Geschรคftsleitung abtropfen lรคsst.

Was bleibt? Der vierte Punkt aus dem Antrag von Linken und Grรผnen: โ€žDie Stadtverwaltung wird aufgefordert, ein Gutachten (Umweltvertrรคglichkeitsgutachten) erstellen zu lassen, das die Auswirkungen des wachsenden Flugverkehrs (Kurze Sรผdabkurvung) auf das FFH-Gebiet (Natura 2000 Gebiete: FFH Gebiet Leipziger Auensystem) untersucht.โ€œ

Ein Punkt, den auch Sylvia Herbst-Weckel fรผr die Grรผnen besonders ansprach. Denn anders als Andreas Nowak behauptete, ist die sogenannte Kurze Sรผdabkurvung nicht vom Tisch. Diese wird nach wie vor auch von schweren Frachtfliegern beflogen, welche die vorgegebene Tonnagebregrenzung deutlich รผberschreiten.

Diesen Punkt รผbrigens hatte die Stadt schon fรผr umsetzbar erklรคrt: โ€žHinsichtlich des vorgeschlagenen 3. Beschlusspunktes verweisen die Antragsteller in ihrer Begrรผndung auf ein zu erstellendes Rechtsgutachten zur rechtlichen Zulรคssigkeit der Mitgliedschaft der Stadt Leipzig in einer Lรคrmschutzgemeinschaft. Der Auftrag zur Erstellung eines entsprechenden Gutachtens wurde erteilt. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.โ€œ

Und natรผrlich bleibt am Ende die Frage, warum die gerade in ihrem Nordwesten vom Fluglรคrm direkt betroffene Stadt in der Lรคrmfrage trotzdem kein Klagerecht hat, also ihre Bรผrger nicht schรผtzen kann, indem sie hier wirklich wirksamen Lรคrmschutz auch auf dem Klageweg durchsetzen kann. Oder โ€“ was ja im Planfeststellungsbeschluss besonders auffiel: regelkonforme und richtige Lรคrmmessungen zu bekommen.

Denn im Feststellungsbeschluss stecken nach wie vor die alten, heftig kritisierten Lรคrmberechnungen, die zum Beispiel fรผr Lรผtzschena-Stahmeln einfach nicht gestimmt haben.

Oder mit den Worten aus dem Antrag von Linken und Grรผnen: โ€žDie einreichenden Fraktionen sehen allein in der genutzten Datengrundlage gravierende Mรคngel des Verfahrens mit erheblichen Auswirkungen auf die Stadt Leipzig. Denn weder die Fluglรคrmprognose des Mรผnchener Bรผros Obermayer noch die landeseigenen Lรคrmkartierungen und Betroffenheitsanalysen sind stimmig.โ€œ

Doch genau hier besteht fรผr Leipzig kein Klagerecht.

Die Auswertung der Stadt in ihrer Stellungnahme ist noch viel umfangreicher. Mit der Folge, dass auch Enrico Stange diese Tabelle erst im letzten Moment zumindest รผberfliegen konnte. Aber das Fazit ist trotzdem, dass Leipzig praktisch kein Klagerecht aus eigener Betroffenheit wahrnehmen kann. Weshalb Stange dann die ersten drei Punkte aus dem gemeinsamen Antrag von Linken und Grรผnen zurรผckzog und nur Punkt vier โ€“ den zur Umweltvertrรคglichkeitsprรผfung fรผr den Auenwald โ€“ zur Abstimmung stellte.

Dieser Punkt bekam dann mit 35:29 Stimmen die nรถtige Mehrheit.

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Heute Nacht waren die privaten Lรคrmmessungen wieder weit รผber gesetzlichen Grenzwerten und vor wenigen Stunden ist ein DHL-Flieger aus Leipzig in einem Wohngebiet abgestรผrzt. Es muss wohl erst ein Flieger in Leipzig direkt abstรผrzen, bis sich alle Befรผrworter des Flughafen(ausbaus) wirklich ernsthaft mir den Risiken beschรคftigen und nicht nur die angeblichen Chancen betonen. Anders kann ich mir die regelmรครŸigen Flรผge รผber dicht bewohntes Stadtgebiet von Leipzig nicht erklรคren. Mit Demokratie hat das leider wenig zutun.

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