Etwas mehr als drei Monate nach der Kommunalwahl hat sich der neue Stadtrat am Mittwoch, dem 18. September, konstituiert. Die rund einstündige Veranstaltung im Alten Rathaus bot vor allem eine Bühne für Oberbürgermeister Burkhard Jung, der über Lehren aus der Wahl und künftige Herausforderungen für Leipzig sprach. Den Schwerpunkt setzte er dabei auf sozialen und ökologischen Themen.

Wohnen, Mobilität, Energiewende, Klimaanpassung sowie Integration und Zusammenhalt – das sind aus Sicht von Oberbürgermeister Jung (SPD) die größten Herausforderungen, mit denen sich der neue Stadtrat in den kommenden fünf Jahren befassen muss. Der alte Stadtrat habe bereits wichtige strategische Entscheidungen getroffen; nun gehe es um konkrete Konzepte.

Mitte-Links ohne Mehrheit

Einfach dürfte das in der neuen Konstellation nicht werden. Die komfortable Mitte-Links-Mehrheit der vergangenen fünf Jahre gibt es nicht mehr. Im neuen Stadtrat kommen Linke, Grüne und SPD zusammen nur noch auf 31 der 70 Sitze. Für Mehrheiten wird häufig Unterstützung vom BSW oder aus der CDU nötig sein.

Dürfte es beispielsweise bei sozialen Themen wie Wohnen oder Schulen relativ einfach möglich sein, Stimmen vom BSW zu bekommen, sieht es bei Mobilität, Energiewende und Asyl schon anders aus. Hier vertritt das BSW eher oder stark konservative Positionen. Und die CDU hat sich bereits Anfang 2023 vom sogenannten Nachhaltigkeitsszenario bei der Verkehrswende distanziert, nachdem sie es vier Jahre zuvor noch unterstützt hatte.

Der Thomanerchor sang zur Einstimmung der ersten Sitzung des neugebildeten Leipziger Stadtrats. Foto: Jan Kaefer
Der Thomanerchor sang zur Einstimmung der ersten Sitzung des neugebildeten Leipziger Stadtrats. Foto: Jan Kaefer

Rückkehr zum Leipziger Modell

„Das Leipziger Modell ist gefragt“, schlussfolgerte daher Jung angesichts der neuen Verhältnisse im Stadtrat. Das bedeutet: Die Fraktionen müssen sich wieder wechselnde Mehrheiten für ihre Vorhaben suchen. Mit Vertreter*innen von elf Parteien sei der neue Stadtrat so vielfältig wie noch nie zusammengesetzt, erklärte Jung.

Mit Blick auf den Wahlkampf und das Ergebnis plädierte er außerdem dafür, Leipzig als „Leuchtturm für demokratische Grundwerte“ zu erhalten und Sorgen von Menschen – beispielsweise in der Asyl- und Ukrainepolitik – ernst zu nehmen. Man müsse sich aber auf Dinge konzentrieren, auf die Leipzig als Stadt wirklich Einfluss habe.

Diese Äußerungen tätigte Jung auch im Hinblick auf den Wahlerfolg des BSW und dessen Forderung an den OBM, in Russland und der Ukraine für Diplomatie zu werben. „Ich werde nicht gleich morgen nach Moskau reisen“, sagte Jung. Er sei trotzdem froh darüber, dass mit dem BSW eine Partei im Stadtrat ist, die sich für Frieden einsetze und gleichzeitig anerkenne, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg begonnen hat.

OBM Burkhard Jung (SPD) führte durch die konstituierende Sitzung des neuen Leipziger Stadtrates. Foto: Jan Kaefer
OBM Burkhard Jung (SPD) führte durch die konstituierende Sitzung des neuen Leipziger Stadtrates. Foto: Jan Kaefer

Der erste Nachrücker

Der einzige Stadtrat, der neben Jung kurz etwas Aufmerksamkeit bekam, war der frühere Landtagsabgeordnete Enrico Stange aus der Linksfraktion. Im Gegensatz zu allen anderen Stadträt*innen, die ihre Verpflichtungserklärung im Kollektiv äußerten, durfte Stange wenige Minuten später neben Jung nach vorne treten. Hintergrund: Er war „nur“ als Nachrücker anwesend. Franziska Kießling, eigentlich in den Stadtrat gewählt, hatte die Wahl nicht angenommen.

Anschließend wurden einstimmig die Mitglieder der zehn Stadtbezirksbeiräte bestätigt. Diese werden von den Parteien benannt. Die Anzahl hängt jeweils von den Wahlergebnissen in den einzelnen Stadtbezirken ab.

Bereits am Donnerstag wird die Ratsversammlung fortgesetzt. Dann stehen unter anderem Anfragen, Anträge und Petitionen auf der Tagesordnung. Es dürfte dann also auch die Premiere am Redepult für den einen oder die andere neue Stadträt*in geben.

Come together am Stadtmodell: Die Leipziger Stadträtinnen und Stadträte stoßen nach der konstituierenden Sitzung auf die kommende Amtszeit an. Foto: Jan Kaefer
Come together am Stadtmodell: Die Leipziger Stadträtinnen und Stadträte stoßen nach der konstituierenden Sitzung auf die kommende Amtszeit an. Foto: Jan Kaefer

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Es gibt 3 Kommentare

Es steht tatsächlich zu befürchten dass die Opportunisten (+Verrat am Wähler) von den “Freien” tatsächlich jedem r2g Quark zustimmen. Sehr wahrscheinlich sind 31+4 aber auch keine Mehrheit. Letztlich entscheidet eh meist die Verwaltung.

Ach Leute… Es ätzt sich anscheinend immer so schön. Aber im Grunde wisst ihr schon, dass es auch bei der CDU nicht um eine Rückkehr zu Adenauer und Co geht, oder?

Sehr wahrscheinlich wird die Freie Fraktion häufiger r2g zustimmen als das BSW. Das sind zwar nur 4 Stimmen, aber Morlock und Co. haben das Nachhaltigkeits-Szenario nicht aufgekündigt und sie wollen auch nicht zurück in die 1950er Jahre.

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