Hat Leipzig über seine Verhältnisse gelebt? Mehr Geld ausgegeben, als es vernünftig war? Ist die Stadt durch eigenes Verschulden in eine schiefe Haushaltslage geraten? Das wurde auch am Donnerstag, dem 21. November, nicht wirklich klar, obwohl die Ratsversammlung erstmals eine Diskussion zum kommenden Doppelhaushalt 2025/2026 erlebte. Und der ist so unsicher wie kein Haushalt der vergangenen Jahre.
Und das hat wenig mit den Regierungsproblemen in Berlin und Dresden zu tun und mit den drohenden dortigen Haushaltsunsicherheiten auf Bundes- und Landesebene. Auch nicht mit der schleppenden Konjunkturentwicklung, obwohl natürlich Inflation, Exportrückgänge und hohe Energiepreise dazu beitragen, die Einnahmen der Kommunen ins Kippen zu bringen.
Aber das ist nicht erst seit heute so. Die sächsischen Kommunen sind durch die Bank seit Jahren unterfinanziert.
Und das ist nun einmal Ergebnis einer gerade von der CDU getragenen Politik, die den Kommunen an zwei Enden das Geld entzieht – einmal auf der Einnahmenseite, wo die abgeschaffte Vermögensteuer, die abgesenkten Spitzensteuersätze und die mickrigen Erbschaftssteuern dazu führen, dass gerade die Reichen im Land nur noch mager zu den Haushaltseinnahmen beitragen. Und zum anderen durch die harten Schuldenbremsen, die sowohl der Bund als auch der Freisataat verhängt haben.
Die auch dazu führen, dass Land und Bund zwar immer mehr Aufgaben an die Kommunen überweisen, diese aber nicht ausfinanzieren. Zum Beispiel im Sozialhaushalt, wie Finanzbürgermeister Torsten Bonew am 21. November nach der einführenden Rede von OBM Burkhard Jung unter anderem ausführte. Auch wenn es dann die Vorsitzende der Linksfraktion Franziska Riekewald war, die darauf hinwies, dass ein Viertel der so den Kommunen zur Aufgabe gemachten Sozialausgaben von Bund und Land nicht ausfinanziert sind.
Was übrigens ein direktes Ergebnis der Schuldenbremse ist. Man „spart“ dann eben auf Bundes- und Landesebene, indem man zwar Sozialprogramme beschließt, einen Großteil aber zur Finanzierung bei den Kommunen ablädt.
Ein Bundesproblem, das die Kommunen ausbaden
Da hat dann zwar Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender der SPD, recht, wenn er meint, Franziska Riekewald hätte ihre Rede eigentlich im Bundestag halten müssen. Aber solche Reden der Linken gab es dort. Die interessierten aber weder die Presse noch die Verteidiger der Schuldenbremse und der falschen Steuerpolitik, die den Staat künstlich arm macht. Und damit letztlich handlungsunfähig.
Und da diese Posten einfach ganz noch unten, zu den Kommunen, durchgereicht werden, stecken die auf einmal – obwohl sie (wie Leipzig) jahrelange Sparrunden hinter sich haben – in der Schuldenfalle. In der Vorlage zum Doppelhaushalt 2025/2026, die Finanzbürgermeister Torsten Bonew am 2. Oktober vorgelegt hatte, hätte Leipzig noch geradeso zwei genehmigungsfähige Verwaltungshaushalte vorgelegt mit einem theoretischen Überschuss von 46 Millionen Euro im Jahr 2025 und 55 Millionen Euro im Jahr 2026.
Inzwischen aber haben sich einige Trends noch mehr zum Negativen entwickelt. Der Freistaat hat schon mal angedeutet, dass er weniger Mittel im Finanzausgleich (FAG) an die Kommunen ausreichen will. Weitere Mindereinnahmen kommen hinzu. Das summiert sich auf weitere zweistellige Millionenbeträge, die 2025/2026 fehlen werden, so Bonew.
Und das ist nur der Verwaltungshaushalt, wo Leipzig zumindest noch die Hoffnung haben konnte, zu einem genehmigungsfähigen Ergebnis zu kommen.
Die Schulden laufen aus dem Ruder
Im Vermögenshaushalt läuft seit 2023 schon weit mehr aus dem Ruder. Denn wenn die verfügbaren Gelder schon bei den laufenden Verwaltungsausgaben ausgeschöpft werden, müssen Investitionen über neue Schuldenaufnahmen finanziert werden.
Und weil sämtliche Kosten für Investitionen ebenfalls explodieren, verzeichnet die Stadt Leipzig, nachdem sie jahrelang ihren Schuldenstand auf rund 500 Millionen Euro abgebaut hat, ein Anwachsen dieses Schuldenbergs Ende 2023 auf 768 Millionen Euro, im März standen 817 Millionen Euro auf der Uhr und im Juni 967 Millionen. Für das Jahresende rechnet Torsten Bonew mit einer Milliarde Euro, sodass sich Leipzigs Schulden binnen zweier Jahre einfach mal so verdoppelt haben.
