Mühsam hat sich der Bundesverkehrsminister mit einer Novellierung der Verkehrsordnung dazu durchgerungen, den Kommunen ein wenig mehr freie Hand bei der Einrichtung von Tempo-30-Zonen zu lassen. Das könnte doch dazu führen, vermutete Felix Gebhardt, dass es jetzt deutlich mehr Tempo-30-Zonen in Leipzig gibt, und stellte eine entsprechende Einwohneranfrage. Die er gleichzeitig als Appell formulierte.
„Mit weniger bürokratischem Aufwand und schnelleren Umsetzungsverfahren kann Leipzig nun besser auf die lokalen Bedürfnisse eingehen, was besonders in einer wachsenden Stadt von großer Bedeutung ist. Es geht mir mit diesen Fragen auch darum, an Sie zu appellieren und zu erinnern, sich weiterhin für die Gesundheit der Bürger und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer einzusetzen“, schrieb Gebhardt in seiner Anfrage, auf die jetzt das Mobilitäts- und Tiefbauamt geantwortet hat.
Das auch gleich mal darauf hinweist, dass Leipzig im Verbund der Initiative Lebenswerte Städte seit 2021 darum ringt, dass die Kommunen endlich wirklich freie Hand bekommen, Städte sicherer zu machen, indem flächendeckend Tempo 30 möglich wird.
Aber wenn es tatsächlich um Freiheit geht, dann vergisst auch ein FDP-Verkehrsminister alle früheren Reden von Freiheit und verteilt lieber ein paar Krümel zur Beruhigung der Gemüter, statt den Städten tatsächlich einmal auch zuzutrauen, dass sie mit Maßnahmen der Verkehrsberuhigung sinnvoll und verantwortungsvoll umgehen.
„Die Verwaltung begrüßt die nunmehr auch veröffentlichte und damit in Kraft getretene Novellierung der StVO, auch wenn die 2021 auf Initiative on Leipzig gegründete Initiative Lebenswerte Städte und Gemeinden weitergehende Forderungen gegenüber dem Bund formuliert hatte“, formuliert es das Mobilitäts- und Tiefbauamt.
„Mit der novellierten StVO wird es den Straßenverkehrsbehörden u.a. erleichtert, Geschwindigkeitsbeschränkungen (Tempo 30) anzuordnen, insbesondere in Bezug auf Vorfahrtsstraßen, Spielplätze und viel genutzte Schulwege. Daneben wird der Abstand zwischen zwei bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkungen, der für eine Harmonisierung der Geschwindigkeitsregelung und zur Verbesserung des Verkehrsflusses erforderlich ist, von höchstens 300 m auf nun bis zu 500 m verlängert.“
Eine Umstellung braucht Zeit
Aber noch hat der Bundesverkehrsminister seine Hausaufgaben nicht gemacht: „Um die neue StVO in der Praxis einheitlich umsetzen zu können, bedarf es zudem auch der Überarbeitung der bestehenden Verwaltungsvorschrift zur StVO durch den Bund. Die neuen Vorschriften werden nun entsprechend angewandt und die Prüfung von weiteren Tempo 30 Strecken im Stadtgebiet sukzessive im täglichen Verwaltungshandeln vorgenommen.“
Im Effekt bedeutet das freilich nicht, dass Leipzigs Straßenverkehrsbehörde jetzt in hunderten Straßen gleich mal neue Tempo-30-Schilder aufhängt. Denn in der Praxis geht das überhaupt nicht so schnell, erst recht nicht, wenn man es dann auch noch mit Ampelkreuzungen zu tun hat, wo die Lichtsignalanlagen den neuen Geschwindigkeitsverhältnissen angepasst werden müssen. Und das kostet Zeit.
„Dort wo Geschwindigkeitsbeschränkungen an Hauptverkehrsstraßen geboten sind und es die bisherige Rechtslage erlaubte (Unfallhäufungsstellen, andere qualifizierte Gefahrenlage, im direkten Bereich von Schulen, Kitas, Krankenhäusern …), wurden diese bereits angeordnet und umgesetzt“, schreibt das Mobilitäts- und Tiefbauamt in seiner Antwort.
