Etwas anderes als in der Antwort des Amtes für Umweltschutz auf eine Einwohneranfrage von Dr. Tanja Kuhnt wird Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal am 25. Oktober im Gespräch zur der Austellung zum Correctiv-Artikel „Zwischen Asphalt und Beton“ auch nicht sagen können. Eine Erfassung mittels Luftbildern zur Versiegelung einer Stadt reicht nicht, wenn man damit tatsächlich fundierte Planungen zum Stadtklima machen will. Die Veranstaltung findet von 16 Uhr bis 17 Uhr auf dem Nikolaikirchhof statt.
Dass die Sorgen der Leipziger um die zunehmende Versiegelung der Stadt und den Verlust von Frischluftschneisen und grünen Erholungsorten nur zu berechtigt sind, war in der Leipziger Ratsversammlung schon mehrfach Thema.
„Der Hitzeaktionsplan der Stadt Leipzig weist die immensen Temperaturanstiege der letzten Jahre und den Trend eines rasanten Temperaturanstiegs in Leipzig in den nächsten Jahren aus“, hatte es Dr. Tanja Kuhnt noch einmal deutlich auf den Punkt gebracht. „Die Stadtklimaanalyse der Stadt Leipzig verweist auf die Bedeutung des Erhalts von Grünflächen für das Stadtklima. Die Planungshinweise der Stadtklimaanalyse fokussieren auf den Erhalt der Grünflächen als zentrales Mittel des Klimaschutzes in der Stadt. Das Stadtklima ist wesentlich für die Gesundheit der städtischen Bevölkerung. Die sommerliche Hitzebelastung führt zu vielfältigen Gesundheitsproblemen.“
800 Hektar Verlust seit 2018
Aufgeschreckt wurde sie freilich noch einmal durch die Correctiv-Recherche für Leipzig, nach der seit 2018 rund 800 ha Grünflächen (1.120 Fußballfelder) verloren gegangen sind und 600 ha Flächen versiegelt wurden, sodass nun 31,2 % der Stadt versiegelt und betoniert sind. So jedenfalls das Fazit von Correctiv.
„Die städtischen Planungen, die vorbereitet werden, führen zu einer Fortsetzung dieser großflächigen Verluste und Flächenversiegelungen mit drastischen Folgen für das Stadtklima, die biologische Vielfalt und die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere der vulnerablen Bevölkerungsgruppen in der Stadt“, befürchtet Kuhnt. „Um die Situation nicht weiter zu verschärfen und einen echten Klimaschutz in der Stadt effektiv anzugehen, müsste der Hitzeaktionsplan die Stadtklimaanalyse umsetzen und den Erhalt von Grünflächen und Bäumen in den Mittelpunkt der notwendigen Maßnahmen stellen.“
Und sie wunderte sich natürlich: „Wieso kann Correktiv innerhalb kürzester Zeit den Grünflächenschwund und die Versiegelung ermitteln, während die Stadt über keinerlei Kataster oder Monitoring verfügt?“
Für eine vertiefende Betrachtung nicht geeignet …
Aus Sicht des Amtes für Umweltschutz, das auf ihre Einwohneranfrage geantwortet hat, sind diese Zahlen freilich nicht aussagekräftig für die tatsächliche Versiegelung in der Stadt.
„Die Non-Profit-Organisation CORREKTIV hat gemeinsam mit der Vertical52 GmbH Aufnahmen des Sentinel-2 Satelliten mit 10 Meter Auflösung genutzt, um die Änderung der Versiegelung zwischen 2018 und 2024 in den drei deutschen Städten Leipzig, Hamburg, Stuttgart gesamtstädtisch und auf der Stadtteilebene zu berechnen. Für einen groben Vergleich auf der Ebene von Stadtteilen werden die Sentinel-2-Satellitenbilder als aussagefähig erachtet“, gesteht das Amt für Umweltschutz zu. „Für eine vertiefende Betrachtung der Versiegelung vor allem im Hinblick auf Überhitzung sind andere fachliche methodische Ansätze zu wählen, wie sie bsp. für die Stadtklimaanalyse gewählt wurden.
Zusätzlich wurden Bilder vom PlanetScope Satelliten mit einer höheren Auflösung von 3 Metern ausgewertet, um die Versiegelung im Jahr 2024 genauer zu bestimmen. Ein Vergleich der Ergebnisse mit ausgewerteten Luftbilddaten des Jahres 2022 der Stadt Leipzig konnte bislang nicht durchgeführt werden, sodass die Aussagefähigkeit der Untersuchung derzeit nicht beurteilt werden kann. Grundsätzlich gilt, dass die Aggregierungsebene Stadtteil für einen Vergleich bzgl. der Überwärmungssituation problematisch ist.“
Das könnte heißen: Die Aufnahmen sind noch zu grobkörnig.
Aber wie ermittelt dann die Stadt den Versiegelungsgrad?
„Das Amt für Geoinformation und Bodenordnung verwaltet seit 1990 Luftbilder. Für die Erfassung von Gebäuden und für das 3D-Stadtmodell finden Befliegungen vor allem im frühen Frühjahr statt, bevor die Belaubung von Bäumen einsetzt. In den Jahren 1999, 2018 und 2022 wurde zusätzlich die gesamte Versiegelung projektbezogen erfasst.