Und es wird nicht besser, denn 2025 und 2026 sollen noch einmal über 500 Millionen Euro dazu kommen, sodass Ende 2026 eine Schuldenlast in den Büchern steht, die Leipzig so seit der Friedlichen Revolution nie tragen musste: 1,6 Milliarden Euro.
Kein Wunder, dass einige der Redner, die am 21. November zu den noch kommenden Haushaltsanträgen ihrer Fraktionen sprachen, mit dem Finger eifrig mal auf OBM Burkhard Jung, mal auf die Linken, die Grünen, den Baubürgermeister zeigten und von Geldverschwendung und fehlenden Priorisierungen sprachen. Ohne dass wirklich klar wurde, wo die einzelnen Redner tatsächlich Einsparmöglichkeiten im Haushalt ausgemacht haben.
Dass eine Streichung der Pläne zum Naturkundemuseum – wie von der CDU-Fraktion beantragt – das nicht bringen, stellte sich ja am selben Tag ebenfalls heraus. Und dass das soziale und kulturelle Sparprogramm einer AfD-Fraktion den Kern der Stadt und vor allem die Ärmsten in der Stadt treffen würde, machte zwar nicht der sichtlich sehr ungebügelte AfD-Redner Tobias Keller sichtbar. Dafür reichte das dann der SPD-Fraktionsvorsitzende Christopher Zenker nach.
Personalfragen und gefährdete Investitionen
Dass die Stadt möglicherweise nicht nur viel Personal hat, sondern das auch noch an der falschen Stelle, thematisierte FDP-Stadtrat Sven Morlok. Dazu hätte es längst eine Strukturdiskussion für die ganze Stadtverwaltung gebraucht. Die es aber nicht gab.
Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dr. Tobias Peter kritisierte die fehlende Prioritätensetzung und die seit Oktober wild entflammte Personaldiskussion, bei der auf einmal Stellenstreichungen und Nichtbesetzungen verkündet werden, ohne dass man in den Ratsfraktionen weiß, wo denn überhaupt das „überflüssige“ Personal stecken soll, das der Finanzbürgermeister mit rund 400 Stellen beziffert hat.
Ärgerlich fand Peter die fehlende Transparenz in der ganzen Haushaltsvorlage. Und eigentlich sah es Franziska Riekewald ganz ähnlich. Die auch die riesige Diskrepanz ansprach zwischen den nun auf einmal auftretenden Finanzierungslöchern und den enormen Ausgaben, die Leipzig eigentlich tätigen muss, um zukunftsfähig zu werden.
„Egal ob Einführung und Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung, Ausbau der Schieneninfrastruktur der LVB oder ein besserer Betreuungsschlüssel in den Kitas – es bedarf eines ‚Erhebliches mehr‘ an finanzieller Ausstattung auch in unserer Stadt. Ein Kaputtsparen, wie am Anfang der 2000-er Jahre, ist mit uns nicht zu machen“, formuliert es die Linksfraktion.
Bundesfinanzpolitik schlägt auf die Kommune durch
Man kann der Linksfraktion dann zwar empfehlen, ihre Reden im Bundestag zu halten. Aber tatsächlich legte Franziska Riekewald ja den Finger in die Wunde: Jetzt kommt mit voller Wucht bei den Kommunen an, was Steuersenkungen für Vermögende und die Schuldenbremse auf Bundes- und Landesebene tatsächlich bewirkt haben: Sie haben dem Land Milliardensummen entzogen, die durch „Sparen, Sparen, Sparen“ nicht kompensiert werden können.
Und auch die Hoffnung, dass es 2027/2028 vielleicht besser wird, ist nicht berechtigt. Eher sieht alles danach aus, dass es dann noch schlimmer kommt und Kommune um Kommune in die Zahlungsunfähigkeit abrutscht.
Und daran werden auch die brachialen Reden eines Eric Recke, der für die BSW-Fraktion sprach, nichts ändern. Eher machte er mit seiner Rede deutlich, dass die junge Fraktion sich auch jetzt noch nicht wirklich in die Haushaltsprobleme der Stadt Leipzig eingearbeitet hat. Er kündigte zwar Haushaltsanträge auch aus der BSW-Fraktion an. Aber wohin diese Vorschläge dann gehen, deutete er nicht mal an.
Was bleibt? Die Vorahnung eines Hauens und Stechens darum, bei welchen Teilen des städtischen Haushalts noch bis zur Beschlussfassung im März das Hackebeil angelegt wird.
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