„Offen sind noch einzelne Maßnahmen aus dem aktuellen Lärmaktionsplan der Stadt. Die darin beschlossenen Maßnahmen zur Einführung von Tempo 30 werden bekanntlich im Rahmen der Kapazitäten derzeit abgearbeitet. Insbesondere die oftmals notwendigen Zwischenzeitanpassungen der Lichtsignalanlagen erfordern einen erhöhten Arbeitsaufwand, was dazu führt, dass die in den Lärmaktionsplänen geplanten Umsetzungszeiträume nicht immer eingehalten werden können. Ziel ist es, diese Maßnahmen so schnell wie möglich umzusetzen.“
Vier Straßenabschnitte in Planung
Es wird also auch in nächster Zeit nur stückweise und schrittweise vorangehen. In den nächsten zwölf Monaten wird es nach Auskunft des Amtes vor allem aus Lärmschutzgründen eine Ausweisung von Tempo 30 in diesen vier Straßen geben:
– Nürnberger Straße (zwischen An der Verfassungslinde und Goldschmidtstraße),
– Riebeckstraße (zwischen Oststraße und Witzgallstraße),
– Schnorrstraße (zwischen Könneritzstraße und Rödelstraße) und
– Industriestraße (zwischen Könneritzstraße und Holbeinstraße)
An ein flächendeckendes Tempo 30 in ganzen Leipziger Stadtteilen ist also noch lange nicht zu denken. Dieses Instrument hat der Bundesverkehrsminister nicht gewagt, den Kommunen tatsächlich in die Hand zu geben.
Es gibt 5 Kommentare
Urs, wogegen wollen Sie Widerspruch einlegen? Gegen die Verringerung der Gesundheitsgefährdung weniger privilegierter Anwohner an Hauptstraßen durch Lärm? Gegen die Erhöhung der Verkehrssicherheit im Umfeld der Eingänge von Schulen durch verringerte Geschwindigkeiten? Die deutsche Straßenverkehrsordnung ist auch in der aktuellen Fassung äußerst restriktiv, was die Verringerung der Höchstgeschwindigkeit angeht und die Leipziger Straßenverkehrsbehörde sehr buchstabentreu in deren Anwendung.
Das Dezernat für Stadtentwicklung und Bau antwortete zudem folgendermaßen auf die dritte Frage Felix Gebhardts “Hat es seit der Einführung neuer Tempo-30-Zonen zuletzt nennenswertes negatives Feedback oder Bedenken von Bürgern gegeben, und wenn ja, inwiefern hat die Stadt darauf reagiert?”:
“Vereinzelt kommt es zu Nachfragen aus der Bevölkerung, insbesondere bei neu eingerichteten Tempo 30 Strecken, deren Grund sich für die Bürgerinnen und Bürger im Einzelfall nicht auf den ersten Blick erschließt. Eine genaue Anzahl zum Feedback (sowohl positiv als auch negativ) sowie zu sonstigen Hinweisen aus der Bürgerschaft liegen nicht vor. Offizielle Beschwerden, etwa in Form eines Widerspruches, gibt es nicht. Generell kann festgehalten werden, und wird auch in den (Einwohner)Anfragen, Petitionen und Anträgen der Ratsarbeit deutlich, gibt es regelmäßig aus Lärmschutz- und Verkehrssicherheitsgründen den Wunsch nach der Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen und Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im städtischen Straßennetz.”
Was schlußfolgern wir daraus? Es wird höchste Zeit für Widersprüche! Gerade auch, weil Sie, lieber Autor, bedauern, es sei “an ein flächendeckendes Tempo 30 in ganzen Leipziger Stadtteilen […] also noch lange nicht zu denken”. Und leider fällt Ihnen nicht auf, daß “flächendeckend” noch nie was Gutes bedeutet hat.
Und Felix Gebhardt, der ausweislich seines CVs “mit seinem Rennrad herumsaust” ist zu wünschen, nicht allzuoft in die in Bälde auch Velozipedisten dingfest machenden Radarfallen zu tappen.
Von “einzelnen Maßnahmen”, die noch offen wären zu sprechen, ist schon dreist. Die Kurt-Eisner-Straße ist eine von vielen, die in der 2. Forschreibung des Lärmaktionsplanes in der Maßnahmenliste bis 2024 stehen und noch nicht umgesetzt sind – die leidige Anpassung der Zwischenzeiten der Lichtsignalanlagen … Selbst aus der 1. Fortschreibung sind noch viele Abschnitte offen, zumeist aus der 2. Priorität, die bis 2023 zu prüfen und anschließend umzusetzen waren.
Und irgendwie scheint es, dass Tempo 30 auf der Kurt-Eisner-Straße nun wohl noch mehrere Jahre auf sich warten lässt. Beschlossen war es ja schon vor einiger Zeit.
Der Titel könnte etwas verwirren: Für Tempo-30-ZONEN hat sich in der StVO nichts geändert, es geht um streckenbezogene Tempo-30-Anordungen, also eher “Abschnitte”. Wenn auch manchmal ein wenig löchrig, sind Tempo-30-Zonen in Leipzigs Wohngebieten schon ziemlich flächendeckend umgesetzt.