Die Versiegelung, die auf der Basis der Luftbildauswertung 2018 ermittelt wurde, bildet die Grundlage für die Starkregengefahrenkarte der Stadt Leipzig. Aktuell wird die Versiegelung auf Basis der Luftbilder, die für das Jahr 2024 erstellt wurden, im Rahmen der wassersensiblen Stadtentwicklung von den Leipziger Wasserwerken ausgewertet“, so das Amt für Umweltschutz.
Und Daten wären außerdem auch öffentlich zugänglich: „Die Veränderung von Grünflächen in der Stadt Leipzig ist auf Basis des Grünflächenkatasters im statistischen Jahrbuch der Stadt Leipzig einsehbar. Darin werden jährlich Daten zu den öffentlichen Grünflächen (Park- und Grünanlagen, Kleingärten, Friedhöfe, Wälder, Straßenbäume) veröffentlicht. Private Grünflächen sind nicht Gegenstand des kommunalen Grünflächenkatasters.“
Was natürlich in keiner Weise eine wirklich übersichtliche Darstellung über die Flächenversiegelung und die Hitzebelastung in der Stadt ersetzt.
Monitoring, aber wie?
Aber das soll sich ändern, wie das Amt für Umweltschutz betont: „Um ein zukünftiges kontinuierliches Monitoring in der Stadt Leipzig zu gewährleisten, wird im Rahmen des Projekts ‚Urban Green Eye‘ im Amt für Stadtgrün und Gewässer der Einsatz von Sentinel-2 Satellitenbilder anstelle von Luftbildern untersucht. Die Sentinel-2 Daten können kostenfrei bezogen werden. Höher auflösende Satellitendaten mit 1 Meter oder 3 Meter Auflösung werden hingegen nur kommerziell vertrieben und sind nicht Untersuchungsgegenstand des Projektes.“
Ansonsten erfolge die gesamtstädtische Erfassung der blaugrünen Infrastruktur im Masterplan Grün u. a. auch unter Verwendung von Daten zum Grünvolumen und Versiegelung. Ein Monitoring der blau-grünen Infrastruktur sei im Aufbau.
Aber was heißt das nun für die Steuerung? Wie will die Stadt tatsächlich eine Verbauung wichtiger Frischluftschneisen und Grünflächen verhindern?
Darum ging es eigentlich in der zentralen Frage von Dr. Tanja Kuhnt: „Wie will die Stadt der Betonierung der noch vorhandenen Frischluft- und Kaltluftentstehungsflächen und der Kaltluft- und Frischluftbahnen Einhalt gebieten?“
Die Stadt habe ja eigentlich die „Betonierung“ weiterer Grünflächen längst in Planung.
Wogegen sich das Amt für Umweltschutz freilich verwahrt, aber auf sehr verdruckste Weise – es schiebt die Verantwortung einfach mal dem Stadtrat zu: „Eine ‚Betonierung‘ vorhandener Frischluft- und Kaltluftentstehungsflächen oder von Kaltluft- und Frischluftbahnen kann im Wesentlichen nur nach der Aufstellung von Bebauungsplänen oder dem Erlass von Planfeststellungsbeschlüssen erfolgen.
In den zugehörigen Verfahren wird der Wert dieser Flächen gegen das Interesse an einer anderen Nutzung abgewogen und über das Ergebnis entweder durch die Ratsversammlung oder eine planfeststellende Behörde entschieden. Im ersten Fall hat es die Stadt selber in Gestalt der Ratsversammlung in der Hand über die Flächeninanspruchnahme zu entscheiden. Im zweiten Fall liegt es ebenfalls an der Ratsversammlung mit Unterstützung der Verwaltung entsprechende Stellungnahmen an die Planfeststellungsbehörde zu geben.“
Beschränkte Einflussmöglichkeiten
Was letztlich tatsächlich bedeutet, dass Hitze- und Klimaschutz zur Abwägungssache werden, wenn ein Investor in Leipzig bauen will.
Und das Amt für Umweltschutz wird noch deutlicher: „In den selteneren Fällen von Inanspruchnahmen von Frischluft- und Kaltluftentstehungsflächen oder von Kaltluft- und Frischluftbahnen im sogenannten planerischen Innenbereich auf der Basis von Baugenehmigungen sind die Einflussmöglichkeiten der Stadt beschränkt. Ein Instrument in diesem Zusammenhang im Rahmen der Möglichkeiten Einfluss zu nehmen ist die jüngst beschlossene Begrünungssatzung. Worum es sich bei der geplanten Betonierung von vielen hundert Hektar Grünflächen handeln soll, müsste näher präzisiert werden, um dazu Stellung beziehen zu können.“
Was dann schon nach einer Ausflucht klingt. Denn tatsächlich lautet die Aussage ja: Die Stadt hat nicht wirklich belastbare Instrumente, eine Verbauung der inneren Stadt zu verhindern.
Termin auf dem Nikolaikirchhof
Da dürfte das Gespräch zur Ausstellung „Stadt unter Beton“ doch sehr aufschlussreich werden, zu dem Correctiv am Freitag, 25. Oktober, um 16 Uhr auf den Nikolaikirchhof einlädt. Zur geplanten Podiumsdiskussion im Rahmen der Ausstellung „Stadt unter Beton“ haben Bürgermeister Heiko Rosenthal, Beigeordneter für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport, und Niclas-Robin Rosendahl vom Ökolöwe Umweltbund Leipzig zugesagt.
Geplant ist die Veranstaltung von 16 Uhr bis 17 Uhr auf dem Nikolaikirchhof, Leipzig.
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